Hamburg. Die Hamburgerin Mintra Mattison trainierte schon US-Soldaten, macht nun die Freezers fit und hat ihr erstes Buch veröffentlicht.

Wie oft sie es schon in den Augen fremder Leute gesehen hat, das Ungläubige, das Überraschte: Du kleines, hübsches Mädchen bist also der Coach für die harten Jungs? Im Ernst? Und die machen wirklich, was du sagst? In der Tat. Im Kraftraum der Hamburg Freezers hört jeder auf ihr Kommando: 40 Push-ups, 50 Squats, 100 Sit-ups.

Ungeübten bricht schon beim Hören der vielen englischen Übungsbezeichnungen der Schweiß aus. Aber es ist ganz egal, ob man weiß, was ein Kettlebell Swing oder ein Russian Twist ist (nein, leider kein Cocktail). Man muss nur wissen, wo seine Grenzen sind – und sie dann überwinden. Mintra Mattison geht es darum, das Beste und Meiste aus sich und ihren Schülern herauszuholen, nicht nur das Nötigste oder Mindeste. Ihr Arbeitsmotto hat sie vom amerikanischen Philosophen Ralph Waldo Emerson übernommen: „Mach das Beste aus dir, denn das ist alles, was von dir da ist.“

Von nichts kommt nichts, findet Mattison, und eine gute Figur und echte Kraft sind nun mal mit Arbeit verbunden. Hört sich furchtbar diszipliniert und anstrengend an, aber wenn die 33-Jährige es formuliert, dann wirkt es nicht wie eine Kampfansage, wie Muskelkater ohne Ende und als sei man notgedrungen bei einer Beerdigung von Zucker und Weißmehl zugegen. Es klingt eher nach einer Herausforderung. „Jeder sollte seinen Körper behandeln, als sei er eine gute Freundin, also mit Respekt“, sagt Mattison.

Mitleid bekommt man geschenkt, Respekt muss man sich erarbeiten, und genau das hat die Hamburgerin in den letzten Jahren getan. Von einer Werbekauffrau in einer kleinen Hammerbrooker Agentur wandelte sie sich zum Drillmaster von US-Soldaten und Spitzensportlern. Wie das? Sport war zwar schon immer ihr Hobby, sie machte Yoga und Bobybuilding, aber was echte Power bedeutet, das erfuhr sie erst durch ihren Ex-Mann, einem US-Soldaten, der mehrfach in Afghanistan kämpfte. Er erzählte ihr, dass dort alle CrossFit absolvieren, ein Training, bei dem die persönlichen Erschöpfungsgrenzen immer weiter verschoben werden. Denn wer auf der Suche nach den Taliban stundenlang bei 35 Grad ein Gebirge erklimmen muss, für den reicht ein normaler „Bauch-Beine-Po-Kurs“ zur Vorbereitung nicht aus.

Mattison lernte außerdem das harte US-Army-Training kennen. Will man in Amerika in die Armee aufgenommen werden, muss man als Frau beispielsweise in zwei Minuten 17 Liegestütze und 50 Sit-ups schaffen. Außerdem gilt es über eine Holzwand zu gelangen, ein 15 Meter langes Seil hochzuklettern und viele weitere, alltagsuntaugliche Aufgaben zu bewältigen. Braucht man im normalen Leben nicht, aber Mintra Mattison wollte kein normales Leben mehr und entschied sich vor acht Jahren dazu, der Werbung Goodbye zu sagen und eine Ausbildung zum Fitnesscoach zu machen.

Inzwischen hat sie zahlreiche Trainerlizenzen, unter anderem als Military Athlete Coach und CSCS (Certified Strength and Conditioning Specialist). Diese Ausbildungen sind nur in den USA möglich, und dort war es auch, wo Mattison fast zusammenbrach. „Was mache ich hier eigentlich?“, fragte sie sich am ersten Tag bei Rob Shaul, einem Absolventen der US Coast Guard, dessen Sportslogan lautet: „No Mirrors. No Machines. No Mercy.“ Rob schickte seine Auszubildende (Mintra war die einzige Frau) mit einer zwölf Kilo schweren Weste auf einen Fünf-Kilometer-Lauf. „Meine Zeit war unterirdisch, und dann wurde ich auch noch angemotzt, wie blöd es sein muss, so weit zu fliegen für so schlechte Testergebnisse“, erzählt Mattison.

Dieses Erlebnis und die furchtbaren Schmerzen Abend für Abend hätten ihren Ehrgeiz geweckt. Und wenn man erst einmal begriffen hat, dass Schweiß kein richtiger Schmutz ist, sondern eine körpereigene Glücks­dusche, dann quält man sich gerne. „Es geht ja nicht nur um körperliche Kraft. Wer Schwächen überwindet, dessen Psyche wird gestärkt, was Auswirkungen auf das ganze Leben haben kann. Wer locker schwere Hanteln stemmt, der stemmt auch einen Berufswechsel“, sagt Mattison. Oder andere, energieraubende Aufgaben.

Die Freezers hatten als erstes Eishockeyteam
einen weiblichen Coach
Die Freezers hatten als erstes Eishockeyteam einen weiblichen Coach © Witters

Mit ihrer besonderen Ausbildung schaffte es die Hamburgerin, einen außergewöhnlichen Job auf einem US-Stützpunkt in Deutschland zu bekommen: Sie entwickelte Trainings- und Ernährungspläne für die Special Forces und die Military Police. Ihre Aufgabe war es, die ihr anvertrauten Soldaten binnen kürzester Zeit auf das geforderte Leistungsniveau zu bringen. „Den Respekt der Soldaten musste ich mir erarbeiten, aber als sie merkten, wie viel besser und stärker sie durch mich wurden, gab es keine Diskussionen mehr“, sagt Mattison. Außerdem sei sie es durch ihr Aussehen (ihre Mutter kommt aus Thailand) seit Kindheit an gewohnt, nicht gleich dazuzupassen.

In jedem stecke ein Sportler,innerhalb von zwölf Wochen könne man fit werden

2013 wurde Mattison Deutschlands erster weiblicher Fitnesstrainer eines Eishockey-Bundesligisten, den Hamburg Freezers; zusätzlich arbeitet sie als selbstständiger Coach. Man muss also nicht Soldat oder Profisportler sein, um sich von ihr fit machen zu lassen. Innerhalb von zwölf Wochen könne sie selbst einen absoluten Sportmuffel in Form bringen, sagt Mattison, deren Methode auch in dem gerade erschienen Buch „Strong is sexy“ (Südwest Verlag) nachzulesen und nachzuturnen ist.

„In jedem Menschen steckt ein Athlet, wirklich in jedem“, sagt Mintra Mattison. Man müsse es nur schaffen, das Training wie Zähneputzen zu einer täglichen Routine zu machen. Eine Studie des Londoner University College hat gezeigt, dass es durchschnittlich 66 Tage braucht, bis sich aus einem bestimmten Verhalten eine Routine entwickelt. Wichtig sei dabei, nicht ständig nach rechts und links zu schauen, sondern sich auf seine eigenen Ziele zu konzentrieren. „Gerade Frauen neigen dazu, sich zu vergleichen. Natürlich gibt es immer jemanden, der schöner, fitter, schneller, reicher, schlanker zu sein scheint. Aber solche mentalen Stolpersteine sind verschenkte Energie“, sagt Mattison. Eine Blume würde ja auch nicht im Traum daran denken, sich mit einer Blume neben ihr zu vergleichen. Sie blüht einfach nur.

So gelingen gute Vorsätze mit der Mattison-Methode: Ihrer Meinung nach kann man sich Botschaften sprichwörtlich ins Gehirn meißeln. Um sein Ego oder seinen Durchhaltewillen zu stärken, spricht man „Ich schaffe das!“ laut aus und klopft sich dabei ein paar Mal auf den Punkt zwischen den Augenbrauen. Dann wiederholt man das Ganze (Spruch sagen, klopfen) oberhalb der rechten Augenbraue, dann unter dem rechten Auge, unter der Nase und der Unterlippe.