Marcel Eger, Ex-Profi des FC St. Pauli, reist mit einer Hobbymannschaft nach Brasilien und fördert soziale Projekte

St. Pauli . Marcel Eger und der FC St. Pauli – das ist eine große Liebe. Sieben Jahre lang hielt Eger für den bekanntesten Stadtteilclub Deutschlands die Knochen hin, erzielte in 136 Einsätzen acht Tore. Der Innenverteidiger mit dem großen Kämpferherzen stieg durch seine kompromisslose Spielweise zum Publikumsliebling auf. 5000 Fans feierten ihn und Florian Lechner am 18.Mai 2011 mit einem selbst organisierten Abschiedsspiel an der Adolf-Jäger-Kampfbahn.

In wenigen Wochen verabschiedet sich der frühere Abwehrspieler, der seine Karriere mit nur 16 Einsätzen beim FC Brentford beendete, erneut vom Millerntor. Dieses Mal von seinem Stammplatz als Fan auf der Gegengeraden. „Ich betreue als Trainer eine Fußballmannschaft aus Hobbyspielern, die parallel zur WM nach Brasilien fliegt und gegen lokale Teams antritt. So können wir ganz anders mit den Menschen in Kontakt kommen und diverse soziale Projekte unterstützen“, sagt er. Danach will Eger ein Jahr um die Welt ziehen. Sich einfach treiben lassen.

„Fußball war nie mein Masterplan“, beschreibt er selbst seine Laufbahn. Der 31-Jährige, der mit 13 nicht in die bayerische Landesauswahl aufgenommen wurde, da er eine lange geplante Urlaubsreise mit seinem Vater nicht absagen wollte, hatte immer mehr als Fußball im Kopf. Seine Eltern ließen ihn ein alternatives Gymnasium besuchen, förderten früh seinen Blick für die Vielfältigkeit des Lebens und sozial schwächere Menschen. Bei einem Spaziergang im heimischen Sachsen bei Ansbach läuft dem jungen Amateurspieler des 1. FC Nürnberg Georg Volkert über den Weg. „Du bist gut, aber kein Techniker. Geh dahin, wo eine Grätsche mehr wert ist als ein Übersteiger. Geh zu St. Pauli“, rät ihm die HSV-Legende. Die Musikszene im Norden und die beeindruckende Party, die die Fans des Kiezklubs beim Bundesligaaufstieg 2001 im Frankenstadion feiern, tun ihr Übriges.

Eger will nach Hamburg. 2004 klappt es. „Ich weiß die Zeit, die ich beim FC St. Pauli hatte, sehr zu schätzen. Die Mannschaft war eine unglaublich geile Truppe. Wir haben zusammen gekämpft, gefeiert und uns ordentlich die Meinung gegeigt. Zu den Fans hatten wir ein sehr nahes Verhältnis, schon durch das alte Clubheim. Das war einfach echt“, sagt Eger.

Auch bei St. Pauli kämpft er nicht nur um Tore und Punkte. Mit vielen ehrenamtlichen Helfern aus der aktiven Fanszene engagiert er sich seit 2005 für die Initiative Viva con Agua, die sich für sauberes Trinkwasser in Entwicklungsländern einsetzt. Sein früherer Mitspieler und Freund Benjamin Adrion gründete sie nach dem Trainingslager auf Kuba. „Marcel ist für Viva con Agua eine ganz wichtige Verbindung zum Verein. Er ist ein ungemein wohlwollender und freundlicher Mensch“, findet Adrion.

Und Eger gehört – zusammen mit Akteuren wie Lechner, Fabio Morena, Florian Bruns, Carsten Rothenbach und dem bei seinem Abschied gegen Aue von seinen Tränen überwältigten Fabian Boll – zu einer Spielergeneration beim FC St. Pauli, die bis heute von vielen Fans verehrt wird. Für ihre große Identifikation und Leidenschaft, die entscheidend waren für den unter Holger Stanislawski beschrittenen Weg von der Regionalliga in die Bundesliga. So mancher Anhänger mit Totenkopf-Pulli wünscht sich, ein Team mit so vielen Typen, die St. Pauli verstanden haben, bald wieder anzufeuern. Eger selbst kann mit dem Begriff „Verehrung“ nicht viel anfangen. Außerdem brauche es immer Zeit, ein Team zu entwickeln.

„Mit Spielern wie Sören Gonther oder Sebastian Schachten kann ich mich sehr stark identifizieren. Es ist geil, wie die sich reinhauen.“ Kritischer sieht er einige Entwicklungen im Marketingbereich. „Ich habe ein Bauchgrummeln bei einem Hauptsponsor wie Relentless, der zum Coca-Cola-Konzern gehört. Trotzdem habe ich meine Dauerkarte nicht zurückgegeben.“ Doch rein auf den kommerzialisierten Fußball fixierte Diskussionen sind ihm eher fremd. „Wenn die Bayerische Hausbau drei Milliarden Gewinn macht und aus den Esso-Häusern trotzdem den maximalen Profit herausholen will, finde ich das viel schlimmer als Vorgänge im modernen Profifußball.“

Die Feindbilder mancher Stadionbesucher sind für ihn daher relativ. So wie 2010 auf einer seiner Projektreisen für Viva con Agua in die ugandische Hauptstadt Kampala. Dort ließ Eger das St.-Pauli-Banner auf der Bühne vor dem Auftritt des Rostocker Hip-Hoppers Marteria mit einem Hansa-Rostock-Banner überkleben. „Marteria ist ein Riesentyp. Ein Zwist im Stadion kann nie so wichtig sein wie sauberes Trinkwasser auf aller Welt“, ist der leidenschaftliche Schlagzeuger überzeugt.

Für den ewigen Kampf um die Seele des FC St. Pauli interessiert er sich natürlich trotzdem. Diesen entschieden letztlich die Fans. „Der Verein könnte sich klarer positionieren, wie viel er für den Erfolg zu tun bereit ist. Aber solange am Millerntor so viel Energie zusammenkommt, wichtige Werte wie Antirassismus und Antisexismus vertreten und politische Aktionen ins Viertel getragen werden, bleibt der FC St. Pauli etwas Besonderes“, sagt Eger.

Dann muss er los. Der nächste Termin wartet. „Wenn ich mich auf Tahiti verliebe und eine Familie gründe, kann es mit meiner Rückkehr länger dauern“, scherzt er. Ach ja, und die Mannschaft solle in der Zwischenzeit endlich lernen, den Ball bei einer knappen Führung in der 90. Minute über die Tribüne auf das Heiligengeistfeld zu dreschen. Eger tat dies in seinen besten Zeiten mehrmals – und würde sich eine Wiederholung etwas kosten lassen. „Wer von den Jungs das schafft, kriegt eine Kiste Astra von mir spendiert.“