Die 37-Jährige verbreitet im Frühstücksfernsehen Fröhlichkeit, doch hinter den Kulissen kämpfte die beliebte Moderatorin gegen eine tückische Krankheit, die geschätzt jeder achte Deutsche hat. Hashimoto.
Grindelhof. Bulldogge Enna hüpft um ihre Beine, und die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein: der kleine, dicke Hund, der viel schläft, und die große, schlanke Moderatorin, die zweimal in der Woche um drei Uhr aufsteht, um im „Sat.1-Frühstücksfernsehen“ über die Welt der Stars und Sternchen zu berichten.
Nie werde sie sich an diese Uhrzeit gewöhnen, sagt Blumhagen und lacht. Es ist ein „Macht aber doch nichts“-Lachen. Gehört zu ihrem Job, wird erledigt. Wer will denn da jammern? Ein Selbstmitleid-Weichei und Frau Blumhagen eingesperrt in einem Fahrstuhl – nein, das würde nicht lange gut gehen. Vanessa Blumhagen besteht aus 171 Zentimetern Kraft und guter Laune, was insofern besonders ist, weil das nicht immer so war und die 37-Jährige hart dafür arbeiten musste, dass es ihr jetzt einigermaßen gut geht.
Ihr Kampf bleibt unsichtbar, wenn sie vor der Kamera über Prinz William oder Lady Gaga berichtet. Er bleibt unsichtbar, wenn sie wie jetzt in ihrer LuxusLashes Lounge am Grindelhof die Kaschmirpullover zeigt, die man dort kaufen kann. Skiclub Kampen, ein von Syltern gegründetes Label, Swarovski-Steine glitzern auf dem weichen Stoff. Lässig und Luxus sind die Wörter, die einem zu der Kollektion einfallen. Man könnte sich darüber unterhalten. Über Mode und VIPs, über den Promi-Zirkus und andere nette Oberflächlichkeiten, die niemandem wehtun.
Aber Vanessa Blumhagen hat leider mehr drauf. Schmerz, Leiden, Verzweiflung. Eine dreijährige Odyssee von einem Mediziner zum nächsten, bis ein nie zuvor gehörtes Wort auftauchte: Hashimoto.
Aber von Anfang an: Es ist ein milder Herbsttag im Jahr 2008, als Vanessa Blumhagen in ihrem grauen Porsche Boxster durch Winterhude fährt. Lange hatte sie mit dem Vorbesitzer um den Preis gefeilscht. Jetzt sitzt sie in ihrem Traumauto, das Verdeck offen. Im Job läuft es gut, in der Liebe auch. So stellt man sich Glück vor, oder? Aber Vanessa Blumhagen spürt das Glück nicht, im Gegenteil: Sie merkt, dass etwas mit ihr nicht stimmt. Irgendetwas in ihr funktioniert nicht. Nur was?
Es fängt an mit Lebensmittelunverträglichkeiten, Müdigkeit. Ihr Schriftbild verändert sich, Hände und Füße schlafen ein, ihre Finger schwellen an, und ihr Gewicht verändert sich. Jeden Morgen ein Schreck beim Blick auf die Waage, manchmal trampelt Blumhagen das Gerät aus Wut in Grund und Boden. Zu der Zeit arbeitet die Moderatorin bei RTL für die Sendungen „Punkt 6“ und „Punkt 9“, und zwar im Stehen, was bedeutet, dass Problemzonen nicht kaschiert werden können. Um sie herum nur schmale Grazien, während Blumhagen immer mehr zunimmt. Von 57 auf 71 Kilo, obwohl sie wie eine Verrückte zum Sport rennt und so gut wie gar nichts mehr isst. „Ich hatte Angst um meinen Job, aber netterweise hat nie jemand etwas gesagt“, sagt Blumhagen heute, längst wieder rank und schlank. Doch damals wird sie immer verzweifelter, denn sie weiß nicht, was mit ihr passiert.
Ein Freund machte sie am Telefon auf die Autoimmunkrankheit aufmerksam
Auf einmal führt ihr Körper eine Rebellion nach der anderen aus, und niemand scheint ihn zu verstehen. Blumhagen konsultiert Mediziner um Mediziner. Sieht die Sprechstundenhilfen häufiger als ihre Freundinnen. Lässt sich Blut abnehmen, bis die Venen vernarbt sind; einmal platzt sogar eine Vene. Sie erhält immer wieder Diagnosen, die dann doch nicht zutreffen: Rheuma, Borreliose, ja, sogar einen Gehirntumor soll sie haben. Alles falsch. Vanessa Blumhagen weiß nicht weiter. Jeden Tag wird sie müder, dicker und ratloser. „Mama, wenn das Flugzeug nach Hamburg gleich mit mir abstürzt – ich wäre nicht traurig“, sagt die verzweifelte Tochter zu ihrer Mutter am Telefon. Der Tiefpunkt.
Dann ein Telefonat mit einem Freund, der sagt, ihm kämen die Symptome bekannt vor. Eine Bekannte hätte das auch, sie leide unter Hashimoto. Blumhagen recherchiert im Internet, rennt zu ihrem Arzt, der kontrolliert noch einmal die Blutwerte der vergangenen Jahre und sagt: „Ja, das ist es.“
Bei Hashimoto handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung, benannt nach einem japanischen Arzt. Sie führt zu einer chronischen Entzündung der Schilddrüse. Geschätzt jeder achte Deutsche hat diese Krankheit, doch die meisten wissen es zuerst gar nicht oder erfahren es vielleicht nie.
Denn die Symptome sind sehr unterschiedlich und könnten auf viele andere Krankheiten genauso passen: Gewichtszunahme, Müdigkeit, Muskelschmerzen, Magenprobleme, Haarausfall, Depressionen. Das komplette Hormonsystem gerät aus der Balance. Die fehlenden Schilddrüsen-Hormone müssen ersetzt werden, doch es dauert, bis die richtige Dosis gefunden ist.
Vanessa Blumhagen nimmt zweimal am Tag eine Handvoll Tabletten, darunter viele Vitamine und Nahrungsergänzungsmittel. Sie trinkt keinen Alkohol, keinen Kaffee, nicht mal um drei Uhr morgens vor der Sendung. Das Koffein würde ihr nicht guttun. Wer unter Hashimoto leidet, sollte seinen ganzen Lebensstil ändern. Für immer.
Die Moderatorin hat zwei sehr erfolgreiche Bücher über die unbekannte Volkskrankheit geschrieben, eine Facebook-Seite gegründet (www.hashimoto-deutschland.de) und hilft vielen Betroffenen mit ihrem Wissen. Auch, weil sie so viel Kraft und gute Laune ausstrahlt. Trotzdem. Oder gerade deswegen. „Es hört sich komisch an, aber ich bin jetzt glücklicher als vorher.“