Die 27-Jährige folgt ihrem Bauchgefühl. Wie dieses sie zum Ensemble Resonanz und jetzt an den neuen Standort Heiligengeistfeld führte, hat sie Redakteurin Alexandra Maschewski verraten.

Das Gefühl von Heimat sei neu, sagt sie. Einen festen Ort zu haben, an dem geplant, geprobt, gespielt werden könne. Elisa Erkelenz lächelt still und lässt den Blick schweifen durch diese ungewöhnliche Heimstätte. Erst vor wenigen Monaten ist das Ensemble Resonanz in den Bunker gezogen. Trotzig-trutziges Mahnmal am Heiligengeistfeld, haben sich hier in den vergangenen Jahren ganz unterschiedliche Unternehmen aus der Kreativ- und Musikbranche angesiedelt. Nun also auch diese exklusive Gruppe von 18 Musikern, um deren Kommunikation und Fundraising sich die 27-Jährige kümmert. „Gerade die Reibung hat uns gereizt, die durch den Kontrast von klassischer Musik hinter Betonmauern entsteht“, sagt Elisa Erkelenz. „Die Musik gewinnt eine neue Relevanz im urbanen Leben. Dafür sind wir genau am richtigen Ort.“

Aus dem Konzertsaal, dem neuen „Resonanzraum“, dringen Töne eines Klaviers herüber. Zwischen rohen Beton- und rauen Schiebewänden aus Metall beendet gerade der Klavierstimmer seine konzentrierte Arbeit, bei der schon ein einziger Luftzug zu viel sein kann. Gleich ist Generalprobe, am Abend soll an der neuen Spielstätte das erste Konzert mit Flügel stattfinden. Das Instrument muss sich erst noch ein wenig akklimatisieren. Elisa Erkelenz scheint ganz und gar angekommen. Im Bunker, in dem pro Tag rund 1000 Menschen ein und aus gehen. Und im lebendigen Stadtteil St.Pauli sowieso.

Das wird auch daran liegen, dass sie privat nur ein paar Hundert Meter weiter wohnt. Ein Zufall bloß, der der 27-Jährigen nun sehr zupasskommt. Sie ist einer dieser Menschen, bei denen die Grenze zwischen Berufs- und Privatleben nicht ganz eindeutig ist. „Alles ist irgendwie eins.“ Und das klingt nicht nach der Koketterie eines angestrengten Workaholics. Sie liebt von Herzen das, was sie tut. Um das zu merken, braucht man nicht lange mit ihr zu sprechen. Wäre Musik nicht ihre Welt, würde sie privat nicht auch noch Unterricht im Jazz-Piano-Spielen nehmen – trotz zwei Konzerten pro Woche und trotz diverser anderer Abendveranstaltungen. Kunst, sagt sie, sei für sie so etwas wie ein Grundnahrungsmittel.

Was sie 2012 zum Ensemble Resonanz geführt hat, war nicht weniger als ihr Bauchgefühl. „Es hat von Anfang an gepasst. Uns alle eint nicht nur die Liebe zur Musik, sondern auch der Wunsch, diese Begeisterung mit möglichst vielen Menschen zu teilen.“ Das Ensemble ist stolz auf den neuen Resonanzraum mit seinen 300 Plätzen, dessen Gestaltung auf die Bedürfnisse der Musiker abgestimmt wurde. „Eine Hülle ist entstanden. Diese mit Inhalt zu füllen wird sehr spannend werden.“ Mit dem Umzug hat man gemeinsam mit dem benachbarten Radiosender ByteFM auch gleich noch eine Klassiksendung ins Leben gerufen.

Weil es viel ums Experimentieren geht, will man sich nicht nur im Bunker dem Publikum präsentieren. „Gerade in einem lockeren Rahmen entsteht häufig eine neue Aufmerksamkeit“, sagt Elisa Erkelenz, die ihre Truppe eben nicht nur zu Konzerten in der Laeiszhalle begleitet, sondern auch schon mal nach Grenoble und Amsterdam oder zu einem musikalischen Yoga-Abend. Gleichzeitig soll auch der eigene Raum an andere Projekte vermietet werden. „Der Resonanzraum ist ein Ort, der ohne die Riten des klassischen Konzertsaals funktioniert. Vielleicht gibt er der Musik auch eine neue Form von Würde“, sagt die 27-Jährige nach einem kleinen Moment des Innehaltens, in dem sie erst in sich hineinzuhorchen scheint, bevor sie den Gedanken formuliert. Manchmal schiebt sie ein „glaube ich“ hinterher, was jedoch wenig mit Unsicherheit zu tun hat.

Wie fest im Glauben Elisa Erkelenz sein kann, haben ihre Eltern vielleicht zum ersten Mal erfahren, als sich die Dreijährige in den Kopf setzte, Geige zu spielen. Mit acht Jahren kam Klavierunterricht hinzu. „Meine Eltern kommen beide aus dem naturwissenschaftlichen Bereich, haben mich aber immer unterstützt.“ Die Großmutter war Opernsängerin. Warum sie nicht selbst Musikerin geworden sei? Wieder so eine Bauchentscheidung. „Mir liegt es noch mehr, Menschen über die Musik miteinander in Dialog zu bringen.“ Welche Konzertform ist die richtige? Welches Publikum möchte man ansprechen? Das gilt es zu klären. Immer wieder aufs Neue. Elisa Erkelenz hat großen Spaß an den „Ankerangeboten“, bei denen die Musiker ganz direkt den Austausch mit den Zuhörern suchen. Bei der „Ungeschminkten Ensemble-Probe“ etwa, bei musikalischen Lesungen oder auch einmal im Rahmen eines Projektes in einer Berufsschule. „Hier erreichen wir nicht nur die Experten, sondern viele neue Hörer. Die Hemmschwelle ist niedriger, auch durch die Glaubwürdigkeit der Musiker.“

Zwei verschiedene Welten: Mit 15 zog sie für ein Jahr auf die Insel La Réunion

Das Ensemble Resonanz hat sich 1994 gegründet, entstanden aus der Jungen Deutschen Philharmonie, und eigentlich muss man „gefunden“ sagen, denn es sind noch viele der Gründungsmitglieder dabei. Seit 2002 probt man in Hamburg, und so wurde auch Elisa Erkelenz auf das vergleichsweise junge Team aufmerksam. Die gebürtige Moerserin kam 2009 in die Hansestadt, um an der Musikhochschule in Pöseldorf ihren Masterstudiengang Kulturmanagement zu absolvieren. Danach volontierte sie bei der Elbphilharmonie. Musikvermittlung, Kommunikation, Fundraising – alles, was sie damals gelernt hat, muss sie nun anwenden. „Eigentlich hatte ich schon Pläne für Berlin und Argentinien, aber ich habe mich sofort in Hamburg verliebt. Hier war so viel Luft, die Möglichkeit sich zu entwickeln. Ein Freiheitsgefühl eben.“

Damals kam Elisa Erkelenz, die zuvor an der Universität noch deutsch-französischen Studien nachgegangen ist, gerade aus Paris zurück. Die Liebe zur französischen Sprache ist eine wichtige Komponente in ihrem Leben. So wichtig, dass die junge Frau nicht ausschließen kann, irgendwann einmal dort zu leben, wo die Sprache gesprochen wird, in der sie „irgendwie sogar anders“ denke. Ihr Horizont ist weit. Vielleicht nicht anders zu erwarten von jemandem, der mit 15 ein Jahr lang auf La Réunion gelebt hat.

In der elften Klasse bewarb sie sich für ein Frankreich-Stipendium. „60 Seiten umfasste die Bewerbung. Und weil mein Gastvater Jazztrompeter war, dachte man, das würde gut zu mir passen“, erzählt die 27-Jährige. Auf La Réunion habe sie ein ganz anderes Leben geführt. Sehr entschleunigt. Weniger kompliziert. Ihre Umgebung habe sie „durch eine Art Kunstblick“ wahrgenommen. „Alle Drähte waren gekappt. Natürlich gab es damals schon das Internet. Aber es war nicht so präsent wie jetzt.“ Nein, das Bedürfnis, nach Hause zu fliegen, habe sie nie verspürt. Und auf die Frage, ob sie die Insel im Indischen Ozean vermisse, antwortet sie: „Eigentlich habe ich die Trennung nie wirklich überwunden.“ Sie lacht ihr typisches unbeschwertes Lachen dazu.

Gerade ist Elisa Erkelenz aus Marokko zurückgekehrt. Reisen ist wichtig, weil sie gern andere Perspektiven einnimmt. Im Rahmen des Musikprojektes „Musiker ohne Grenzen“ reiste sie vor drei Jahren nach Ecuador, um in einer Musikschule für Kinder in einem Slum mitzuarbeiten. In einem Viertel, in dem Gewalt an der Tagesordnung ist, gebe es jetzt nicht nur einen festen Anlaufpunkt, die kleinen Talente schrieben teilweise sogar selbst Stücke. „Die Möglichkeit, jederzeit Musik zu machen, hat das Leben dort verändert.“

In dem Büro, das sich Elisa Erkelenz mit sechs Kollegen und dem Geschäftsführer Tobias Rempe teilt, liegen ein paar Ordner auf dem Boden. Ein kleiner Quadratmeter „Bauvertragschaos“, der nur schwerlich erahnen lässt, wie aufreibend die Zeit der Umbauarbeiten war. Aus ihrem Fenster schaut sie direkt ins St.-Pauli-Stadion. Fußballfans würden sie um diesen Ausblick beneiden. Sie hat kein Auge dafür. Die Generalprobe beginnt gleich. Dann wartet das Konzert – und die Möglichkeit, auch in der eigenen, der neuen Heimat mit Musik etwas zu bewegen.

Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbild gelten. Elisa Erkelenz bekam den Faden von Kirsten Lehm und gibt ihn an Ruben Jonas Schnell weiter.