Ole von Beust über seine neue Tätigkeit als Berater von Gründern

Gründer können von der Politik lernen, sagt Ole von Beust. Der ehemalige Hamburger Bürgermeister arbeitet heute als Anwalt, hat selbst zwei Firmen gegründet und berät als Schirmherr des Fundersclub junge Gründer. Eine gute Idee kann zum Erfolg werden, wenn sie auch gut verkauft wird, sagt von Beust. Und Politik sei vor allem „Verkaufen“. Berndt Röttger sprach mit ihm über Bewahren und Erschaffen, über Sicherheit und Risiko

Hamburger Abendblatt:

Sie arbeiten in einer eigenen Rechtsanwaltskanzlei und haben gerade eine Consulting-Firma gegründet. Starten Sie jetzt nach der Zeit als Bürgermeister eine Ole-von-Beust-Gründerzeit?

Ole von Beust:

Man kann das so sagen. Ich war ja vor meiner Politikzeit fast zehn Jahre lang selbstständiger Rechtsanwalt, dann habe ich 17 Jahre Berufspolitik gemacht, habe dann meine Anwaltszulassung wieder aufleben lassen. Ich arbeite jetzt auch anwaltlich, aber überwiegend bin ich beratend, zum Beispiel bei Firmengründungen, tätig und habe selber zwei Firmen gegründet.

Die eine ist die gerade erwähnte Consulting-Firma ...

Beust:

... die Ole von Beust: Consulting GmbH + Co KG. Die ist in ganz unterschiedlichen Bereichen aktiv. Aber meist dreht es sich um Strategie- und Kommunikationsberatung. Die andere ist das Hanse Lichtkontor, die Firma betreibe ich mit zwei Gesellschaftern zusammen. Sie arbeitet als Lichtmakler. Wir haben beispielsweise Lichtplaner, die Kunden bei der Umstellung auf LED-Licht beraten.

Muss man beim Gründen auch immer an die Möglichkeit des Scheiterns denken?

Beust:

Mit Sicherheit ja. Sie können glücklich sein, wenn von zehn Firmen, die gegründet werden, eine etwas wird. Es gibt auch bei meinen eigenen Beteiligungen Dinge, die schlecht laufen. Mein Grundsatz ist der: Ich engagiere mich da größer, wo ich selbst möglichst großen operativen Einfluss habe.

Führt man eine Stadt wie einen Konzern?

Beust:

Das kann man nicht vergleichen. Es gibt einen riesigen Unterschied. In der Politik steht neben dem Inhalt immer gleichberechtigt auch die Frage: „Wie sage ich es den Leuten?“ Das heißt, die öffentliche Wirkung dessen, was Sie machen, führt immer zu einer Schere im Kopf. Sie müssen immer überlegen, was morgen dazu in der Zeitung steht. In der Wirtschaft sind Sie freier, zu experimentieren. Sie sind freier, einmal Gedanken kreisen zu lassen, Planspiele zu machen. In der Politik ist alles transparent. Da wird, auch wenn es nur ein Planspiel war, alles als Realität unterstellt.

Das klingt, als ob Sie den Abschied aus der Politik genießen.

Beust:

Schon. Politik hat mir Riesenfreude gemacht. Die Bürgermeisterzeit war eine tolle Zeit, weil ich für die Stadt, die ich liebe, einiges bewegen konnte. Aber ich bin jetzt auch froh, dass es vorbei ist, weil ich als Bürgermeister natürlich ständig überlegen musste, wie das, was ich tue, ankommt. Sie stehen immer auf der Bühne. Das gehört zur Politik, aber wird auf Dauer eine Belastung.

In der Politik geht es bei jeder Wahl wieder um einen Neuanfang – häufig mit völliger Unsicherheit. Müsste so viel Risikobereitschaft einen Politiker nicht zum optimalen Unternehmer machen?

Beust:

Eigentlich müsste das so sein. Ich glaube nur, es gehen deshalb so wenige aus der Politik in eine Firmengründung, weil sie trotz aller Risiken in der Politik ein sehr starkes und sicheres Korsett haben. In Spitzenämtern – ob als Fraktionsvorsitzender oder Bürgermeister – haben Sie einen definierten Status, Ihnen wird der Tag von morgens um 8 bis 22 Uhr komplett durchstrukturiert. Sie leben in Ritualen. Sie haben Redenschreiber, ein großes Büro, das Termine macht und E-Mails beantwortet. Sie sind einbetoniert – aber das gibt auch eine gewisse Sicherheit. Wenn die weg ist, müssen Sie alles selber machen. Das schreckt viele.

Das war ja dann wohl auch für Sie eine große Umgewöhnung.

Beust:

Völlig! Ich habe doch früher kaum Mails selbst beantwortet oder Briefe getippt. Das Büro hat mir vielleicht fünf Prozent aller Mails vorgelegt, wenn die Kollegen meinten, das ist brenzlig. Und nebenbei: Als Bürgermeister wissen Sie auch immer, wie viel Sie am Monatsende auf dem Konto haben. Als Unternehmer wissen Sie das nicht. Mal läuft es gut, mal nicht so gut. Dann fangen Sie an zu rechnen und überlegen: Wie geht’s jetzt weiter?

Sie haben seit Anfang der 80er-Jahre als selbstständiger Rechtsanwalt gearbeitet. Waren Sie jemals länger fest angestellt?

Beust:

Nein. Nach dem Abitur habe ich ein Jahr lang als Aushilfe in der CDU-Bürgerschaftsfraktion gearbeitet.

Sie sind Schirmherr des Fundersclub in Hamburg. Was machen Sie da?

Beust:

Das hat für mich zwei Komponenten: Der Club ist für Hamburg gut. Verglichen mit Berlin gibt es hier zu wenige Start-ups. Wir müssen junge Leute animieren, in Hamburg Firmen zu gründen. Wenn die meisten nach Berlin gehen, wäre das für Hamburg nicht gut. Da will ich einen kleinen Beitrag leisten – durch die Schirmherrschaft, durch Beratung und Gespräche mit Gründern. Das Zweite ist: Es macht einfach Spaß, Erfahrung weiterzugeben.

Woran mangelt es bei Gründern?

Beust:

Es gibt viele Leute, Gründer, die haben faszinierende Ideen, entweder technischer oder kaufmännischer Natur. Sie sind beseelt davon, aber wissen nicht, dass die beste Idee nichts nützt, wenn sie keinen Vertrieb haben, der sie an den Kunden bringt. 70 Prozent des Erfolgs hängen am Verkauf. Viele Leute können aber ihre Ideen nicht verkaufen. Ich habe Techniker erlebt, die brauchen 20 Minuten, um Ihnen ein Produkt zu erklären. Sie müssen das Produkt aber in fünf Sätzen erklären können. Das können viele nicht.

Und können Sie da nicht mit Ihren Erfahrungen aus der Politik helfen?

Beust:

Ich denke schon. Politik ist 70 Prozent Kommunikation. Klar müssen Sie Ideen haben, aber als Politiker müssen Sie vor allem auch Kommunikator sein. Die Erfahrung, die man da in der Politik macht, die ist schon gigantisch. Zu glauben, die Qualität eines Produktes garantiert den Erfolg, das funktioniert im Alltag leider nicht – auch wenn es vielleicht ungerecht ist.

Also würden Sie Gründern empfehlen, vorher einmal in die Politik zu gehen?

Beust:

Zumindest von der Kommunikationserfahrung lernen. Wahlkampf ist letztlich eine Marketing- und Werbeveranstaltung. Da geht es, ganz brutal gesagt, um Verkauf. Das anschließende Regieren oder die Arbeit im Parlament, das muss dann solide sein. Ich glaube, ein guter Wahlkämpfer ist auch ein guter Berater für einen Gründer.

Zum Abschluss ein paar Gegensätze. Sagen Sie bitte in zwei, drei Sätzen: Was liegt Ihnen näher, bergauf gehen oder oben stehen?

Beust:

Bergauf gehen. Oben stehen langweilt mich sehr schnell. Das ist dann schnell eingefahren. Der Kampf, ein Ziel zu erreichen, ist spannender, als es zu verwalten.

Sicherheit oder Risiko?

Beust:

50 zu 50. Der totale Risikomensch bin ich auch nicht. Muss mich eher zum Risiko zwingen.

Zweifel oder Optimismus?

Beust:

Optimismus. Zweifel strahlt aus, und damit überzeugen Sie niemanden.

Bewahren oder erschaffen?

Beust:

Erschaffen. Routine entspricht nicht meinem Naturell. Ich habe Freude an Abwechslung und neuen Dingen. Zumindest beruflich.

Sprint oder Marathon?

Beust:

Sprint. Ich gebe zu: Ich bin eher Taktiker denn Stratege. Ich muss mich zwingen, langfristig zu denken. Das ist einfach nicht mein Naturell.

Eine geniale Idee oder 1000 gute Einfälle?

Beust:

1000 gute Einfälle. Die Gefahr des Scheiterns bei einer Idee ist zu groß.