Hamburg. Die Hamburger „Kanzlerin-Designerin“ Bettina Schoenbach über signalrote Blazer und warum Angela Merkel nun mehr Farbe bekennt.
Dieser Blazer. Drei Knöpfe, runder Halsausschnitt. Nicht zu tailliert geschnitten. Man erkennt ihn sofort, wenn man das denkmalgeschützte Townhouse an der Neuen ABC-Straße betritt. Schon zigmal hat man ihn gesehen und dabei an eine bestimmte Frau gedacht. „Wenn ich die ,Tagesschau‘ anschalte, entdecke ich fast immer Bettina Schoenbach“, sagt Melanie Grobecker, rechte Hand der Designerin. Das liegt daran, dass der Blazer eine prominente Trägerin hat. Damit ist nicht Sprecherin Judith Rakers gemeint (ebenfalls Schoenbach-Fan), sondern Angela Merkel.
Seit dem denkwürdigen Wahlabend im Jahr 2005, an dem die designierte Bundeskanzlerin einen marineblauen Hosenanzug mit hellen Knöpfen trug, ist Bettina Schoenbach (56) die „Kanzlerin-Designerin“. Gerade in jüngster Zeit bekommt die Modedesignerin, die nahezu jedes Outfit der Politikerin stellt, viele Komplimente dafür.
Seit mehr als 30 Jahren im Modegeschäft
Angela Merkel traut sich mehr, trägt kräftige Farben wie Rot oder Senfgelb. Zum Besuch bei Donald Trump in Washington zeigte sie in einer eisblauen Schoenbach-Jacke Haltung. Es scheint, als würde die Kanzlerin im Wahljahr Farbe bekennen. Vielleicht, um nicht hinter ihrem Amt zu verschwinden, wie jüngst „Der Spiegel“ schrieb. „Angela Merkel hat ihren Stil selbst entwickelt. Sie ist die einflussreichste Politikerin der Welt. Natürlich muss sie wahrgenommen werden“, erklärt Bettina Schoenbach das neue modische Selbstbewusstsein ihrer Kundin.
Zutritt zur Berliner Politszene bekam Bettina Schoenbach durch ihre erste prominente Käuferin, Sabine Christiansen. „Die Moderatorin brauchte für ihre damalige Talkshow Outfits, die zur gleichen Zeit feminin und seriös sind. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht.“ Außerdem stattete sie das Hamburger Filmfest und die Bambi-Verleihung aus. Nicht nur andere TV-Ladys wie Caren Miosga, Gabi Bauer und Autorin Ildikó von Kürthy wurden auf ihre Mode aufmerksam. Auch bei Angela Merkel durfte Schoenbach ihre Kollektion präsentieren – und gefiel.
Das Unternehmen Schildkröt brachte 2005 eine Merkel-Puppe auf den Markt, die das Outfit des Wahlabends trug. Und auch die Ausstellung im London Design Museum über „Women Fashion Power“ zeigte 2015 eins ihrer Modelle, ausgewählt von Angela Merkel persönlich. „Es ist schon lustig. Ich bin seit 30 Jahren selbstständig in der Modebranche und werde doch auf diese eine Jacke reduziert“, sagt Schoenbach.
In New York, wo die gebürtige Hamburgerin Modedesign studierte und auch heute noch viel beruflich unterwegs ist, nenne man das einen „significant style“. „Mir ist bewusst, dass ich dadurch einen enormen Wiedererkennungswert weltweit habe.“ Ihre Mode ist elegant und zurückhaltend: kaum Muster, dafür klare Farben, raffinierte Details. Die Materialien: das Beste vom Besten wie Wolle und Kaschmir des italienischen Edelherstellers Loro Piana.
Power durch Stil
Und sie ist überzeugt von Power durch Stil: „Der Mensch muss mit seiner Kleidung übereinstimmen, mit ihr eine Symbiose bilden. Nur wer sich wirklich in seinen Kleidern wohlfühlt, kann überzeugen“, so die Designerin. „Man kreiert mit seinem Stil eine Botschaft.“ Bettina Schoenbach steht mit ihren Entwürfen für eine klare Aussage, Kontinuität und Individualität.
Diese Kontinuität hat sich auch Angela Merkel zu eigen gemacht. Den berühmten Blazer trägt sie seit 2005 wie eine Uniform. Gewagte Kleiderausschnitte wie 2008 bei der Eröffnungsfeier der neuen Oper in Oslo, als Medien sich über ihre neue Freizügigkeit mokierten, sieht man jedenfalls nicht mehr. Zur Eröffnung der Elbphilharmonie erschien Angela Merkel statt im Abendkleid in einem goldfarbenen Seidenblazer mit schwarzer Hose.
Merkel-Blazer weiter in Kollektion
Obwohl längst lässigere Gehmäntel und Trenchcoats angesagt sind, weil sie für die modernen, berufstätigen Frauen und Mütter einfach alltagstauglicher sind – ihren Merkel-Blazer wird Bettina Schoenbach so schnell nicht aus der Kollektion nehmen. Er gehört einfach zu ihr wie die Nadel zum Faden.