Der Designer hatte ein ambivalentes Verhältnis zu seiner Geburtsstadt Hamburg. Doch vom neuen Konzerthaus war selbst er begeistert.

* Dieser Artikel erschien erstmals im November 2017. Zu Ehren von Karl Lagerfeld hat sich die Abendblatt-Redaktion entschieden, dieses Stück noch einmal zu veröffentlichen.

Hamburg. Ein schöneres Geschenk zum Nikolaus könnte Karl Lagerfeld seiner Heimatstadt nicht machen. Am 6. Dezember wird der weltberühmte Modedesigner eine exklusive Chanel-Modenschau in Hamburg präsentieren. Wie bitte, werden jetzt diejenigen fragen, die seinen Werdegang verfolgt haben. Immerhin ist Lagerfeld nicht nur für Haute Couture, Handtaschen und Must-haves für Katzen(liebhaber) bekannt, sondern auch für seine markigen Sprüche: gegen Heidi Klum, die Bundeskanzlerin und auch gern mal gegen Hamburg.

In der Zeitschrift „Gala“ wetterte er kürzlich: „Ich kann halt nicht auf die Straße gehen. Da kommen ältere Leute und sagen: ‚Da ist ja unser Kalli!‘“ Der hauptsächlich in Paris lebende Ü-80-Designer, der immer wieder Rätsel um sein tatsächliches Alter aufgibt, stattet seiner Geburtsstadt nur äußerst selten einen Besuch ab. Zuletzt 2013, als er in Begleitung der in Hamburg lebenden „Vogue“-Chefredakteurin Christiane Arp anlässlich seines 30. Jubiläums als Chanel-Kreativdirektor eine Hafenrundfahrt machte – gut abgeschirmt durch seine Entourage, versteht sich.

Hamburg ist für Lagerfeld Provinz

Seine Villa Jako in Blankenese verkaufte er 1997. Angeblich, weil ihn die Gespräche mit dem Hauswart so genervt hätten. Und schließlich könne man nicht an der Elbe wohnen: „Da tut man nichts, als auf die Elbe zu gucken. Da wird man faul“, soll er damals gesagt haben. Bleibt den Hamburgern nur, in der Karl-Lagerfeld-Boutique in der Kaisergalerie an den Großen Bleichen zu stöbern. Oder den populären wie exaltierten Sohn der Stadt als Wachsfigur zu bestaunen. Im Panoptikum steht der Designer behandschuht und unnahbar neben Otto Waalkes und Udo Lindenberg.

Karl Lagerfeld mit seinem Patensohn Hudson Kroenig in der Elbphilharmonie.
Karl Lagerfeld mit seinem Patensohn Hudson Kroenig in der Elbphilharmonie. © Getty Images

Dass die Hansestadt Provinz, also quasi ein Unort für Stil, ist, wurde Lagerfeld schon früh mit auf den Weg gegeben. „Hamburg ist das Tor zur Welt – aber es ist eben nur das Tor, und da musst du raus.“ Der Ausspruch seiner Mutter Elisabeth ist fast genauso legendär wie der weiß gepuderte Zopf und die eine Sehschwäche korrigierende schwarze Sonnenbrille, die der Modezar zu seinen Markenzeichen gemacht hat.

Bedingung: Nur in der Elbphilharmonie

Als er für ein italienisches Magazin ein Foto-Shooting auf der Reeperbahn veranstaltete, war das seine Premiere auf der sündigen Meile, denn „als anständiger Junge ging man da nicht hin“, sagte Lagerfeld 2015 in einem Interview mit „Bild am Sonntag“ über seine Jugend, die er in Hamburg und auf dem Gut Bissenmoor in der Nähe von Bad Bramstedt verbrachte. Und weiter: „Hamburg ist derart familiär für mich, dass ich mich nicht mal frage, wie es ist und ob ich es vermisse. Wenn ich wie vor zwei Jahren durch den Hafen schippere, dann habe ich das Gefühl, meine Kindheit war gestern. In Hamburg hat sich ja nicht viel geändert.“

Und dann passierte doch etwas: „Als ich die Elbphilharmonie zum ersten Mal sah, war mir sofort klar, dass ich die nächste Kollektion hier präsentieren muss“, sagte er gegenüber dem Portal FashionNetwork. Es soll seine absolute Bedingung gewesen sein, dass die Modenschau in der Elbphilharmonie stattfindet – und nirgendwo sonst. Das Konzerthaus hat Hamburg damit jetzt auch auf die modische Weltkarte manövriert. Und Lagerfeld wird seine Geburtsstadt sozusagen über Nacht in eine Mode-Metropole verwandeln.

Viele Prominente zu Show erwartet

Die Elbphilharmonie bietet anscheinend die entsprechende Kulisse für die hohen Ansprüche des Kreativen, der nicht nur begnadet zeichnet und entwirft, sondern auch fotografiert, Bücher verlegt und Zeitungen gestaltet. Immerhin gelten die Prêt-à-porter- und Haute-Couture-Schauen von Chanel als die am aufwendigsten inszenierten. Mal lässt „Kaiser Karl“ seine Models im Pariser Grand Palais unter einem echten Wasserfall hindurchlaufen. Mal wird der Eiffelturm nachgebaut oder eine Rakete gezündet.

Was Lagerfeld für das Mode-Spektakel in Hamburg erdacht hat, ist noch geheim; es soll eine Überraschung für die ausschließlich geladenen Gäste sein. Darunter könnten sich übrigens einige Prominente tummeln: Schauspielerin Diane Kruger ist Fan des Labels, ebenso sind es die Models Toni Garrn und Cara Delevingne. Nur so viel ist bekannt: Die angekündigte Métiers d’art-Kollektion 2017/18 ist eine Sonderkollektion, die losgelöst von den gängigen Fashion Weeks gezeigt wird und das traditionelle Kunsthandwerk vom Federmacher bis zur Perlenstickerei würdigt. Ähnliche Schauen gab es zum Beispiel in Paris und Salzburg – und jetzt eben ausgerechnet in Hamburg.

Wer weiß: Vielleicht wird die Elbphilharmonie Karl Lagerfeld genauso verzaubern wie die Millionen Besucher, die schon dort waren – und mit seiner Geburtsstadt endgültig versöhnen. Es heißt, er habe seine Heimat und das Norddeutsche nie so ganz aus seinem Herzen verbannt. „Ich kenne diese Stadt auswendig, auch wenn ich lange nicht da war“, hat er bei einem seiner raren Besuche gesagt.