Jan Hofer, Chefsprecher der „Tagesschau“, wünschte sich, weniger Unheil aus aller Welt verkünden zu müssen. Über ihn berichtet Jan Haarmeyer: Er treibt viermal die Woche Sport, fördert ein Kinderhospiz, kämpft gegen Drogen...
Jan Hofer hat für den Fotografen noch schnell seinen Austin-Healey 3000 aus der Garage geholt und parkt den Oldtimer an der Grelckstraße in Lokstedt direkt vor seinem Stamm-Italiener. Das schmucke Gefährt und sein Fahrer ziehen die neugierigen Blicke einiger Passanten auf sich. „Darf ich ein Foto machen“? Na klar, sagt Jan Hofer. „Von Ihnen auch, Herr Hofer?“ Natürlich.
Jan Hofer, 62, ist seit einer gefühlten Ewigkeit Nachrichtensprecher. Er war mehr als ein Jahrzehnt Talkmaster beim NDR und beim MDR. Er moderiert Benefizveranstaltungen und die Wahl der Deutschen Weinkönigin. Er ist Jurymitglied bei Spielshows und war 2013 Brillenträger des Jahres. Wenn eine Kamera angeht, legt er los.
„Ich bin eine öffentliche Person, meine Zuschauer sind meine Kunden. Wer damit nicht umgehen kann, hat in unserem Job nichts verloren“, sagt er. Neulich schrieb ihm ein Zuschauer: „Sie hatten gestern Abend eine rote Krawatte an, sind Sie ein Genosse?“
Sie nennen ihn „Mr. Tagessschau“. Am Abend um 20 Uhr begrüßt er die Nation. Früher saßen einmal 18 Millionen Deutsche vor dem Bildschirm, heute sind es noch zwölf Millionen. Seit 1985 ist Hofer bei der „Tagesschau“. Seit 2004 ist er Chefsprecher. Nach Karl-Heinz Köpcke, Werner Veigel, Dagmar Berghoff und Jo Brauner ist er erst der Fünfte in der Geschichte der Nachrichtensendung, die am 26. Dezember 1952 erstmals ausgestrahlt wurde.
Jan Hofer sagt, dass er schon früh ein „Faible für Außendarstellung“ hatte. Was er damit meint? Na ja, sagt er und lacht: „Ich war immer eitel.“ Er ist der Älteste von vier Brüdern. „Und der extrovertierteste.“ Dass er einmal eines der bekanntesten Gesichter im Fernsehen sein würde, war nicht vorgesehen. „In Wesel am Niederrhein träumen Sie nicht von einer Medienkarriere.“
Der Vater hatte einen Klimatechnik-Betrieb. Als er schwer erkrankte und sich die Mutter um seine Pflege kümmern musste, hat sie die beiden ältesten Söhne aufs Internat geschickt. Nach Langeoog, ins Nordsee-Gymnasium. Jan war zwölf. Keine leichte Zeit sei das gewesen. „Aber ich habe viel gelernt.“ Soziale Kompetenz, Selbstständigkeit. Und eine Menge an Wissen.
Auf der Insel gab es kein Entkommen. Jeden Nachmittag wurden unter Aufsicht drei Stunden Schularbeiten gemacht. Davon profitiere er heute noch, wenn es um den Wortschatz, die Schreibweise oder das Formulieren von Texten geht. Wenn er jungen Redakteuren erklärt, dass es nicht „über“, sondern „mehr als“ zwei Monate heißt. Und dass ein Dorf evakuiert wird – und nicht die Leute. „Das kommt von evacuare, also leer machen.“
Jan Hofer hat nach dem Abitur in Köln Betriebswirtschaft studiert. Und jobbte während des Studiums bei der Deutschen Welle. „Wir haben die Agenturmeldungen, die damals über einen Ticker in die Redaktion kamen, abgerissen und den Redakteuren gebracht.“ Er hat schnell mehr gemacht, als Blätter zu verteilen. „Weil mich ein Redakteur gefördert hat.“ Er hat kleine Sendungen produziert und auch selbst moderiert. Und bekam schließlich ein Volontariat.
Von dort ging es nach Saarbrücken. „Meine wichtigste Zeit.“ Ein kleiner Sender, keine Berührungsängste zwischen Rundfunk und Fernsehen. Irgendwann durfte auch er eine regionale TV-Sendung moderieren. Das sah der damalige Chefsprecher der „Tagesschau“, Karl-Heinz Köpcke; er lud ihn nach Hamburg ein. Seine trockene Begrüßung: „Endlich mal einer, der nicht größer ist als ich.“ Jan Hofer machte eine Testsendung und dachte, man würde ihm sagen: „Wir melden uns.“ Aber er wurde gefragt: „Wollen Sie bei der ,Tagesschau‘ anfangen?“ 14 Tage später bekam er den Vertrag zugeschickt.
An seine erste „Tagesschau“ kann er sich nicht mehr erinnern. Er weiß nur noch, dass es 1985 war. „10 Uhr morgens. Ich war furchtbar aufgeregt.“ Die Angst vor dem Versprecher, sie habe lange angehalten. „Aber heute ist sie nicht mehr da.“ Dagmar Berghoff hat einmal bei einer Tennismeldung aus einem WTC-Turnier ein WC-Turnier gemacht. Und Jan Hofer hat die Besatzung mit einem Traumschiff statt mit einem Raumschiff zur ISS geschickt.
Warum ist die „Tagesschau“ immer noch wichtig? „Weil sie, zusammen mit der ,heute‘-Sendung, die einzige wirklich konstante politische Nachrichtensendung im deutschen Fernsehen ist.“ Im Gegensatz zu den Privaten gebe es keine Promi-News, keinen Boulevard-Journalismus. Dafür Berichte aus Krisengebieten. Kriege, Katastrophen, Konflikte. Wünscht er sich manchmal eine „Tagesschau“ mit ausschließlich guten Nachrichten? „Das gab es ja schon einmal“, sagt Hofer. „Aber wir bilden eine Wirklichkeit ab, die viele Menschen vielleicht nicht wahrhaben wollen. Wir machen die Welt nicht, wir zeigen sie nur.“ Außerdem nähmen sie jede Gelegenheit wahr, gute Nachrichten zu senden. Ausstellungen, Sportereignisse, Königsgeburtstage. „Wir sind nicht auf schlechte Nachrichten erpicht.“
Was macht einen guten Nachrichtensprecher aus? „Er muss die Nachrichten glaubhaft rüberbringen, er muss Hochdeutsch sprechen und, ganz wichtig, er darf sich nicht wichtiger nehmen als die Nachricht selbst.“
Jan Hofer ist als Chefsprecher zuständig für die Dienst- und Urlaubspläne und hat dafür selbst das gesamte System digitalisiert. Nun kann jeder Mitarbeiter auf seinem Handy sehen, wann wer Dienst hat, freie Tage oder Urlaub. „Außerdem können wir uns in einem Forum immer schnell über die wichtigsten Dinge austauschen.“ Er leitet, wie er sagt, ein Team mit lauter Stars.
Neid und Missgunst sind ihm völlig fremd. „Ich habe diese Vokabeln aus meinem Wortschatz gestrichen.“ Wenn einer aus dem Team die Chance habe, Karriere zu machen, dann werde er das fördern, wo er kann.
Jan Hofer geht jeden Tag sehr gerne zum NDR. Oft zu Fuß, er wohnt in Lokstedt. Er ist von Bad Bramstedt hierher gezogen, wo er mit seiner Frau und den Kindern gewohnt hat, als die noch klein waren. Da hatten sie Platz zum Toben in der Natur. Heute sind die beiden Söhne und die Tochter in der Welt verstreut. Berlin, Mexiko, Peru. Sie skypen regelmäßig miteinander, und Jan Hofer hat viele Länder nur deshalb gesehen, weil er seine Kinder dort besucht hat.
Er selbst ist ebenfalls viel auf dem Globus unterwegs. Als Botschafter des Deutschen Roten Kreuzes war er im Sudan, in Haiti und in Afghanistan. Er unterstützt ein Kinderhospiz in Mitteldeutschland und die Stiftung Sehnsucht, die Jugendliche über die Gefährlichkeit von Drogen aufklärt. „Früher hatte ich einen Bauchladen und hätte an jedem Wochenende in Deutschland Schirmherr für eine gute Sache werden können.“ Jetzt hat er sein Engagement auf drei Säulen verteilt, „um die ich mich auch wirklich kümmern kann“.
Dann geht er in Schulen und warnt vor dem Drogenkonsum. Dabei hat er selbst „null Erfahrung“ damit. „Ich hatte immer genug Fantasie, um ohne Drogen Spaß zu haben“, sagt er und zündet sich noch eine Zigarette an.
Er ist, ein Relikt aus seiner Zeit im Rheinland, Mitglied der Prinzengarde in Düsseldorf und fährt jedes Jahr beim Umzug auf dem Wagen mit. Und er hat seine Oldtimer, an denen er schraubt und bastelt.
Im Oktober ist er zehn Jahre Chefsprecher der „Tagesschau“. Eine Feier zum Jubiläum wird es nicht geben. Ein Fazit schon jetzt: „Der Job ist stressiger geworden. Wir haben viel mehr Sendungen auf viel mehr Kanälen und senden rund um die Uhr.“ Ans Aufhören verschwendet er keinen Gedanken. „Wenn ich in zwei Jahren merke, dass meine Konzentration nachlässt, muss ich aufhören. Bin ich in fünf Jahren noch so gesund wie heute, warum soll ich meinen Vertrag nicht verlängern?“
Er fährt dreimal die Woche mit dem Mountainbike. Mal um den Flughafen, mal raus nach Kaltenkirchen. Er geht einmal die Woche ins Fitnessstudio. „Ich habe mich als 30-Jähriger nicht besser gefühlt als jetzt.“ Es sind auch die Reaktionen der Menschen, die ihn heitere Gelassenheit ausstrahlen lassen. So viele nette Zuschriften für den Mann, der 2002 von den Zuschauern zum beliebtesten „Tagesschau“-Sprecher gewählt wurde. „Herr Hofer, Sie sind ein Lichtblick in der Fernsehwelt.“
Natürlich gibt es auch die anderen. Böse Briefe, Schmähungen. „Dafür braucht man ein dickes Fell.“ Zuletzt hat ihm ein Zuschauer geschrieben, dass er das neue Studio der „Tagesschau“ ganz toll finde. Nur Jan Hofer, den brauche er nun wirklich nicht mehr. Jan Hofer hat freundlich zurückgeschrieben: „Vielen Dank für die Grüße, ich habe noch ein Ostergeschenk für Sie. Ich habe meinen Vertrag gerade um fünf Jahre verlängert, legen Sie Ihre Fernbedienung mal lieber nicht zu weit weg.“
Der rote Faden zieht sich durch die Stadt: Er verbindet Menschen, die einander schätzen, bewundern, überraschend finden. Sie entscheiden, an wen sie ihn weiterreichen: an andere, die hier arbeiten, Besonderes für die Stadt leisten, als Vorbildgelten. Jan Hofer bekam den Faden von Wilhelm Rapp und gibt ihn an Norbert Schultze jr. weiter