Hamburg. Oskar und Emil Belton aus Hamburg spielen im Kriegsdrama „Unter dem Sand“ ihre ersten Kinorollen. Zum Casting kamen sie zufällig.

Werner und Ernst wollen Maurer werden. Damit Deutschland, das nach dem Zweiten Weltkrieg „in Schutt und Trümmern liegt“, wieder aufgebaut wird. Lessner & Söhne wollen sie ihre Firma nennen. „Obwohl wir selbst die Söhne sind, aber das merkt bestimmt keiner“, sagt Werner, der ältere der beiden Zwillingsbrüder, lachend.

Es ist eine der wenigen heiteren Szenen aus „Unter dem Sand“, einem deutsch-dänischen Kriegsdrama, in dem die 16-jährigen Zwillinge Emil und Oskar Belton aus Hamburg mitspielen. Der Film von Regisseur Martin Zandvliet, der von heute an in den Kinos läuft, greift ein bislang wenig bekanntes Geschichtskapitel auf: Nach Kriegsende blieben etwa 2000 deutsche Soldaten, die Hitler für den Volkssturm rekrutiert hatte, in dänischer Gefangenschaft. Viele von ihnen waren noch Kinder. So wie die fiktiven Figuren Werner und Ernst.

Bevor die Brüder ihren Plan von der eigenen Firma umsetzen können, müssen sie zusammen mit anderen Kriegsgefangenen im Sommer 1945 den Nordseestrand von 45.000 Nazi-Tretminen befreien – ohne Ausbildung und technische Geräte. „Dann dürft ihr nach Hause gehen“, sagt Feldwebel Rasmussen, ihr Aufpasser auf dänischer Seite.

Dieses „Freiheitsversprechen“ ist zugleich ein Todesbefehl. Die verzweifelten und ausgehungerten Jungen robben sich Zentimeter für Zentimeter über den Strand, entschärfen mit zitternden Händen Mine für Mine. Es passieren Unfälle, schreckliche, tödliche. Die, die unversehrt bleiben, müssen weitermachen. Viele Filmszenen sind nur schwer zu ertragen. Auch für Emil und Oskar Belton waren die achtwöchigen Dreharbeiten in Dänemark während der Sommerferien hart. Oder wie es die 16-Jährigen beim Interview in den Hamburger Kammerspielen formulieren: „Krass. Es war körperlich anstrengend, weil viele Szenen mehrmals gedreht werden mussten“, sagt Oskar, der sich mit Kung-Fu fit hält.

Aber sie beide seien auch sehr stolz, bei „Unter dem Sand“ mitgewirkt zu haben. „Viele Gleichaltrige schauen bei Kriegsthemen lieber weg. Ich hoffe, dass möglichst viele Jugendliche den Film sehen, um zu begreifen, dass Krieg nicht nur Rumballern ist, sondern auch eine emotionale Härte hat“, sagt Emil, der Kickboxer.

Das Kriegsdrama mit einer Altersbeschränkung ab zwölf Jahren ist für die Schüler, die niemals Schauspielunterricht hatten, ihr Kinodebüt. Wahnsinnige Fans vom Geschichtsunterricht sind sie eigentlich nicht. Das Engagement kam eher zufällig. „Beim Internetsurfen sind wir durch einen Freund, der schon bei den ,Pfefferkörnern‘ mitgemacht hat, auf einen Casting-Aufruf für den Film gestoßen. Dort wurden Zwillinge gesucht. Also haben wir uns gemeldet“, erzählt Emil, der mit einer Minute jüngere und mit seinen 1,72 Metern um einen Zentimeter kleinere der eineiigen Zwillinge.

„Schauspielen ist zum größten Teil Handwerk – der Rest ist Talent und Glück“ steht auf der Homepage ihrer Hamburger Künstleragentur New Talent. Bei den Beltons könnte man auch sagen, dass das Schicksal seine Finger im Spiel hatte. Denn für die Rollen der 16-Jährigen scheinen sie prädestiniert. So wie die Zwillinge Werner und Ernst sind auch Oskar und Emil von Geburt an auf eine ganz spezielle Weise miteinander verbunden – was sich nicht an der gleichen Klamottenauswahl, höchstens in der mit viel Wachs ähnlich gestylten Frisur und auch in vielen filmischen Momenten zeigt. „Es kommt schon mal vor, dass wir minutenlang schweigend dasitzen und dann feststellen, dass wir an das Gleiche gedacht haben“, sagt Oskar, der wie Emil selten von sich, sondern von „wir“ spricht.

Zum Beispiel: „Wir wollen immer etwas erleben, und zwar in der echten Welt, nicht vor dem Bildschirm“, erzählt Oskar weiter und nennt den drei Jahre älteren Bruder als Vorbild. Erlebt haben die Zwillinge durch ihren Filmdreh schon einiges. Mit der Crew von „Unter dem Sand“ ging es zum Filmfest nach Toronto. Beim Filmfest Hamburg feierte das Drama Deutschland-Premiere. Sogar in Amerika wird man die markanten Jungsgesichter bald kennen – Sony Classics vermarktet den Film dort. Und es gibt neue Filmangebote für die Brüder, die nach dem Abitur „auf jeden Fall etwas mit Schauspielerei machen wollen“.

Im Biologieunterricht habe er kürzlich gelernt, dass Zwillinge, die unter ähnlichen Umständen leben, auch ähnlich sterben würden, erzählt Oskar am Ende des Interviews. Zumindest auf der Leinwand bewahrheitet sich dies auf tragische Weise.

„Unter dem Sand“ läuft von heute an im Abaton-Kino und Koralle-Kino. www.unterdemsand.de. Die Kritik zum Film steht heute in LIVE.