Der Eppendorfer Michael Hoppe gab seinen Vorstandsjob auf. Jetzt arbeitet er in Namibia, im Ort Okakarara. Er möchte Menschen helfen.

Eppendorf. In kaum einem afrikanischen Dialekt gibt es ein Wort für "Morgen". Die Menschen leben im Hier und Jetzt. Das ist es, was Michael Hoppe an den Afrikanern so bewundert. Diese Konzentration auf den Tag, das Unbeschwerte, die Gelassenheit, mit denen viele von ihnen durchs Leben gehen.

Aber es ist auch eine Einstellung, die den Hamburger manchmal rasend macht. Wenn zum Beispiel die Olivenbäume eingehen, weil sie von den Pflanzern überdüngt wurden. "Sie haben einfach riesige Mengen Dünger in die Erde geschüttet und trotz Aufforderung diese nicht verringert. Weil das schneller geht. Es hat sich keiner für die Bäume verantwortlich gefühlt", sagt der 62-Jährige sichtlich verärgert. Er ist eben Deutscher, hat ein Unternehmen geführt, Verantwortung für die Zukunft vieler Menschen getragen.

Jetzt ist Michael Hoppe Entwicklungshelfer, einer, der aus einer Idee heraus eine Stiftung namens steps for children gegründet und in der Ortschaft Okakarara in Namibia seit 2006 eine Suppenküche und Vorschule aufgebaut hat. Es gibt dort Betreuung für Straßenkinder, Erwachsene erhalten durch Kleingewerbe eine Perspektive. Das Ziel ist die Hilfe zur Selbsthilfe. "Indem wir den Menschen hier im Dorf eine Chance geben, durchbrechen wir den Kreislauf von Aids, Arbeitslosigkeit und Armut", sagt Hoppe. Für sein Engagement wird der Hamburger am 30. August als Preisträger im Wettbewerb "Deutschland - Land der Ideen 2011" im Anglo-German Club an der Alster ausgezeichnet.

Mit 53 Jahren hatte sich der gebürtige Uhlenhorster, der in einer großzügigen Altbauwohnung in Eppendorf wohnt, einen Lebenstraum erfüllt: Er hörte auf zu arbeiten. Viele Menschen reden davon, er machte es - auch, weil er es sich leisten konnte. Zu lange hatte er ein Leben auf der Überholspur geführt, mit einer 70-Stunden-Woche. Schon als Schüler fing er an, mit Interviews für die Marktforschung, mit 22 Jahren führte er gemeinsam mit einem Freund bereits ein eigenes Umfrage-Institut - ein boomendes Geschäft. "Wir sind jedes Jahr 30 Prozent gewachsen."

Ipsos, heute eines der führenden internationalen Marktforschungsinstitute, übernahm die Firma. Hoppe war plötzlich Teil der Geschäftsleitung eines Unternehmens, das in 25 Ländern mit weltweit 3000 Mitarbeiter agiert. Er reiste um die Welt. "Ich kam mir unglaublich wichtig vor. Doch ich war auch permanent unter Strom." Michael Hoppe war vom Treiber zum Getriebenen geworden. 2001 stieg er aus, aus allem. Und hatte plötzlich ganz viel Zeit.

"Ich habe anfangs die Ruhe genossen, das späte Aufstehen." Und das Rumgammeln, das jedoch lang werden kann, ohne einen weiteren Sinn, ohne Ziel. Michael Hoppe suchte einen spirituellen Weg. "Ich brauchte ungefähr eineinhalb Jahre, bis ich zu mir selbst gefunden hatte. Ich wollte meine Beziehung zu Freunden und Familien neu ordnen", sagt Hoppe.

Die Erkenntnis daraus? "Dass man dem Bauchgefühl folgen sollte." Und eben dieses sagte ihm, dass er etwas von seinen Erfahrungen weitergeben sollte. Er beriet Start-up-Unternehmen als Wirtschaftssenior, doch eigentlich wollte er sich um Kinder kümmern. "Bei denen kann man am meisten erreichen." Hoppe wollte in Hamburg etwas bewegen. "Aber meine Erfahrungen waren nur gruselig. Ich stieß auf einen gewaltigen Behördenapparat, auf Menschen, die nur mein Geld, aber nicht meine Mitarbeit wollten."

Als er gefragt wurde, ob er überhaupt einen Verein führen könne, reichte es ihm. Mit seinen beiden Kindern reiste er 2005 durch Afrika, schaute sich Entwicklungshilfeprojekte an. "Ich habe unglaublich viel Elend gesehen und konnte nicht zuschauen, wie diese Menschen einfach sterben. Ich kann zwar die Welt nicht verändern, aber zumindest einigen helfen."

Sein Plan: mit den Menschen vor Ort Unternehmen zu gründen, damit sich die sozialen Projekte selbst wirtschaftlich tragen.

Im Ort Okakarara in Namibia, rund drei Autostunden nördlich der Hauptstadt Windhuk, fand der umtriebige Hamburger Unternehmer, was er suchte. Die Menschen und ein Pastor dort waren begeistert von seiner Vision. Etwas naiv - oder vielleicht in Unkenntnis der afrikanischen Mentalität - stürzte er sich eifrig in die Arbeit, gründete die Stiftung steps for children, sammelte Spenden, baute ein Netz von Ehrenamtlichen auf und gründete neben der Suppenküche und der Vorschule eine Nähstube und eine Computerschule, ließ 1664 Olivenbäume pflanzen und wunderte sich, dass die Namibier vor Ort anfangs nicht ganz bei dem Tempo mitkamen. "Es ist unendlich schwierig, vor allem die Männer zu einem regelmäßigen Einkommen zu motivieren. Die verstehen ganz gut, sich keinen Stress zu machen", sagt er lächelnd. Dafür macht sich Michael Hoppe schon wieder selbst Stress. Er kann einfach nicht anders. "Ich arbeite schon wieder 60 Stunden in der Woche", sagt der Hamburger. Doch die fühlen sich anders an als früher. Vor allem sinnvoller.

2008 erhielt steps for children von Angela Merkel den startsocial-Preis, dieses Jahr ist die Stiftung Preisträger im Wettbewerb "Deutschland - Land der Ideen 2011". Infos im Netz: www.stepforchildren.de