Die Hamburgerin Gabriela G. ist eine feste Größe auf der Meile, kobert - als einzige Frau - seit Jahren für viele Clubs lautstark die Kundschaft.

Hamburg. Es begann mit einer ungewöhnlichen Stellenanzeige in der Zeitung: “Empfangsdame gesucht für eine Table-Dance-Bar auf der Reeperbahn”, lautete das Jobangebot. “Ich bin dann dahin, hab ein paar Sprüche gemacht und hatte den Job” erzählt die 57-jährige die Geschichte des etwas anderen Vorstellungsgesprächs. Zwei Arbeitstage, genauer Nächte später standen die Leute vor dem “Bananas” Schlange und Gabriela G. war offiziell die erste kobernde Frau in einem von Männern dominierten Berufsfeld. Das ist mittlerweile 23 Jahre her.

Heute ist die gebürtige Hamburgerin eine feste Größe auf der Meile und hat im Laufe der Jahre für mehr als ein Dutzend verschiedener Clubs lautstark um Kundschaft geworben. Ihr Erfolgsrezept ist dabei seit Tag eins das Gleiche geblieben: Ein “loses Mundwerk”, das zuverlässig Sprüche produziert, die zielsicher unter die Gürtellinie treffen und ein unverwechselbares Accessoire – der goldene Zylinder. “Sobald ich mich zurecht mache und den Zylinder aufsetze, bin ich eine andere Person”, verrät sie die Herangehensweise an ihren Job, “es ist dann, als würde ich eine Bühne betreten.”

Dabei offenbart ein Blick hinter die Kulissen durchaus überraschendes. Viele Jahre verbarg sich hinter der Dame an der Tür eine hauptberufliche Pharmareferentin, die sich am Wochenende mit der Koberei etwas Geld dazuverdiente. Ein beruflicher Werdegang, der wenig mit den gängigen Klischees von der klassischen Milieu-Story zu tun hat.

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Aber gerade dieser Spagat zwischen einem “hoch ethischen Beruf” und der Arbeit auf dem Kiez sei es gewesen, der ihr immer zugesagt habe. Und letztlich dafür gesorgt hat, dass Gabriela G. nicht mit leeren Händen dastand als sie vor drei Jahren, im Zuge der Gesundheitsreform, ihren ersten Job verlor. Seitdem steht die sympathische Powerfrau mindestens fünf Tage die Woche vor der Clubtür, wechselweise vor dem “Baby Doll” oder dem “Baracuda”. Ein Zustand, der allerdings nicht von Dauer sein soll. Denn so sehr ihr das Sprücheklopfen auch liegt, die Koberei war für sie “niemals ein Traumjob, vor allem nicht für eine Frau.” Die Zahl der weiblichen Koberer – die „In“-Form hat sich übrigens nicht etabliert – ist zwar mittlerweile gestiegen, der Neid so manch männlicher Kollegen sei aber immer noch spürbar. Eine niedrigere Hemmschwelle für die Kundschaft und die Aura des Exotischen sind eben die Vorzüge einer Koberer-Frau.

Auch das private Umfeld reagierte größtenteils mit Ablehnung und Unverständnis. “Bekannte haben gesagt, jetzt bist du in der Gosse gelandet. Die Familie dachte, ich arbeite in der Gastronomie. Groß erzählt davon, habe ich nie,” erinnert sie sich. Und die Ressentiments, die mit der speziellen Berufswahl einhergehen sind im Laufe der Jahre nicht weniger geworden. Im Gegenteil, dass Image scheint schlechter denn je.

Heutzutage gehören polizeiliche Restriktionen und erkennungsdienstliche Behandlung zum beruflichen Alltag eines Koberers. “Die Polizei will uns und die Tabledance-Läden hier weg haben”, beschreibt sie den Wandel der Zeit. Während man sich früher zumindest noch gegrüßt habe, scheinen die Fronten mittlerweile verhärtet. Ein weiterer Grund, warum der “alte Hase” auf absehbare Zeit dem – spärlich vorhandenen – Nachwuchs das Feld überlassen möchte.

Zeit für den Ruhestand ist aber noch lange nicht. “Ich brauche Sicherheiten. Da ich nie verheiratet war, bin ich auf mich alleine gestellt.” Eine Folge von unzähligen Sieben-Tage-Wochen und der Art ihrer Tätigkeit. “Wenn man so will hat mich die Koberei meine große Liebe gekostet”, gibt sie zu. Wieso das? “Er war Polizist.”

An Ideen und Flexibilität mangelt es der Singel-Frau auch heute nicht. Als zweites finanzielles Standbein möchte sie jetzt einen gastronomischen Rundgang durch St. Pauli etablieren. Für die sogenannten “Food-Tours” profitiert sie von ihrem Bekanntheitsgrad und den zahlreichen Kontakten, die sie im Laufe der Zeit rund um die Meile geknüpft hat. Vorerst ein Nebenjob für das Wochenende, aber sobald die Nachfrage entsprechend steigt, wolle sie das Kobern ganz aufgeben.

Wer das Original einmal in Aktion gesehen und die nicht zitierfähigen Sprüche gehört hat, kann sich das kaum vorstellen. “Naja, es wird ein langer Weg. Vor allem im Winter, wenn weniger Touristen kommen, werde ich auch vor der Tür arbeiten müssen”. Es kann also noch ein wenig dauern, bis sie mal den Hut – pardon – den goldenen Zylinder endgültig an den Nagel hängt.

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