Hamburg. Wie die Hamburger Schauspielerin Lara-Maria Wichels, bekannt aus der Telenovela, zur Frauenrechtlerin wurde.

Es gab diesen einen Moment. Lara-Maria Wichels saß gerade vor dem Spiegel. Fertig machen für die Goldene Kamera. Schminken. Haare hübsch machen. Gut aussehen für die Fotos auf dem roten Teppich. Sie schaute in den Spiegel. Aber sie fand sich nicht. „Ich war irgendwie durchsichtig. Ich war nicht ich“, sagt sie heute über den Moment, der ihr Leben entscheidend verändern sollte.

Knapp zwei Jahre ist dieser Moment her. Lara-Maria Wichels sitzt vor einem Café im Karolinenviertel, nur wenige Meter entfernt von der Schauspielschule, für die sie mit 17 Jahren von Stade nach Hamburg zog. Heute ist sie 24 Jahre und eine gefragte deutsche Schauspielerin. Gerade dreht sie eine Spielfilm-Doku für „Terra X“. Bis vor einem Jahr war sie die Nathalie Greve in der ARD-Telenovela „Rote Rosen“. Sie wurde plötzlich in der Öffentlichkeit erkannt. Und immer hatte sie das Gefühl, gut aussehen zu müssen.

Seit dem Moment vor dem Spiegel hat sich ihr Leben verändert. Vorbei sind die Zeiten, in denen sie sich verrückt machen ließ durch Schönheitsideale. Heute kämpft sie für ein anderes Bild der Frau – und für die Rechte der Frauen. Mit Erfolg. Das Auswärtige Amt hat sie nach Georgien eingeladen. Mit der Frauenstiftung Filia reiste die Hamburgerin durch das Land am Schwarzen Meer.

In fünf Städten trat sie als Feministin auf. „Es ist unglaublich, wie klein das Frauenrecht in Georgien noch bis vor Kurzem geschrieben wurde“, sagt sie im Gespräch mit dem Abendblatt. „Die Frauen bekommen hier keine Entwicklungschancen. Vor allem in den ländlichen Gebieten. Es gibt so viele Mädchen, die gar nicht wissen, dass sie eine eigene Meinung und Freiheit über sich und ihren Körper haben dürfen.“ Die Schauspielerin will ihnen eine neue Sichtweise und ein anderes Selbstverständnis aufzeigen. „Ich habe großen Respekt vor dieser Aufgabe.“

Zweifel begleiteten immer ihr Leben

Vor allem hat Lara-Maria Wichels eine Aufgabe gefunden, mit der sie sich ohne Selbstzweifel identifizieren kann. Zweifel begleiteten immer ihr Leben. Je größer ihr Erfolg als Schauspielerin, umso stärker hinterfragte sie ihr Leben. Als der Stress ihren Alltag dominierte, wurde sie krank. Burn-out. Krankenhaus. Sie musste etwas ändern.

Wenn die junge Frau nachdenken will, fährt sie in die Berge, in die italienische Schweiz. Hier machte sie einst eine Ausbildung zur Käserin, bevor sie mit „Rote Rosen“ bekannt wurde. Hier ist ihr Rückzugsort. Als Lara-Maria Wichels vor einem Jahr alleine zwischen Kühen und Kartoffeln in den Bergen saß und reflektierte, wusste sie, dass sie eine neue Aufgabe braucht. Zurück im Norden, stolperte sie über einen Aushang der Hamburger Protestbewegung Pinkstinks: YouTuberin gesucht. Lara meldete sich. Wenige Wochen später startete sie ihr eigenes Format. „Lu
likes“. In kurzen Videos wendet sie sich an junge Mädchen und hält ihnen den Spiegel vor.

Warum lasst ihr euch auf euer Äußeres reduzieren? Warum lasst ihr euch billige Machosprüche gefallen? Wieso hinterfragen das eigentlich so wenige? „Die Themen liegen mir am Herzen oder waren mir in meiner Pubertät nah. Ich finde es wichtig und richtig, darüber zu sprechen.“ Als Mädchen wurde sie früher häufig angemacht. Dabei fühlte sie sich oft hilflos. Zum Beispiel, als ein Typ zu ihr sagte: „Ey Praline, willst du Füllung?“ Ein Spruch, der sie lange beschäftigt hat. In ihren Videos empfiehlt sie mit einem Augenzwinkern den passenden Konter. „Ey du Flasche, brauchst du Milch?“

Häufig auf Demos und Protestveranstaltungen

Ihre Videos kommen an. Nicht nur bei den fast 5000 YouTube-Abonnenten. Das Format hat erste finanzielle Unterstützer. „Es lohnt sich scheinbar, aktiv zu sein. Man wird gesehen und respektiert, das fühlt sich gut an“, sagt sie. Die Begegnungen mit den Mädchen und Frauen, an die sie sich nun richtet, machen ihr Mut. „Ich habe die Kraft und vielleicht auch den Verstand, etwas zu verändern, etwas zu verbessern.“

Als sie mit 17 in die Schanze zog, ging sie häufig auf Demos und Protestveranstaltungen. „Ich habe ein starkes Gefühl für Gerechtigkeit und Gleichberechtigung.“ Manchmal wünscht sie sich, noch mutiger zu sein. In der Rolle als Lu gelingt ihr das besser. „Ich würde mich privat wahrscheinlich weniger ex­trem ausdrücken. Lu ist lauter, ungezwungener. Sie kann die Botschaften deutlicher vermitteln.“

Auch die echte Lara wird lauter, wenn sie über Feminismus spricht: „Weil mir das Thema so wichtig ist.“ All die TV-Formate wie „Germany’s Next Topmodel“, Werbeclips und YouTube-Videos, in denen es um Schönheitstipps geht – die 24-Jährige verurteilt diese sexistischen Formen des Frauenbilds. Sie will Alternativen aufzeigen. Und dabei zu sich selbst finden. Die Reise in Georgien war dafür ein wichtiger Schritt.