NDR-Moderator Alexander Bommes über den Druck auf den HSV, eine Olympiabewerbung und die WM in Brasilien
Hamburg . Rein beruflich hat Alexander Bommes einen abgeklärten Blick auf die Geschehnisse im Sport – einseitig Partei zu ergreifen, das passt nicht zu einem Sportjournalisten. Derzeit geht es dem vielseitigen NDR/ARD-Moderator („Hamburg Journal“, „NDR Quizshow“, „Sportschau“) allerdings nicht anders als vielen Hamburgern – die Sorge um die Zukunft des HSV treibt ihn um. Der frühere Handballprofi in Dormagen und Gummersbach weiß, wie sich die Spieler unter diesem Druck fühlen. Das Abendblatt sprach mit dem 38-Jährigen über die Sportstadt Hamburg, die mögliche Olympia-Bewerbung und seinen Job bei der anstehenden Fußball-WM. Am Montagabend war Alexander Bommes einer der Gäste des Sport-Talks „Anstoß Hamburg“ im Radisson Blu Hotel, er diskutierte mit der Beachvolleyballerin Laura Ludwig und der Sportmanagerin Katja Kraus über die wichtigsten Fragen der Sportstadt Hamburg.
Hamburger Abendblatt:
Ein Gespräch mit einem Sportjournalisten muss in diesen Tagen mit dem HSV anfangen. Sie stammen aus Kiel, nicht aus Hamburg – zittern Sie dennoch mit dem HSV jetzt vor den anstehenden Relegationsspielen?
Alexander Bommes:
Das ist schon sehr spannend. Völlig falsch wäre es jetzt, mit einem Gefühl der Erleichterung in die Spiele zu gehen, weil man es noch gerade so auf Platz 16 geschafft hat – auch, weil Braunschweig und Nürnberg in den vergangenen Spielen zu doof waren, ihre Ausgangslage zu verbessern. Für den HSV gilt jetzt aber: Die eigentliche Entscheidung steht jetzt erst an, und das wird schwierig genug. Andererseits ist jetzt die Chance da, mit zwei Spielen eine Schrottsaison noch zu retten. Und darauf hoffe ich sehr.
Der Gegner ist nicht so namhaft. Ist das für eine Mannschaft wie den HSV umso schwieriger, weil die ganz große Blamage droht?
Bommes:
Das ist ein interessanter psychologischer Aspekt. Gegen Köln oder Kaiserslautern ist diese Blamage-Gefahr nicht da, das wären Spiele auf Augenhöhe. So aber ist da mit Fürth ein Gegner, der nur gewinnen und eine ohnehin großartige Saison krönen kann. Gegen die zu verlieren und abzusteigen, wäre die maximale Katastrophe für den HSV.
Wäre ein Abstieg für den HSV nach den Leistungen dieser Saison nicht verdient?
Bommes:
Die sind da jedenfalls nicht durch unglückliche Zufälle reingerutscht. Es hat neben dem Können auch der absolute Kampfeswille in vielen Spiel gefehlt, da darf man sich nicht wundern, wenn es so ausgehen sollte.
Wäre ein schneller Wiederaufstieg aus Ihrer Sicht realistisch?
Bommes:
Das könnte interessant werden. Vieles hängt davon ab, wie sich der Verein strukturell aufstellen wird und wie schnell wieder Ruhe reinkommt.
Sie waren selbst als Handballprofi vielen Drucksituationen ausgesetzt. Wie sind Sie damals damit umgegangen?
Bommes:
Ich konnte mit Druck immer ganz gut umgehen, das gilt auch heute noch für meinen jetzigen Beruf. Diese Herausforderung, auf den Punkt genau da zu sein, liebe ich. Aber ich kann auch verstehen, wenn das selbst Spitzenspielern in so einer Situation plötzlich nicht mehr möglich ist, einen Ball drei Meter geradeaus zu spielen. Die Last für den HSV ist immens, daran denkt man jede Minute als Aktiver. Die sollten sich jetzt als Mannschaft zusammensetzen und sagen: Jungs, wir können jetzt doch noch die Coolen werden, und dann sind wir nicht mehr die Volldeppen.
Der HSV nicht mehr in der Ersten Liga – welche Bedeutung hat das für die gesamte Sportstadt Hamburg?
Bommes:
Eine große. Eine Sportstadt definiert sich auch über die wichtigen Bundesligisten, über die Spitzensportler, über den Erfolg. Und da ist der Fußball von immenser Bedeutung. Natürlich ist es auch wichtig, dass jedem Kind ein Bolzplatz ohne Scherben zur Verfügung steht, aber die Breite, der Nachwuchs, braucht auch die Spitze. Der HSV ist eine Weltmarke, und wenn die im Ansehen sinkt, ist das schon ein Schlag ins Kontor.
Profisport wird aber auch zunehmend kritisch gesehen, das ist in Hamburg auch im Zuge der erneut entflammten Diskussion über eine mögliche Olympia-Bewerbung zu spüren. Können Sie das verstehen?
Bommes:
Das ist für mich schon teilweise nachvollziehbar, gerade was den Gigantismus der jüngsten Winterspiele in Sotschi angeht. Aber so eine generelle Antihaltung gegen große Sportveranstaltungen, wie das bei dem Referendum in München in vielen Diskussionen zu hören war, verstehe ich nicht. Nicht alle Menschen haben mal selbst Sport gemacht und können nachvollziehen, was etwa Olympische Spiele für einen Sportler bedeuten. Aber etwas mehr Offenheit würde ich mir hier wünschen.
Hamburgs Sportsenator Michael Neumann hat zu einer Bedingung für eine Bewerbung gemacht, dass die Olympischen Spiele sich ändern und das IOC eine andere Strategie fährt. Ist das denn realistisch?
Bommes:
Was die finanziellen Rahmenbedingungen angeht, kann ich das nicht beurteilen. Aber ich war in London vor zwei Jahren für die ARD dabei, und das waren Spiele, die in ihrer Anlage nicht übertrieben oder gar gigantisch waren. Die Engländer haben das sehr geschickt in ihre Stadt integriert und am Ende auch sehr große Teile der Einwohner überzeugt. Wenn das Hamburg zu groß ist, sollten wir es bleiben lassen.
Die Hamburger Strategie ist, sich auch über die Ausrichtung anderer sportlicher Großereignisse als Kandidatenstadt interessant zu machen.
Bommes:
Klar könnte man zum Beispiel mit einer Leichtathletik-EM Erfahrungen sammeln und gleichzeitig auf sich aufmerksam machen. Aber ganz ehrlich: Nichts ist mit Olympischen Spielen zu vergleichen, das ist eine ganz eigene Dimension. Nichts ist wie Olympia, dafür kann man schlecht üben.
Wäre es also Ihr Rat, dass Hamburg sich intensiv um einen Kandidaten-Status bemühen sollte?
Bommes:
Mein Wunsch wäre das auf jeden Fall, aber nur, wenn eine große Gemeinsamkeit hergestellt werden kann in der Stadt. Sonst macht es keinen Spaß. Die Sportler wären in jedem Fall dafür, da bin ich mir ganz sicher. Und ich könnte 2024 oder 2028 dann mit dem Fahrrad zur Arbeit fahren.
Würden Sie den Satz unterschreiben: Hamburg ist eine Sportstadt?
Bommes:
Ja, auf jeden Fall. Dazu tragen die großen Vereine und die großen Veranstaltungen bei, aber auch im Breitensport ist sehr viel los. Der Bürgermeister hat ja gesagt, dass jedes Kind in der Schule einmal die Elbphilharmonie besucht haben sollte – wenn sie denn irgendwann mal fertig ist –, aber ich finde, es sollte von ihm auch den Satz geben: Jedes Kind sollte die Chance haben, auf einem guten Platz, in einer guten Halle Sport treiben zu können, und das auch außerhalb von Vereinsmitgliedschaften. Da ist vielleicht noch einiges zu tun.
Für Sie steht nun zunächst einmal die Weltmeisterschaft an, die Sie von Berlin aus für die ARD mit einem WM Club begleiten werden. Wie beurteilen Sie die Chancen des deutschen Teams für das Turnier?
Bommes:
Vom Personal her haben wir eine überragende Nationalmannschaft. Aber ich würde dennoch die Erwartungshaltung lieber etwas flach halten: In Südamerika mit einem Gastgeberland Brasilien und vielen anderen starken Konkurrenten auch aus Europa wird das auf gar kein Fall ein Selbstgänger. Das wird ganz hart, und es ist auch überhaupt nicht sicher, dass die Deutschen ins Finale kommen.
Wie wird Ihr Job genau aussehen?
Bommes:
Vom 23. Juni an, wenn die Parallelspiele in den Gruppen starten, gehe ich mit dem Sportschau-WM-Club gegen 20.15 Uhr auf den Sender und spreche mit Experten über das Geschehen. Es kommen aber auch prominente Gäste, die zwar fußballaffin sind, aber eigentlich aus anderen Bereichen stammen. Das wird, glaube ich, eine ganz muntere Sache.
Haben Sie für Ihr Panini-Album schon alle Klebebilder zusammen?
Bommes:
Nein, noch nicht, da fehlt noch einiges. Mit einem Vierjährigen und einem Einjährigen in der Wohnung fliegen die Bilder auch ziemlich durch die Gegend und werden nicht immer ganz sauber eingeklebt. Ich habe mich diesbezüglich von meinen Idealen doch verabschieden müssen.