Hamburg. Für die Autorin, Regisseurin, Produzentin, Dozentin und obendrein Kuratorin auf der Berlinale, ist Stillstand keine Option.
Do it!“ – Mach es! – steht auf einer Postkarte, die Maike Mia Höhne über ihren Schreibtisch gehängt hat. „Wenn ich etwas tun kann, dann gehe ich es auch an.“ Gäbe es ein Leitmotiv im Leben der 44-Jährigen, dann wäre es genau dieser Satz. Maike Mia Höhne, das wird bei einer Tasse Tee in ihrem Arbeitszimmer in der ehemaligen Viktoria-Kaserne in Altona schnell klar, ist eine Macherin. Sie braucht immer etwas zu tun. Stillstand kennt sie nicht.
Seit 2007 leitet die Hamburgerin die Sektion „Shorts“ der Berlinale, in der internationale Kurzfilme präsentiert werden. Dafür sichtet sie jedes Jahr etwa 4000 Einsendungen, mit denen sich Regisseure aus aller Welt bewerben – vom brasilianischen Dokumentarfilm über den schwedischen Experimentalfilm bis hin zum Film in Form eines Briefromans aus Ghana.
Doch das ist nur ein Teil von dem, was den Alltag von Maike Mia Höhne ausmacht. Sie arbeitet auch als freie Autorin und Fotografin, produziert Fernsehbeiträge, gibt Seminare an Filmhochschulen und ist nebenbei noch Regisseurin ihrer eigenen Filme. Sie nennt sich selbst nur „Cinematographic Clusterlady“, ein Begriff, der für sie alle ihre Rollen vereint. „Alles, was ich tue, führt zum Film.“
Gerade hat sie eine Reise nach Ramallah in Palästina hinter sich gebracht, wo sie als Jurymitglied des Film Lab Palestine die besten palästinensischen Kurzfilme prämierte. In wenigen Tagen stellt sie auf dem Filmfestival in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi ihren eigenen Film „3/4“ vor, der im Sommer in deutschen Kinos zu sehen war. „Ich bin viel unterwegs, arbeite oft woanders und könnte eigentlich durchgehend reisen. Das ist sehr verlockend, aber zum Glück habe ich eine Familie.“
Organisation und Disziplin zwei wesentliche Eigenschaften
Mit ihrem Mann und den zwei Kindern, vier und neun Jahre alt, lebt Höhne in einer Mietwohnung in Ottensen. Ist sie auf Reisen, kümmern sich ihr Mann Robert und ein Au-pair-Mädchen um die Tochter und den Sohn. Die Familie ist für Höhne Ruhepol und Energiequelle zugleich. „Wenn ich mit den Kindern bin, bin ich mit den Kindern. Dann versuche ich auch nicht zu arbeiten, zu telefonieren oder Mails zu beantworten“, sagt die Frau mit der markanten Brille. „Mit Kindern ist man auch viel effizienter. Sie wollen morgens in die Kita gebracht oder nachmittags von der Schule abgeholt werden. Durch sie bin ich es gewohnt, mir Zeiten zu setzen. Das übertrage ich auch auf meine Arbeit.“
Organisation und Disziplin sind wohl zwei wesentliche Eigenschaften, die Höhne beschreiben. Sich auf den Moment zu konzentrieren und nicht ablenken zu lassen ist ihr Rezept, um den Überblick über ihre Arbeitsfelder zu behalten und gleichzeitig Beruf und Familie zu vereinbaren. „Ich versuche, nie ins Stocken zu geraten“, sagt Höhne.
Dabei deutete ihr beruflicher Werdegang zunächst nicht darauf hin, dass sie einmal Kuratorin bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin sein würde. Zwar interessierte sie sich schon früh für die Fotografie. „Als ich 16 Jahre alt war, hatte ich ein eigenes Fotolabor und habe darin Schwarz-Weiß-Bilder entwickelt“, erzählt die gebürtige Hannoveranerin, die in Emden und Göttingen aufwuchs. Doch nach dem Abitur in Göttingen schlug Höhne eine ganz andere Richtung ein: Die Tochter eines Pastors und einer medizinisch-technischen Assistentin begann Medizin zu studieren. Zunächst in Bochum, dann in Hamburg. Drei Jahre lang, bis zum Physikum. Dann entdeckte sie ihre Leidenschaft für den Film. „Auf dem Weg zur Arbeit ins Krankenhaus in St. Georg habe ich mir eines Tages eine Super-8-Kamera gekauft.“ Mit Mitte 20 habe sie in ihrem ersten Film über den Sinn des Lebens philosophiert. „Ich habe mir überhaupt keine Gedanken über Kameraeinstellungen und Schnitt im herkömmlichen Sinn gemacht.“
„Ich wollte die Welt retten"
Fest stand für sie damals jedoch, dass „die Hierarchien am Krankenhaus nichts für mich sind“. Es folgte ein Studium der Visuellen Kommunikation an der Hochschule für bildende Künste (HfbK) in Hamburg und in Kuba. Nach einem Arbeitsaufenthalt in Argentinien schloss sie ein Aufbaustudium mit dem künstlerischen Schwerpunkt Film an der HfbK an. Noch heute sieht sie eine enge Verbindung zwischen der Medizin und der Kunst. „Ein guter Arzt muss seine Patienten genauso gut zu Krankheitssymptomen befragen, wie ein Filmemacher bei der Recherche für seinen Film Fragen stellen muss.“
Von ihrem eigentlichen Berufswunsch aus Jugendtagen, der auch der Anstoß für das Medizinstudium war, ist sie dabei heute nicht allzu weit entfernt. „Ich wollte die Welt retten und Diplomatin werden. Ein typischer Wunsch einer 18-Jährigen“, sagt Höhne und lacht. „Ich wollte einen Anteil an dem haben, was in der Welt passiert.“ Heute tut sie das über das Medium Film. Mit ihrer Arbeit versucht sie „zum Nachdenken anzuregen, Auslöser für einen Diskurs zu sein“. Bei Filmveranstaltungen teilt sie gern ihre Ansichten – die auch bei der Tasse Tee stets eine politische Dimension haben – mit anderen Menschen. „Wenn ich auf der Bühne stehe, nutze ich die Möglichkeit vor Publikum, um über Inhalte – von Filmen, ästhetischen Ansätzen, Strategien – zu sprechen. Das bringt uns – Künstler und Publikum – gemeinsam weiter.“
Auch in ihrem Langfilmdebüt „3/4“ hat Höhne etwas zu sagen. Der Film erzählt von einem Paar, dessen Beziehung nach einer gescheiterten Schwangerschaft zerbricht. „3/4“ sei ein Kammerspiel und ein Heimatfilm, sagt die Regisseurin. Ihr ging es darum, einen genauen Blick auf den Alltag zu werfen, Partnerschaften und die damit verbundenen Fragen und Probleme zu beleuchten. Doch das Thema Beziehung ist für sie mit Fertigstellung ihres Films abgeschlossen. „Nun muss etwas Neues kommen.“ Und wie sollte es anders sein, hat sie ihr nächstes Projekt schon in Angriff genommen. Höhne schreibt bereits am Drehbuch für ihren nächsten Langfilm. Worum es darin geht, will sie noch nicht verraten. Zumal ihr für den neuen Film im Moment nur wenig Zeit bleibt.
Stillstand kennt sie nicht
Denn in diesen Tagen dreht sich in Höhnes Leben alles um die Berlinale, die vom 9. bis 19. Februar stattfindet. Und damit beginnt für sie wieder die Zeit des Pendelns zwischen Hamburg und Berlin. „Sobald die Bäume ihre Blätter verlieren, weiß ich: Es ist Berlinale-Zeit.“ In der Hauptstadt lebt sie während der Wintermonate bei einer befreundeten Kamerafrau. Derzeit sichtet sie mit ihrem Team Tausende Einsendungen für das Kurzfilm-Programm. Obwohl das bedeutet, stundenlang Filme zu schauen, ist der Auswahlprozess für Höhne kein Schnellverfahren. „Es ist wichtig, die Eindrücke sacken zu lassen. Ein Film muss auch mal ein paar Tage liegen, bevor ich mich für ihn entscheide.“
Ein guter Film muss sie berühren. Er muss authentisch sein. Der Filmemacher muss den Mut haben, eine Position einzunehmen. Er blickt hinter Fassaden, sieht genauer hin. „Ich bin relativ einfach zu entfachen. Hauptsache, es stimmt, was ich zu sehen bekomme. Hauptsache, es ist wirklich spannend.“ Höhne weiß, wonach sie sucht, wenn sie die Kurzfilme für die Berlinale auswählt.
Die ersten haben es bereits in ihr Programm aus etwa 30 Filmen geschafft. Welches Leitmotiv sich in diesem Jahr in den Kurzfilmen abzeichnet, kann Höhne noch nicht sagen. Im vergangenen Jahr widmeten sich viele Beiträge dem Thema „Ankommen“. Doch geht es der Kuratorin stets darum, „möglichst unterschiedliche filmische Positionen zusammenzubringen“. Seien es Dokumentar-, Experimental- oder Animationsfilme.
Ob sie jemals an dem Weg zweifelt, den sie in ihrem Leben eingeschlagen hat? „Ja“, sagt Höhne. Auch nach rund 20 Jahren im Filmgeschäft noch. „Sobald ich aber im Kino sitze und einen Film schaue, sind alle Zweifel verflogen.“ Höhne weiß, was sie tut, und zögert nicht, es anzupacken. Stillstand kennt sie nicht.