Hamburg. Er moderiert eine TV-Sendung auf Hamburg 1, hat als CDU-Mitglied für die Bürgerschaft kandidiert – und lebt nun mit dem Krebs.

Es gibt TV-Karrieren, die starten nach einem Engagement im Theater, einem erfolgreichen Casting oder nach dem Besuch einer Journalistenschule. Der Weg von Bülent Kayaturan, genannt Bedo, begann in einem Friseursalon in Altona. Dort ließ sich an einen Juni-Tag 2003 Herbert Schalthoff, bekannter Moderator und Journalist in Diensten des TV-Senders Hamburg 1, die Haare schneiden. Kayaturan beugte sich zu ihm und sagte: „Guten Tag, Herr Schalthoff, ich bin der Bedo, ich möchte ins Fernsehen.“

Fast 18 Jahre später führt Kayaturan durch das Studio des Fernsehsenders an der Rothenbaumchaussee. Es ist längst auch seine Heimat, mehr als 1000 „Oriental Night“-Sendungen hat er dort inzwischen moderiert. Doch nun plant er das große Ding: eine eigene Sonnabend-Show: „By Bedo“. Der Name ist lauttechnisch in drei Sprachen Programm. Auf Englisch, auf Deutsch – und auf Türkisch. Denn dort heißt Bay übersetzt Herr. „Ich will mehr Musik, mehr Unterhaltung, mehr Familie, tiefere Gespräche mit meinen Gästen.“

Bülent Kayaturan: Erfahrung als DJ

Doch wer seinen Aufstieg verstehen will, der muss noch einmal zurück in den Altonaer Friseursalon. Denn auch damals stand Kayaturan am Scheideweg. Fünf Jahre lang hatte er in Hamburg die erste deutsch-türkische Radiosendung „Oriental Sabah“ moderiert. „Ich bin damals zum Offenen Kanal gegangen und habe gesagt, ich bin der Bedo, ich will eine Radiosendung machen.“

Sein großes Plus: Mit der Technik hatte er durch seine Erfahrung als DJ nie ein Problem. Zunächst gab es keinen festen Sendeplatz, die Sendungen wurden geschnitten, dann ausgestrahlt, wenn es im Kalender einen freien Platz gab. Erst im dritten Jahr durfte Kayaturan verlässlich jeden Mittwoch ran, später sogar jeden Tag. In der zweistündigen Sendung riefen oft um die 100 Zuhörer an. Mit Liederwünschen, oder mit Gratulationen wie: „Ich wollte euch einfach nur zu eurer Sendung beglückwünschen.“

Doch im Juli 2003 zog der Senat beim Offenen Kanal, wo Bürger das Programm gestalteten, den Stecker. Trotz großer Proteste gerade der Fans von „Oriental Sabah“, die 18.000 Unterschriften sammelten. Kayaturan hätte sich fortan ganz auf sein Sozialökonomie-Studium an der Uni Hamburg konzentrieren können.

Schalthoff schob seine Medienkarriere an

Stattdessen schob Schalthoff die Medienkarriere seines neuen Schützlings richtig an. Denn sein Sender suchte zu diesem Zeitpunkt einen Moderator für eine deutsch-türkische Sendung. Und Schalthoff sagte dem Geschäftsführer: „Ich glaube, wir haben den idealen Kandidaten.“

In der Tat passte Kayaturan genau in das gesuchte Profil. Medienerfahren, charmant, selbstbewusst – und vor allem perfekt Deutsch und Türkisch sprechend. „Ich werde meinen Eltern immer dankbar sein, dass ich zweisprachig aufgewachsen bin“, sagt Kayaturan. Denn nur deshalb kann er Sendungen produzieren, die es zuvor noch nicht gab: „Früher mussten wir uns türkisches Fernsehen aus der Türkei ansehen oder über das Internet türkisches Radio anhören.“

Die Mutter war 1977 mit dem damals 14 Monate alten Bedo nach Hamburg gezogen, wo der Vater bereits bei Aurubis arbeitete. Dank der jahrelangen ehrenamtlichen Arbeit für den Offenen Kanal durfte er bei Hamburg 1 direkt ins kalte Wasser springen – statt einer Probesendung gab es zum Eingewöhnen auf das neue Medium nur ein paar Interview-Trainingseinheiten mit TV-Profi Schalthoff. „Herbert werde ich immer sehr dankbar sein“, sagt Kayaturan.

Zu seinen Gästen zählten Regisseur Fatih Akin und HSV-Star Ivica Olic

Am 1. September 2003 drückte niemand anderes als der damalige Bürgermeister Ole von Beust den Buzzer. Seitdem hat Kayaturan moderiert, zu den Gästen seiner Sendung, die auch auf YouTube viele Follower hat, zählten Regisseur Fatih Akin, HSV-Star Ivica Olic, Schauspielerin Nora Tschirner und die meisten Senatorinnen und Senatoren.

Doch jetzt sei Zeit für etwas Neues. „Ich brauche wieder eine Herausforderung“, sagt er. Seit Monaten tüftelt er an dem Konzept. Dazu gehört auch die Deko der geplanten neuen Show. Auf seinem Handy zeigt er, wie das Studio aussehen soll.

Vor einem nachtblauen Vorhang auf 15 Meter langen Schienen wird sein Arbeitsplatz für den Talk vom Zuschauer aus gesehen auf der rechten Seite sein, links wird die Band spielen. Optisch erinnert das alles an die legendäre „Harald Schmidt Show“, ein Vergleich, der Kayaturan schmeichelt: „Harald Schmidt ist für mich einer der Größten.“

Ein Juni-Tag ändert alles in seinem Leben

Wahrscheinlich wäre die Sendung auch schon seit Monaten im Programm, hätte ihm seine Gesundheit nicht so übel mitgespielt. Ein Juni-Tag im vergangenen Jahr ändert alles in seinem Leben. Seit Monaten plagen ihn Schmerzen im Magen-Darm-Bereich, der Moderator schiebt es auf den Stress. Schließlich macht seine Freundin Druck, meldet ihn bei einem Internisten an.

Der erkennt schon beim Abtasten, dass sein Patient offenbar schwer erkrankt ist, und besorgt ihm einem Termin zur Magen-Darm-Spiegelung. Nach der Untersuchung sagt der Mediziner nur diesen Satz: „Wir müssen mal reden.“

Wie ein Echo habe er diesen Satz fortan in seinem Kopf, sagt Kayaturan. Der Arzt rät angesichts der Tumorgröße im Darmtrakt zu einer sofortigen Operation. Kayaturan bittet um ein paar Tage Geduld, um noch Dreharbeiten abzuschließen. Als der Arzt entgegnet, dass der Tumor jederzeit in den gesamten Bauchraum durchbrechen könnte, begreift der TV-Moderator den Ernst seiner Lage. Er sagt alle Termine ab, lässt sich operieren.

Die Operation verläuft ohne Komplikationen

Seine Freundin weint, als sie die Nachricht am Telefon erfährt. Ihm selbst kommen erst die Tränen, als er seine Schwester anruft. Diese denkt im ersten Moment, in dem Anruf ginge es um den älteren Bruder, der kurz zuvor einen Schlaganfall erlitten hatte. Sie ist dann genauso geschockt wie die Mutter. „Viel mehr Pech als unsere Familie bei der Gesundheit hatte, kann man kaum haben.“

Die Operation verläuft ohne Komplikationen, der Tumor liegt gut, kann komplett entfernt werden. Doch dann der nächste Rückschlag: Die Gewebeuntersuchung zeigt, dass der Krebs doch schon gestreut hat, zwei von 20 eingesandten Lymphknoten beweisen dies. Also muss Kayaturan in die Chemotherapie. Man darf dies alles schreiben, weil der Moderator über seine Krankheit bereitwillig Auskunft gibt.

Er spricht auf seiner Facebook-Seite sogar regelmäßig selbst über den Kampf gegen den Krebs, sein erster Eintrag hat inzwischen über 1000 Kommentare. Wobei Kayaturan das Wort kämpfen meidet: „Für mich ist der Krebs kein Feind. Der Krebs ist da, ich muss mich mit ihm arrangieren. Ich sage zu ihm: Herr Krebs, ich geh jetzt in die Chemo, Sie haben eh keine Chance.“

Kayaturan will Menschen motivieren, Vorsorgetermine wahrzunehmen

Mit seinen Videos will Kayaturan nun Menschen motivieren, die Vorsorgetermine wahrzunehmen. Und bei akuten Beschwerden eben nicht so lange mit dem Gang zum Arzt zu warten wie er.

Inzwischen hat Bedo die vierte Chemotherapie hinter sich gebracht („die beiden letzten waren hart“), der Berufsoptimist sieht sich bestätigt: „Ich habe nie über den Tod nachgedacht. Meine Familie hat sich mehr Sorgen gemacht als ich. Ich habe die Grundüberzeugung, dass man mit positiver Energie alles schaffen kann.“ Sein Mentor Herbert Schalthoff überrascht das nicht: „Bedo ist ein Kämpfer.“

Wie sehr sich Kayaturan auch bei aussichtslos scheinenden Missionen einsetzt, zeigt sein Engagement für die CDU. 2015 kandidierte er auf Listenplatz 25 für die Bürgerschaft, 2020 auf Platz 26, in beiden Fällen völlig aussichtslos. Kayaturan gab trotzdem alles, produzierte mit seinem Slogan „Gemeinsam für eine l(i)ebenswerte Stadt“ Videos in Serie. So professionell, dass manche Parteifreunde sich nach der Agentur erkundigten, die ihn berät. Seine Antwort: „Keine Agentur, alles selbst produziert.“

3 Fragen an Bülent Kayaturan:

  • 1. Was ist Ihr wichtigstes persönliches Ziel für die kommenden drei Jahre? Gesundheit. Für meine Familie und für mich. Und das ist angesichts meiner Krankheit wirklich keine Floskel.
  • 2. Was ist Ihr wichtigstes berufliches Ziel für die kommenden drei Jahre? Der Erfolg meiner neuen Sendung. In diesem Projekt steckt so viel Herzblut.
  • 3. Was wünschen Sie sich für Hamburg in den nächsten drei Jahren? Keinen Stillstand, kein Fahren auf Sicht – endlich mal Aufbruch und Visionen.

Noch spannender ist indes die Frage, warum sich Kayaturan für die CDU engagiert. Bei manchen türkischen Aleviten, seine Familie gehört zu dieser Minderheit im Islam, kam das nicht gut an – eine Mitgliedschaft in der SPD hätte für sie nähergelegen.

In seiner Jugend hatte Kayaturan („Politik war meine geheime Leidenschaft“) auch Veranstaltungen der Genossen besucht, später sah er sich auch bei den Grünen um. Doch für ihn machen die Christdemokraten die beste Migrationspolitik, die bessere Wirtschaftspolitik sowieso.

SPD und Grüne sieht er deutlich kritischer: „Seit 40 Jahren reden die über Migrationspolitik. Aber wo ist denn der erste Senator mit Migrationshintergrund?“ Die CDU stehe dagegen für den Kurs „nicht jammern, sondern machen“. Es könnte so etwas wie ein Wahlspruch für Kayaturan sein. Mit seiner neuen Sendung will er es wieder allen beweisen.