Iris von Arnim feiert am 25. Januar ihren 70. Geburtstag. Die „Cashmere-Königin“ wird Sohn Valentin mehr Verantwortung geben.
Harvestehude. Die weiße Fassade der Altbauvilla in Harvestehude lässt nicht vermuten, welche teils wilden Szenen sich dahinter abspielen. Es ist nicht zu erahnen, dass dort Modegeschichte geschrieben wird, immer wieder exklusive Kollektionen entstehen.
Immer mittendrin ist Iris von Arnim – Designerin, Mutter, Hausherrin, Chefin, Deutschlands „Cashmere-Königin“. Sie feiert am 25. Januar ihren 70.Geburtstag, ihre Firma Iris von Arnim wird gleichzeitig 35 Jahre alt. Deshalb wird gerade die Villa ausgeräumt, alles wird umgebaut für die geplante rauschende Party. Denn hier sollen in wenigen Tagen 250Gäste überrascht werden. Zuvor will die Designerin zurückblicken. Und nach vorne schauen.
Iris von Arnims Büro liegt am Ende des Erdgeschosses und ist ein fast quadratischer Raum mit kleiner Treppe zum Garten. Im Zimmer steht ein glänzender, großer Schreib- und Arbeitstisch, deckenhoch reichen die Regale, ohne auf den ersten Blick erkennbare Ordnung gefüllt mit Bildbänden. Die übrigen Räume in der ersten Etage der Villa werden von den 40 Mitarbeitern eingenommen.
Die Kreativabteilung ist dort angesiedelt, ebenso die Bereiche Design, Marketing, PR und Vertrieb. Ganz oben, im Loft mit Glaskuppel, lebt Iris von Arnim seit 25 Jahren. „Nach zehn Jahren Karriere hatte ich mir schon etwas zusammengespart und konnte mir dieses Haus leisten“, sagt die Designerin. Es sei ein Ort, der sie ausmache, privat und beruflich.
Voll bepackte Tische stehen auf glänzendem Parkett, Kollektionsteile hängen an den Wänden. Die graue Lederhose für 1500 Euro, Pullover für jeweils 800 Euro. Investitionen eben. Sohn Valentin, 35, ist auch im Unternehmen aktiv, die Ähnlichkeit mit der Mutter ist frappierend: helles Haar, wacher, offener Blick, gerade Haltung, Wahnsinnsaugen. Er tippt gerade ungeheuer schnell auf seiner Computertastatur. Währenddessen eilen Mitarbeiter vorbei, rücken Stühle am großen Konferenztisch zurecht, der mitten im Raum steht. Ein Meeting stehe an, sagt jemand. „Was?“, ruft es aus dem Büro der Chefin, „Meeting, Meeting, was für ein Meeting denn?“ „Produktion!“, tönt es zurück. „Aha. Jetzt? Hhm.“ Iris von Arnim lehnt sich kurz zurück, ganz zufrieden mit der Antwort wirkt sie nicht. Sie zündet sich eine Zigarette an. Rauchen sei eben ihr Laster, schon seit Jahrzehnten. Sohn Valentin, der seit neun Jahren dabei ist, würde vielleicht sagen, ein weiteres Laster seiner Mutter sei, dass sie immer alles wissen wolle, was die Firma betrifft.
Die Abgabe von Verantwortung an die nächste Generation ist ein großes Thema für Iris von Arnim, sie spricht offen und gern darüber. Sie will den Zeitpunkt nutzen und sich mehr zurückziehen. „Das operative Geschäft werde ich komplett übernehmen, Iris wird uns aber als Kreative erhalten bleiben und sich auf das Design konzentrieren“, sagt Valentin von Arnim über seine Mutter, von der er mehrfach gerufen und gebeten wurde, am Gespräch teilzunehmen. Als optisches Zeichen werde er auch das Büro der Chefin übernehmen. „Das haben wir gemeinsam entschieden“, sagt er. „Iris will sonst fast immer dabei sein, bei jedem Meeting, sie ist sehr impulsiv“, sagt der Sohn, die Mutter runzelt die Stirn. „War das denn schlimm eben mit der Nachfrage?“, möchte sie wissen. „Ja“, sagt er.
Valentin, der nach acht Jahren in den USA – davon vier als Banker in New York – gemeinsam mit Iris von Arnim beschlossen hat, ins Familienunternehmen einzusteigen, hat die Marketingabteilung professionalisiert und treibt die Technisierung der Herstellungsprozesse voran. Er kennt die Gesetze der Märkte bestens – und wie man für edle Cashmeremode aus Hamburg wirbt. Heute gibt es Fotos von Supermodel Heidi Klum, Oscarpreisträgerin Cate Blanchett und Sängerin Gwen Stefani – natürlich alle in Iris von Arnim.
Valentin erarbeitet die Markenstrategie für das Lebenswerk seiner Mutter. Er habe „den ungeschliffenen Diamanten“ erkannt. „Es hat sich sehr viel verändert in den vergangenen Jahren, die Vertriebswege und, und, und...“, sagt Valentin, doch seine Mutter fällt ein: „Am Anfang steht immer noch der Pullover, der entworfen werden muss!“ „Ja, Iris, das stimmt, aber es muss alles ineinander fassen. Die Synergien greifen richtig gut mittlerweile.“
„Ich wünsche ja, dass es gelingt.“ Pause. „Ich bin mir meiner Ambivalenz durchaus bewusst, ich möchte mich einerseits zurückziehen, die Ruhe genießen. Aber ich habe andererseits einfach Angst, dass hier alles zusammenbricht, wenn...“„...wenn du nicht mehr jeden Tag hier bist.“ Der Sohn lacht. „Noch bin ich da!“, antwortet die Mutter. „Ja, aber du willst auch gerne mehr auf Sylt sein.“ „Ja, aber...“ „Iris.“ Valentin zieht am Kragen seines Kaschmirpullovers. „Wenn ich auf Sylt bin“, sagt die Designerin, „dann schalte ich ab.“ Auf der Insel hat sie seit Jahren ein Haus, wolle dort „mit dem E-Bike fahren und meine Haare im Wind wehen lassen“. „Du willst aber trotzdem immer angerufen werden und wissen, was los ist...“, sagt der Sohn. „So ist das eben, wenn man immer alles selbst gemacht hat und alles aufgebaut hat.“
Voller Leidenschaft für dieselbe Sache – was das Familienunternehmen betrifft, da geraten Valentin und Iris von Arnim immer wieder aneinander. Zoffen sich offen, sind voneinander genervt, doch schnell auch wieder versöhnt. Jetzt, zu diesem Zeitpunkt, sei ihr Arbeitsverhältnis bestens, zu Beginn der gemeinsamen Arbeit sei es jedoch „kein Zuckerschlecken“ gewesen.
„Ich bin voller Vertrauen in meinen Sohn und dessen Können“, sagt Iris von Arnim. Sie hat Veränderungen zugestimmt, hat das Fachwissen ihres Sohnes anerkannt. So hat er die Gründung von eigenen Läden – im März haben sie in Düsseldorf den dritten, in Kitzbühel den vierten Laden eröffnet – voran getrieben, das Onlinegeschäft komplett aufgebaut. Iris von Arnim arbeitet ohne Computer. Ihr iPhone könne sie aber weitestgehend bedienen, sagt die Designerin lachend. „Mein Luxus ist, alles haptisch vorliegen zu haben“, sagt sie und schiebt ihre langen Haare aus dem Gesicht. Was sie brauche, bekomme sie ausgedruckt. Valentin lächelt seine Mutter an. „Was ist?“, fragt sie. Mutter und Sohn halten den Blick.
„Wir haben früher unser Potenzial nicht überall ausgeschöpft. Ich bin sehr auf Wachstum gepolt“, erklärt Valentin von Arnim weiter, „das ist unser Weg, gepaart mit der höchsten Qualität weiterhin.“ Dem Hamburger Unternehmen gehe es im Gegensatz zu anderen Modeherstellern richtig gut. Aktuell kämpfen andere sehr traditionsreiche und etablierte Marken wie St. Emile, Rena Lange oder Strenesse mit der Insolvenz. „Es gibt nicht mehr den Mittelweg“, sagt Valentin von Arnim. „Entweder man gewinnt oder man stirbt.“
Gewonnen hat Iris von Arnim schon. Ihre Karriere, die durch einen Zufall entstanden ist, weil sie nach einem schweren Autounfall Anfang der 1970er-Jahre im Krankenhaus aus Langeweile anfing zu stricken, dauert seither an. „Damals trug man Strick nicht zum Lunch oder Dinner“, sagt die Autodidaktin. Charakteristisch für ihre Strickkollektionen waren früher Motive und verschiedene Farben. „Aber nur von Regenbogenpullovern kann man ja auch nicht leben, deshalb musste ich mir immer wieder etwas Neues einfallen lassen“, sagt sie. „Und es gab eben keine unifarbenen, hochwertigen Strickpullover.“
Heute ist Iris von Arnim bekannt für ihre Designs mit außergewöhnlichen Zöpfen, Rippen und Mustern. Iris von Arnim war 1985 eine der ersten Designerinnen überhaupt, die mit Kaschmir arbeitete, seit 1993 entwirft sie zusätzlich thematisch abgestimmte Kollektionen. Für jede Saison entstehen etwa 100 Teile, davon seien 50 Prozent „DNA“, also Teile mit Struktur, Zöpfen und Rippen, Handstrick und gewebtem Doubleface.
Das ist seit Jahren unverändert.
Manches überdauert eben alles.