Der beliebte Journalist spricht über die Hintergründe seiner “Tagesschau“-Kündigung - und warum er mit seiner Familie Hamburg verlässt. Bei Sat.1 präsentiert Bator die 19.55-Uhr-Nachrichten.
Hamburg. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider trifft regelmäßig bekannte und weniger bekannte Menschen auf ein Getränk ihrer Wahl. Das Gespräch endet automatisch immer dann, wenn das Glas - in diesem Fall der Pappbecher - leer ist. Heute: Marc Bator, 40, der im Mai nach 13 Jahren als "Tagesschau"-Sprecher von der ARD zum Privatsender Sat.1 wechselte. Dort präsentiert er als Chefmoderator die 19.55-Uhr-Nachrichten.
Hamburger Abendblatt: Gläser gibt es hier nicht: Also heißt es heute auf einen Pappbecher mit Marc Bator. Was trinken Sie?
Marc Bator: Grapefruitsaft, einen halben Liter.
Haben Sie, seit sie von Hamburg nach Berlin pendeln, eine besondere Beziehung zu Mr. Clou?
Bator: Nein. Ich esse genauso gern hier am Hauptbahnhof eine Currywurst oder das wirklich sehr gute Sushi. Und manchmal gibt mir meine Frau eine Tupperdose mit. Das ist doch mal eine Ansage, oder?
Sie kriegen für die Bahnfahrt nach Berlin eine Stulle mit?
Bator: Nein, richtiges Essen. Das wird zu Hause gekocht, von mir oder meiner Frau, dann fahre ich mit dem Auto zum Bahnhof, stelle es im Parkhaus um die Ecke ab, und esse in Ruhe in der Bahn.
Dann ist das Essen doch kalt.
Bator: Wir kochen halt Sachen, die auch kalt genießbar sind.
Pendeln Sie jetzt tatsächlich jeden Tag?
Bator: Ich hatte das vor. Ich soll ja 200 Tage im Jahr die Nachrichten bei Sat. 1 moderieren, das sind auf den Monat umgerechnet 16,5 Tage. Und ich habe gedacht: Das schaffst du, jeden Tag mittags hin und abends zurück. Doch die Erfahrung der ersten Wochen hat mir gezeigt: Das wird nichts, die Pendelei ist viel anstrengender, als ich dachte. Wenn ich mit der Bahn fahre, bin ich abends erst gegen 23.30 Uhr wieder zu Hause in Winterhude. Auf die Dauer geht das nicht.
Soll heißen?
Bator: Ich muss ein offenes und ehrliches Geständnis machen: Der Abschied aus Hamburg wird unvermeidlich sein.
Sie wollen wirklich nach Berlin ziehen?
Bator: Es ist nicht einfach. Ich bin jetzt 21 wunderbare Jahre in Hamburg. Aber ich glaube, dass mir und meiner Familie in Berlin eine Lebensqualität winkt, wie ich sie vorher nicht hatte. Das zeichnet sich jetzt schon ab: Ich habe noch nie so entspannt gearbeitet wie derzeit bei Sat.1. Und das ist keine Kritik an den Kollegen der "Tagesschau", sondern ein Kompliment an die neuen Kollegen in Berlin.
Ihr Leben wird in Berlin besser als in Hamburg? Das müssen Sie den Hamburgern erklären ...
Bator: Durch die Arbeitszeiten. Im Moment verschenke ich sieben Stunden Freizeit beziehungsweise Familienzeit durch die Pendelei. Berlin ist nicht zu vergleichen mit Hamburg, und deshalb versuche ich das auch gar nicht erst. Man muss gucken, was man in der einen Stadt machen kann, und was in der anderen. Gleichwohl: Für Medienschaffende ist Berlin auf längere Zeit die interessanteste Stadt Deutschlands. Da werden Sie mir auch nicht widersprechen können.
Aber trotzdem werden die "Tagesschau" und die "Tagesthemen" auch künftig aus Hamburg kommen.
Bator: Ich gehe davon aus, dass sie die nächsten 500 Jahre noch aus Hamburg kommen. Die Nachrichten müssen nicht zwingend in der Hauptstadt gemacht werden. Trotzdem kann man sich der Energie, die Berlin ausstrahlt, auf Dauer nicht entziehen, wenn man in den Medien arbeitet. Ich habe das selbst auch lange nicht geglaubt.
Das wird ja immer schlimmer: Erst verlassen Sie die "Tagesschau", jetzt Hamburg. Viele haben schon beim ersten Abschied gedacht: Ist der Bator verrückt? Bei der "Tagesschau" hat er doch einen sehr guten Job, dort kann er alt werden.
Bator: Gegenfrage: Ist das die Haltung, die man haben muss?
Wenn man bei der "Tagesschau" ist, vielleicht.
Bator: Das ist jetzt das dritte Mal in meinem Leben, dass ich so eine Entscheidung treffe. Mit 21 Jahren bin ich als fertig ausgebildeter Redakteur in die Werbung gewechselt. Ich wurde mit meiner Stimme ein unsichtbarer Star, und bin trotzdem vor 13 Jahren zur "Tagesschau" gegangen, zunächst als sogenannter Off-Sprecher. Und nun muss ich aber ehrlich zugeben: Die Entscheidung, die "Tagesschau" zu verlassen, ist in mir drei Jahre gereift. Wissen Sie, ich glaube, dass man nur durch Veränderung weiter kommt. Wieso soll ich mich jetzt mit 40 Jahren hinstellen und sagen: Ich mache die nächsten 25 Jahre "Tagesschau"?
Weil es einfach ist.
Bator: Aber man darf es sich im Leben eben nicht einfach machen.
Und nebenbei sind Sie ja nicht als Pförtner zu Sat.1 gewechselt, sondern als Chefmoderator.
Bator: Trotzdem haben viele gesagt: Wie kann der nur? Wenn man das aus Arbeitnehmersicht sieht, kann man nur feststellen: Glückwunsch zum Karrieresprung. Außerdem ist meine Aufgabe jetzt eine weitaus journalistischere als bei der "Tagesschau", und dafür bin ich schon länger bereit. Und weitere Formate kommen hinzu.
Das war in der ARD nicht möglich.
Bator: Nein.
Aber bei den "Tagesthemen" ist jetzt ein Platz frei.
Bator: Ein Wechsel von der "Tagesschau" zu den "Tagesthemen" ist tendenziell nicht möglich. Ich war immer der Meinung, dass es als Nachrichtenmoderator in der ARD möglich sein muss, andere Wege zu gehen. Aber die Perspektive war leider nicht da.
Was ist ihr journalistisches Ziel?
Bator: Ich möchte, dass jeder Zuschauer die Nachrichten versteht, die ich mache. Da habe ich zwar bei der "Tagesschau" keinen grundsätzlichen Zweifel, aber es gibt manche Meldung, da wusste ich: Die versteht eben nicht jeder.
Aber der Erfolg gibt der "Tagesschau" recht.
Bator: Absolut. Und ich finde auch nicht, dass man die "Tagesschau" verändern sollte.
Was mich noch interessiert: Wie kündigt man bei der "Tagesschau"?
Bator: Mit Vorwarnung. Im Januar habe ich unserem Chefredakteur gesagt, dass mich Veränderungswünsche treiben ...
Da hatten Sie aber noch nichts anderes?
Bator: Aber ich wusste, dass ich bei der "Tagesschau" nicht alt werden will. Als ich dann die Zusage von Sat.1 hatte im April, habe ich den Chefredakteur noch einmal angerufen und gesagt: Jetzt ist es so weit. So kündigt man bei der "Tagesschau".
Wir waren ja schon ein paar Mal verabredet für dieses Gespräch, aber Sie haben es immer wieder verschoben, weil es noch ein paar Sachen zu klären gebe. Soll heißen: Sie hatten nicht nur das Angebot von Sat.1.
Bator: Es gab mehrere Möglichkeiten. Sat.1 kam überraschend. Eigentlich wollte ich mich in den Profiradsport als Medienmanager stürzen, und damit die Zeit bei der "Tagesschau" beenden. Ich wollte meinem Leben auf jeden Fall eine neue Richtung geben, weil ich das für richtig halte, wenn man sich in einer Haut unwohl fühlt.
Jetzt, da Sie bei Sat.1 sind, bleibt der Traum, in der Radsportbranche mitzumischen.
Bator: Ja, dieser Traum bleibt. Der Radsport begleitet mich ein Leben lang, und ich hatte als Kind den festen Vorsatz, Radprofi zu werden. Ich habe viele Sportarten ausprobiert, aber alles nur halbherzig. Geblieben ist der Radsport, ich kann nicht ohne.
Das heißt?
Bator: Ich war heute Morgen eine Dreiviertelstunde auf der Rolle, einem Gerät, auf dem das Fahrrad eingespannt ist.
Wird das nicht langweilig?
Bator: Sie sollen ja nicht immer Ergometer fahren, Sie sollen Rennrad fahren. Und wenn Sie dann trainiert sind, dann fliegen Sie durch die Landschaft, es strengt Sie nicht mehr an. Es gibt nichts Schöneres.
Außer Grapefruitsaft aus einem Pappbecher zu trinken. Man kann gar nicht sehen, wie viel Sie schon getrunken haben.
Bator: Ich kann Ihnen versprechen, dass der Becher gleich leer ist. (Trinkt einen Schluck, offenbar den letzten.) Ich muss nämlich meinen Zug nach Berlin kriegen. In sechs Minuten.
Gute Fahrt!