Möwen oder Schwäne? Strandperle oder Cliff? Containerriese oder weiße Flotte? Es ist für viele Hamburger eine Glaubensfrage: Wo sind wir lieber - an der Elbe oder an der Alster?
Dies ist eine Geschichte von Leidenschaft und Liebe, es ist ein Geständnis von Untreue und Verrat, es ist eine Hommage an die Hansestadt. Als Hamburger muss man sich entscheiden. Will man die Millionäre vom Volkspark oder die Milieunäre vom Millerntor umjubeln? Trinkt man sein Pils lieber auf St. Pauli oder in Ottensen? Radelt man auf roten Stadträdern oder röhrt man mit Geländewagen durch die Metropole? Und dann die Mutter aller Fragen, der sich Matthias Iken und Insa Gall stellen und deren Antwort Bekenntnis, Selbstbeschreibung sowie Verortung zugleich ist: Bist du Elbe – oder Alster?
Matthias Iken, stellvertretender Chefredakteur, liebt die Elbe:
Bist du Elbe – oder Alster? Aber ist das überhaupt eine Frage? Eigentlich nicht.
Natürlich, die Alster, diese malerische Fluss-See-Mischung im Herzen der Stadt, ist ein hübsches Plätzchen. Aber sie hat ein Problem. Und das ist 1094 Kilometer lang – die Elbe. Größe und Schönheit sind eben immer relativ. Hamburg ist groß, schnurrt aber aus der Perspektive Berlins zusammen; St. Katharinen ist beeindruckend, steht aber im Schatten des Michel. Und Opel baut prima Autos, doch VW fährt voran.
Auch die beiden Flüsse spielen in unterschiedlichen Ligen. Eure Alster ist beschaulich, unsere Elbe ist wild, eure Alster säuselt, unsere Elbe rauscht. Eure Alster plätschert, unsere Elbe atmet weite Welt. Die Alster mag Operette sein, die Elbe ist große Oper. Und sie hat einiges zu erzählen auf ihrem Weg vom Riesengebirge bis in die Nordsee, aus der Heimat des Rübezahl bis zum Blanken Hans. Sie durchfließt das spektakuläre Sandsteingebirge und schafft es, Wittenberg, Wittenberge und Wittenbergen wie Perlen auf eine Kette zu ziehen. Sie erzählt als deutscher Schicksalsfluss die Geschichte von Flucht, Teilung und Wiedervereinigung. Und sie ist die Hauptschlagader einer ganzen Stadt. Die Elbe fließt nicht durch Hamburg, sie ist Hamburg.
Ich verliebte mich an einem nieseligen Novembertag vor rund 25 Jahren in den Strom. Eigentlich war es kein Tag zum Verlieben. Wir standen vor der Jugendherberge auf dem Stintfang und schauten auf die Landungsbrücken, wir Elftklässler aus der plattdeutschen Provinz zu Besuch am Tor zur Welt. Es roch nach Arbeit, Herbst und Hafen, duftete so ganz anders als unsere beschauliche Kleinstadtwelt – nach weiter Welt. Eigentlich sollten wir die Alster lieb gewinnen. Unser Lehrer schleppte uns zum Rathaus, in die Innenstadt, zur Kunsthalle. Doch uns lockte der Strom, dem Hamburg damals noch den Hintern zuwandte. Wir favorisierten die Brachen, Straßen, Docks und Kräne, die besetzten Häuser, die Spelunken, die sündhaft-verbotene Meile. Wir mochten den Moloch, uns langweilte das Postkartenidyll. Uns erregte die Elbe, diese Mischung aus Faszination und Ekel. Wir waren beeindruckt von dieser fremden Industrielandschaft und zugleich abgestoßen von der ökologischen Hinrichtung eines Flusses. Unser Herz schlug unter einem großen Greenpeace-Button. Der einst fischreichste Fluss des Kontinents war damals sein dreckigster.
Heute ist vieles anders, unsere Liebe ist geblieben.
Die Wiedervereinigung des Landes war die Wiederbelebung des Flusses. Es ist eine der Erfolgsgeschichten, die man achselzuckend zur Kenntnis nimmt oder die im Strom der Negativnachrichten untergeht: Jeder Liter Gift wurde zu Recht beklagt und bedichtet: „Jeder Zufluss wirft Blasen zart leuchtender Chemikalien auf, angewidert spucke ich von der kahlen Uferterrasse herab“, dichtete Durs Grünbein 1979. Untergangsgesänge auf den Fluss füllen ganze Bibliotheken, seine Gesundung schrumpft zur Randnotiz. Mehr noch als die Elbe lieben die Deutschen den Untergang.
Oder die Alster. Der Zufall des Lebens spülte mich ein paar Jahre später an die Ufer der Alster. Es war weniger die große Emotion als die Vernunft – hier lag eine schöne und vor allem finanzierbare Wohnung. Mit jedem Monat wuchs mir der Stausee ans Herz: Dutzende Male umrundete ich die Alster in Joggingschuhen, flanierte ich ihr Ufer entlang, durchpflügte mit Tretbooten ihr Wasser oder schipperte vom Mühlenkamp zum Jungfernstieg. Das eine Wasser begann das andere zu verdrängen, die Alster wurde mein Spatz in der Hand, die Elbe zur Taube auf dem Dach.
Ja, es ist schön an der Alster – der Sonnenuntergang an der Alsterperle, ein Bummel durchs Vorland, der Blick von der Krugkoppelbrücke. Aber die Alster erinnert an das gleichnamige Alster – sie mögen schmecken und erfrischen. Doch letztlich bleibt sie ein verdünntes Bier, sie ist die Light-Version der Elbe, sie ist ein bisschen langweilig. Die Elbe ist kein Alster, sie ist ein Starkbier. Und nicht nur das – sie schmeckt wie ein Grog im Winter, sie prickelt wie ein eisgekühltes Mineralwasser im Hochsommer, sie kann perlen und beschwipsen, sprudeln und schwappen, rauschen und berauschen. In die Alster springt man nur, um sie beim Triathlon schnellstmöglich zu durchpflügen, in der Elbe mag der Schwimmer verweilen. Badende sind zwischen Blankenese und Wittenbergen keine Exoten mehr. Wer einmal einen Zug im Elbwasser gewagt hat, wird süchtig. Das Wasser umschmeichelt den Körper, es ist weder See noch Meer, es ist Strom. Schwimmt man vom Ufer fort, sieht man Ozeanriesen und Segler an sich vorbeiziehen. Schwimmt man zurück, verwandelt sich die Stadt. Vom Wasser aus erklärt sich Blankeneses Beiname von der „Riviera der Unterelbe“. Erhaben buckelt sich der Geestrücken an den Strand, Leuchttürme verheißen das Meer. Was eben noch Bundeswasserstraße war, wird in wenigen Zügen zur Wildnis.
Endgültig verfallen bin ich dem Zauber der Elbe, als ich an ihr entlangwanderte. 60 Kilometer von Geesthacht bis Wedel, in denen sich der Fluss zum Meer weitet, sich die Perspektiven verschieben, die Landschaften neu erfinden, der Strom zur Kulisse eines abwechslungsreichen Freilufttheaters wird. Die Idylle der Schafe auf dem Deich verwandelt sich bald in eine Industrielandschaft, welche die HafenCity – diese Metropole des 21. Jahrhunderts – überblendet. Es folgen die Landungsbrücken, die von den pittoresken Lotsen- und Fischerdörfern Övelgönne und Blankenese abgelöst werden, bevor sich Hamburg in die Büsche schlägt und sich im Wald verliert. Die Alsterrunde bietet auf 7,4 Kilometern Stadt und Park, die Elbe ein Universum.
Der Fluss inspiriert. Ob Hans Leip, Albrecht Schindehütte oder Peter Rühmkorf, Horst Janssen oder Hans Henny Jahn, hier leben oder lebten die Künstler. Hier spielt die Musik, die Elbe besingen Hans Albers, Freddy Quinn, Fettes Brot. Ihre Schlager summen die Drei- wie die 83-Jährigen. Hier lassen die Krimiautoren morden, Regisseure küssen, hier wirken Maler und Architekten. Ein besonders lebensfreundlicher Platz in diesem Universum ist die Strandperle. Sie ist die Mutter aller Beachclubs und bietet einen Panoramablick auf Elbe und Hafen. Hamburg und sein Hafen, das ist eine besondere Beziehung. Viele See- und Binnenhäfen fristen ihr Dasein an der Peripherie der Metropolen, wenden ihnen den Rücken zu, lassen nur ein paar Blicke zwischen die Zäune, Industrie, Wellblechhallen und Verkehrswege. In Hamburg präsentiert sich der Hafen auf seiner Südseite als Freilichtbühne. Hier wird rund um die Uhr ein prächtiges Wassertheater gegeben, der Eintritt ist frei. An der Strandperle sitzen wir in der ersten Reihe: Die Füße spielen im Sand, das Bier kühlt die Hand, und unser Blick schweift in die Ferne, in die weite Welt. Mit jedem Containerriesen, der in den Hafen einläuft, mit jedem Kreuzfahrtriesen, der weiterzieht, gehen die Gedanken auf die Reise. Das sind diese Momente, in denen Fernweh und Heimweh verschmelzen, Hamburg ganz Hafen ist – und die Elbe mehr zum Meer wird. Wir müssen nicht nach China, Liberia oder Südamerika reisen – diese Länder kommen die Elbe heraufgeschwommen. Die Elbe verbindet nicht nur Länder, sondern in lichten Momenten auch eine gespaltene Stadt: Im Sand der Strandperle treffen sich Perlenkette und Arschgeweih, Hartz IV und Steuersparmodell, buddeln Kinder mit ihren Omas, prosten sich Totenkopf und Raute zu. Hier ist Hamburg ganz bei sich. Ja, Hamburg liegt am Meer. Zwar nicht geografisch, aber gefühlt, kulturell, wirtschaftlich. Die Elbe ist Lebensader und Lebensversicherung, Lebenslauf und Lebensmittel. Rund 140.000 Menschen bietet sie Lebenserwerb, jeder siebte Euro wird im Hafen erwirtschaftet.
Diese Meile ist es, mehr noch als die „geile Meile“ auf St. Pauli, die Hamburg ausmacht. An jedem Wochenende strömen Zehntausende zum Strom. Auf den Elbfähren ist so gut wie jeder Platz besetzt, die Uferwege und Promenaden verwandeln sich in ein Stadion der Jogger, Walker und Spaziergänger, und der Elbstrand in die größte Freiluftbühne der Stadt. Das Programm variiert kaum und ist doch nie gleich. Es heißt „Schiffe gucken“. Unübertrefflich sind die Aufführungen an einem warmen Abend unterhalb von Övelgönne. Dagegen verblassen noch die schönsten Stunden am See in der Stadt.
Die Alster ist eine Provinzgröße, die Elbe hat internationales Format.
Insa Gall, Stellvertretende Abendblatt-Lokalchefin, liebt die Alster:
Es ist noch früh. Blasser Nebel steht auf den Alsterwiesen. Die Sonne wird gleich am Horizont aufgehen; ihre Strahlen malen schon einmal gelbe Streifen an den Morgenhimmel, der dramatisch in Rosa und Hellblau leuchtet. Das Wasser der Alster scheint in denselben Farben regelrecht zu glühen. Auf dem Anleger Fährdamm steht ein einsamer Jogger, der nach dem Lauf seine Muskeln dehnt. Vor dem Cliff nebenan zieht ein Ruderer seine Bahn durch das Wasser, frühmorgens in sich und seinen Sport versunken, bevor die Geschäftigkeit des Tages einsetzt. Ein Bild, wie gemalt. Das ist die Alster, die ich liebe. Zart und lieblich, dann wieder spektakulär und atemberaubend – vielleicht nicht die Lebensader der Stadt, aber doch ihr Herz. Hier riecht nichts nach Schmieröl und Schiffsabgasen wie an der Elbe. Anstelle von Lotsenschonern und Containerriesen haben Ruderboote und Holzsegler an den Stegen festgemacht und warten auf den Tag.
Schön ist die Außenalster zu jeder Tageszeit. Nicht umsonst heißen die Straßen hier Bellevue oder Schöne Aussicht. Wer sie auf der genau 7,4 Kilometer langen Strecke umrundet, hat von jedem Ufer aus einen anderen Blick auf die Hansestadt. Kirchtürme und Hochhäuser, Fernsehturm, Kupferdächer und Baukräne reihen sich in immer neuen Formationen. Zuletzt ist die glitzernde Fassade der Elbphilharmonie hinter dem Rathaus und der Petrikirche in die Höhe gewachsen. Die Ufer der Außenalster sind gesäumt von den weißen Villen des alten Geldadels und den Terrassenbauten der neuen Reichen. Zur Mittagszeit, wenn sich die Stehtische an der Alsterperle füllen, spiegeln sich im Wasser kräftige Farben. Alsterdampfer und Segelboote sorgen für ein Postkartenmotiv. Auf den Caféterrassen werden die neuesten Sonnenbrillenmodelle vorgeführt. Türmen sich schwarze Wolken am Himmel auf, verwandelt sich das gerade noch liebliche Bild in eine dramatische Szenerie. Am Abend, bevor die Dämmerung einsetzt, leuchtet das Wasser in sanftem Hellblau, als wolle es den Himmel schlucken. Die Alster ist wie die berühmten Serienbilder von Claude Monet: Die Szenerie ist immer dieselbe, doch sie erscheint im Ablauf der Stunden und der Jahreszeiten in wechselndem Licht immer neu.
Aber die Alster ist mehr als nur schön – sie ist der Bezugspunkt für das Leben in den Stadtteilen drum herum. Morgens um Viertel vor acht radeln Scharen von Schülern an der Alster entlang zur Schule. Gegen Mittag machen die Beschäftigten aus den Büros der Umgebung mit einem Salat oder einem Sandwich Pause auf einem der Stege. Während junge Familien am Wochenende den Kinderwagen um die Alster schieben und ältere Damen gemächlich flanieren, steigen an schönen Sommerabenden die Rauchschwaden von ungezählten Grills über die Uferbänke – die Alster wird dann zur Partymeile.
Mein persönlicher Lieblingsplatz ist der Steg bei Bobby Reich an der Krugkoppelbrücke. Nicht im Restaurant, sondern ganz hinten auf dem Steg, durch aufgestapelte Jollen geschützt, finde ich mein Plätzchen. Manchmal sitzt hier ein Rentner, der sich seinen eigenen Liegestuhl mitgebracht hat, und genießt den Logenplatz an der Alster. Nur die Holzplanken trennen mich vom Wasser unter mir. Der Verkehr, die Hektik der Stadt, die vorbeilaufenden Jogger scheinen Kilometer entfernt. Das Licht bricht sich in den Wellen, die Boote knarzen beständig am Gummi der Pfosten. Hier auf dem Anleger beginnt eine Welt, die nach Sonne riecht, nach Holz und nach Urlaub. Ich lasse meine Füße im Wasser baumeln oder auch nicht. Die Fallen der Segelboote schlagen im Wind. Die Augen gleiten hinüber zum anderen Ufer, wo üppige Büsche blühen. Am besten gefällt mir der Geruch des Holzes, das von der Sonne und dem Regen ausgeblichen ist und an einen Yachthafen an der See erinnert – mitten in der Stadt.
Die größte Trainingsfläche der Hansestadt ist die Alster ohnehin: Zu fast jeder Stunde des Tages und buchstäblich bei jedem Wetter sind hier die Jogger unterwegs. Halbkilometersteine markieren die Strecke. An eigens aufgestellten Turngeräten lässt sich gezielt trainieren. Unter Seglern gilt das 164 Hektar große Gewässer als anspruchsvolles Revier, weil die Häuser am Ufer und die einmündenden Straßenzüge den Wind häufig wechseln lassen. Ruderer treiben ihren Sport mit Blick auf die Stadt, einige traditionsreiche Ruderclubs haben hier ihr Domizil. Ausflügler finden an den zahlreichen Bootsverleihern Ruder- oder Tretboote, mit denen sie in das verzweigte Netz aus Kanälen im Norden fahren. Und im Winter verwandelt sich die Alster alle paar Jahre und mit etwas Glück in eine riesige Eisfläche. An der Elbe, im Hafen, wird Hamburgs Wirtschaftskraft erarbeitet, an der Alster wird gelebt. Wer in erster Lage wohnen will, muss hier wie dort tief in die Tasche greifen. An der Außenalster liegen einige der begehrtesten Wohngebiete der Stadt. Nirgendwo sonst sind die Quadratmeterpreise für Wohnungen so hoch wie in den Neubauten an der Sophienterrasse.
Zu verdanken haben wir dieses Kleinod dem Grafen Adolf III. Dort, wo heute die teuersten Wohnungen der Stadt entstehen und die Hamburger beim Spaziergang am Wochenende die neusten Sonnenbrillenmodelle vorführen, grasten einst bestenfalls die Kühe. 1190 ließ besagter Graf aus dem Geschlecht der Schauenburger, der auf der westlichen Alsterseite eine Markt- und Handelssiedlung gründete, die Alster stauen, um den entstehenden See als Mühlenteich für den Betrieb einer Kornmühle zu nutzen. Die bis dahin unbewohnten Alsterwiesen wurden großflächig überschwemmt. Aus dem Damm wurde später der Jungfernstieg. Erst im 17. Jahrhundert wurde der Mühlenteich durch den Bau der Wallanlagen in Außen- und Binnenalster getrennt.
An diesem Fluss, der eigentlich in der Gemeinde Henstedt-Ulzburg entspringt und fast 56 Kilometer braucht, bevor er in vielen Verzweigungen die Hamburger Innenstadt erreicht und zum Alstersee wird, zeigt sich die Hansestadt von ihrer lebenswerten Seite. Berlin mag aufregender sein, New York mit Sicherheit spektakulärer – was Hamburg ausmacht, ist die Lebensqualität, die diese Stadt bietet: im Grünen zu wohnen mit einem riesigen Naherholungsgebiet vor der Tür, aber die Attraktionen der Metropole nur eine Fahrradfahrt entfernt. Dafür steht die Alster.
Seit jeher wird gestritten, ob links oder rechts die bessere Alsterseite ist
Wobei Alster natürlich nicht gleich Alster ist. Seit jeher streiten linkes und rechtes Ufer darum, welches die bessere, die „richtige“ Alsterseite ist. Für mich ist der Fall klar: Mein Herz gehört dem rechten Ufer. Hier gibt es nachmittags Sonne und später wunderbare Sonnenuntergänge. Hier ist das Leben, Pardon, weniger schnöselig und die Aussicht auf die Stadt einfach schöner. Wie der Name schon sagt. Wenn ich aus dem Büro nach getaner Arbeit nach Hause fahre, über die Brücke in den Schwanenwik einbiege und links auf die Alster schaue, jubele ich innerlich. Fast jeden Abend denke ich: Was für eine Stadt! Wie toll, dass ich hier lebe. Alster ist eben ein Lebensgefühl, mein Lebensgefühl.
Sicher, die Elbe ist rauer, wilder. Es gibt Menschen, die empfinden die Hafenkräne und das Flutlicht, das nachts die Kais gegenüber der Strandperle erleuchten, als romantisch. Zehntausende von Touristen beispielsweise, die sich jedes Jahr von Bussen an den Landungsbrücken absetzen lassen und sich zünftig fühlen, wenn sie unten auf dem Anleger bei einem Mann in blau-weißer Kutte ein Fischbrötchen bestellen, bevor sie auf Hafenrundfahrt gehen. Oder die Jungakademiker und Junggebliebenen, die sich cool fühlen, wenn sie ihr Bier mit Blick auf die Industriekulisse trinken. Das mag schön sein, authentisch ist es nicht. Wohl niemand, der tatsächlich im Hafen schuftet, würde beim Blick auf die Hafenkräne und Containerriesen von Industrieromantik sprechen, geschweige denn hier seinen Sonntagsspaziergang machen.
Am Ende ist der Unterschied zwischen Alster und Elbe wie der zwischen Mittelmeer und Nordsee. An der rauen Küste kann es ja auch sehr schön sein. Aber das Mittelmeer mit seinen leuchtenden Farben, der Lebensfreude und Leichtigkeit des Südens, der lieblichen Schönheit, die dem Auge schmeichelt, den Caféterrassen und dem Volk, das sich flanierend zur Schau stellt, vom ersten Sonnenstrahl an niemals ohne Sonnenbrille – wie könnte da ein Strom mithalten, auf dem man im Winter nicht einmal Schlittschuh laufen kann?