Hamburg. Künstlerin schreibt Songs für Matthias Schweighöfer oder Die Prinzen. Nun stellt sie im Planten un Blomen auch ihr Soloprojekt vor.

Mit Freddie Mercury fing es an. Mit acht Jahren hörte Nina Müller im Radio den Queen-Song „Heaven For Everyone“. Die Stimme, die Komposition, die Emotion. Sie war sofort gepackt. Ein Erweckungserlebnis. Mit ihrem älteren Bruder gründete sie eine Schulband, lernte Gitarre, bald darauf Klavier. Heute ist Nina Müller eine Künstlerin, die ihr Know-how auf äußerst angenehme und hintergründige Art in die Popszene einbringt. Und das mit Erfolg.

Sie komponiert Musik für Werbung und Film. Vor allem aber schreibt sie Songs. Für sich und für andere. Etwa für den Schlagerstar Mary Roos, den Schauspieler Matthias Schweighöfer, für Bands wie Die Prinzen und Musiker wie Max Mutzke oder Phil Siemers. Nina Müller ist eine vielseitig Begabte, die mit reichlich Empathie und Neugierde die große Bandbreite des Pop auslotet. Ganz so wie ihr Idol.

Hamburger Popmusikerin Nina Müller im Planten un Blomen

„Freddie Mercury hat ja so viel unterschiedliche Musik am Klavier komponiert. Und wie er Klassik, Rock und Pop kombiniert hat, das hat mein Bild von künstlerischem Ausdruck schon stark beeinflusst“, erzählt Müller. Mit ihren eigenen Songs strebt die Musikerin nicht so schillernd und extravagant ins Rampenlicht wie der Queen-Sänger. Vielmehr entfaltet ihre Performance eine ruhige, aber enorm eindringliche Kraft. Zu erleben seit einigen Jahren mit ihrem Duo Poems For Jamiro. Und ganz aktuell mit ihrem neuen Soloprojekt WIM.

Im Mai ist das erste Album „Boxer“ mit deutschsprachigen Songs erschienen. „Ein Wimmelbild aus leisen Fragen an das Leben“, wie Nina Müller erklärt. Am 10. August präsentiert sie ihre neue Musik als WIM mit musikalischen Gästen wie Michèl von Wussow, Lina Maly, Deniz Jaspersen und And The Golden Choir im Musikpavillon in Planten un Blomen bei der Konzertreihe „Draußen im Grünen“.

Nina Müllers Debütalbum „Boxer“ erschien im Mai.
Nina Müllers Debütalbum „Boxer“ erschien im Mai. © Schwesterherz Records | Schwesterherz Records

Nina Müller schrieb Song für ESC 2018

Die Komponistin und Texterin zeigt auf sehr sympathische und produktive Weise, dass das Introvertierte eine starke Qualität in sich birgt. Auch in der Musikbranche, die gemeinhin als ellenbogenintensiv gilt. Ihr Ideal von gemeinsamem Songschreiben: Sich zu zweit zusammensetzen und dann ein tiefes Gespräch führen, gemeinsam Themen finden oder über einzelne Sätze stolpern, sich in Zeilen verlieben und um diese Worte herum eine Stimmung erzeugen.

„Die Person, mit der ich arbeite, gibt die Richtung vor. Und zugleich muss ich ein authentisches Gefühl herstellen können zu dem Material, das wir entwickeln.“ Sprich: Ein Künstler wie beispielsweise Sänger Michael Schulte hat eine eigene Sprache. Einen Sound, der zu ihm passt. Und zugleich steckt in seinem Hit „You Let Me Walk Alone“ auch voll und ganz Nina Müller.

Künstlerin arbeitet mit den Prinzen

Mit der energiegeladenen Ballade belegte Schulte beim Eurovision Song Contest 2018 den vierten Platz. Nina Müller schrieb die Nummer unter anderem gemeinsam mit dem Hamburger Musiker Nisse Ingwersen. Und zwar bei einem Songwriting-Camp, das eigens für den deutschen ESC-Vorentscheid ins Leben gerufen wurde. Mit dem gesamten Team ging es dann auch zum Finale nach Lissabon. „Ich hatte damals überhaupt keine Berührungspunkte mit dem ESC“, berichtet Müller. „Aber vor Ort zu erleben, wie das für viele ein Sinnbild ist, Unterschiedlichkeit auszuleben, war eine super Erfahrung.“

Im Gespräch ist deutlich zu spüren, wie sehr Nina Müller die popkulturelle Abwechslung inspiriert. Mit der jungen Sängerin Lina Maly schrieb sie deren erste Hitsingle „Schön genug“. Diese wuchtig sanfte Nummer wurde auf YouTube mittlerweile fast fünf Millionen Mal aufgerufen. Tobias Künzel von den Prinzen wiederum lud Müller nach Leipzig ein, um zusammen an neuen Stücken zu arbeiten. Das wunderbar humorige wie menschelnde „Wo die Liebe hinfällt“ ist nun auf dem aktuellen Prinzen-Album „Krone der Schöpfung“ zu hören. „Das ging textlich und musikalisch noch einmal in eine ganz andere Richtung. Sehr spannend für mich, weil ich so einen neuen kreativen Anstoß bekommen habe“, sagt die Songdichterin.

Nina Müller: Intuition trifft Fachwissen

In ihrem Schaffen ergibt sich oftmals ein Projekt aus dem nächsten. Ein Schwung, der bereits früh begann. Noch zu Schulbandzeiten lernte sie den Produzenten Jan-Philipp Kelber kennen, der an der Hamburg School of Music unterrichtet. Und der ihr erklärte, dass Popmusik durchaus ein Beruf sein kann. Im Feldstraßenbunker studierte sie daher Songwriting und Klavier. Und sie setzte ihre Ausbildung an der Musikhochschule Lübeck sowie mit dem Hamburger Popkurs fort.

Bei Nina Müller trifft Intuition auf reichlich fachliches Wissen. Eine gute Kombination, um souverän und befreit unterschiedliche Gefilde und Genres zu erkunden. Besonders eindrücklich kann sie ihr Gespür für Arrangements und Atmosphäre im Filmbereich ausleben. Seit 2013 komponiert sie gemeinsam mit Max Schneider für Serien, Fernsehen und Kino. Für die Produktion „Ein großes Versprechen“, die 2021 beim Filmfest Hamburg Premiere feierte, lieferte das Duo den gesamten Soundtrack. „Es ist sehr bereichernd, eine Geschichte mit der eigenen Musik ergänzen und vervollständigen zu können“, erläutert Müller.

Bleiben noch die Songs und Stories, die sie für sich selbst schreibt. Ohne Auftrag und Deadline. Das sei ungleich schwieriger, erklärt die Musikerin. Doch im Laufe der Jahre habe sie immer wieder Lieder auf Deutsch getextet, für die sie nun mit WIM eine Plattform geschaffen hat. Das älteste Stück auf ihrem Album „Boxer“ stammt aus dem Jahr 2013: „Löwenherz“ erzählt davon, sich mehr auf den eigenen intuitiven Antrieb zu verlassen als auf das bloße rationale Funktionieren. Das Video zu dem Song zeigt auch, wie fein verbunden Nina Müller mit dem Hamburger Musikgeschehen ist. Neben ihren Bandmitgliedern Elin Bell und Timon Schempp versammeln sich da diverse Leute aus der hiesigen Szene, um mit ihr durch die Straßen der Stadt zu laufen und zu tanzen.

Die Songs von WIM sind stark von Synthesizersound geprägt und klingen zugleich sehr organisch. Zudem hat Müller die Lieder – gemeinsam mit ihrem Produzenten Tobias Siebert – mit vielen interessanten Einfällen aufgeladen. Chorgesänge schichten sich übereinander. Das „Pling“ einer alten Schreibmaschine setzt Akzente. Verschachtelte Klatschrhythmen sorgen für Dynamik. Und auch textlich ergründet Müller alias WIM Nuancen und Zwischentöne: Sich abgrenzen im Alltag. Trotz schwerer Situationen auf Leichtigkeit bauen. In Konflikten nicht verhärten. Erwartungen hinterfragen. Sich von festgefahrenen Träumen verabschieden. Und die Zukunft neu erfinden.

„Fall hier nicht mit Fäusten ein / ich wollte nie Boxer sein“, heißt es im Titelsong zum Album. Nina Müller beweist: Auch die sanfte Tour führt aufs Schönste zum Ziel.

WIM: „Boxer“ (Schwesterherz Records), live: 10. August, Draußen im Grünen (Musikpavillon Planten un Blomen), Einlass: 18.30, Beginn: 19.30, Tickets ab 20,80: www.draussenimgruenen.de