Vor 25 Jahren entstand der Olympiastützpunkt für Hamburg und Schleswig-Holstein. Rainer Grünberg über eine Institution, die aus der Not geboren wurde und heute nicht mehr wegzudenken ist

Damals, vor 25 Jahren, herrscht Kalter Krieg. West gegen Ost, Kapitalismus gegen Kommunismus. Bei den Olympischen Sommerspielen 1988 im südkoreanischen Seoul räumen Sowjetunion (132) und DDR (102) die Medaillen ab. Als Grund der überproportionalen Gewinnausschüttung führen sie die Überlegenheit ihres Systems an. USA (94) und Bundesrepublik (40) müssen sich hinten anstellen.

Der westdeutsche Sport müht sich um Antworten. Doping ist, wie wir inzwischen wissen, die eine, der Bau von Olympiastützpunkten (OSP) eine andere. Zehn Zentren entstehen in dieser Zeit, darunter das für Hamburg und Kiel mit der Zentrale im Dulsbergbad am Alten Teichweg. Am Montagabend feiert die Einrichtung ihr 25-jähriges Bestehen. Bürgermeister Olaf Scholz und Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig gehören zu den Gratulanten. „Der Weg hin zu Olympiasiegen, nationalen und internationalen Erfolgen hat für viele Sportler hier bei uns in Hamburg am OSP begonnen“, schreibt Scholz in seinem Grußwort.

Bei den sechs Sommerspielen nach 1988 gewinnen 26 Athleten aus Hamburg und Schleswig-Holstein olympisches Gold, 16 Silber- und 22 Bronzemedaillen. Die Dekorierten sind Hockeyspieler, Ruderer, Beachvolleyballer, Reiter, Schwimmer, Segler und ein Sportschütze, aber auch Rollstuhlbasketballer und andere Paralympics-Teilnehmer wie die querschnittsgelähmte Schwimmerin Kirsten Bruhn. Scholz nennt den OSP „ein Erfolgsprojekt“.

Stützpunktleiterin Ingrid Unkelbach ist seit den Anfängen dabei

Ingrid Unkelbach, 53, ist die Frau der ersten Stunde, bei der Eröffnung die einzige Mitarbeiterin Jürgen Greves, des ersten Leiters. Die ehemalige Leistungsschwimmerin und Lehrerin startet 1988 als Laufbahnberaterin, seit 13 Jahren führt sie den Stützpunkt, einen von heute 19 in Deutschland. Sie ist die einzige Frau an der Spitze eines OSP. An die Anfänge erinnert sie sich noch genau: „,Wozu brauchen wir eine Laufbahnberaterin?‘, war eine der häufig gestellten Fragen. Laufbahnen hätten wir in Hamburg doch schließlich genug.“

Im nächsten Jahr soll eine Halle für Handball und Judo gebaut werden

Das Verständnis für den Spitzensport, die Spitzensportler und deren Bedürfnisse muss erst wachsen. Olympiastützpunkte verstehen sich nicht als Medaillenschmieden, eher als Servicestationen. „Sinn und Zweck dieser Einrichtungen ist, dass die nationalen Spitzenkader in ihrer Region ein Zentrum vorfinden, in dem sie sportlich und medizinisch optimal betreut und ihnen Wege aufgezeigt werden, wie sie Sport, Studium, Ausbildung und Beruf vereinbaren können“, erklärt Lutz Endlich, damals Planungsdirektor des Bundesausschusses für Leistungssport des Deutschen Sportbundes. Es geht in den Anfangsjahren um das kleine Einmaleins des Spitzensports: Leistungsdiagnostik, Physiotherapie, Arzttermine, Wohnungssuche, Freistellungen beim Arbeitgeber oder bei Professoren für Lehrgänge und Wettkämpfe. Der OSP vermittelt diese Leistungen oder bietet sie in seinen Räumen an. Das soll den Athleten unnötige Wege ersparen helfen; damit gewinnen sie Zeit, die sie zum Training nutzen können. Auch eine Köchin wird eingestellt. Die hat allerdings anfangs Probleme mit den Portionen: Sie sind meist viel zu klein.

In den vergangenen 25 Jahren hat sich viel verändert am OSP Hamburg/Schleswig-Holstein mit seinen Außenstellen an der Ostsee in Kiel und am Ratzeburger See. Sportinternate entstehen, in Hamburg wird 1998 das Aquasport-Hotel eröffnet. Im Februar 2005 folgt der erste Spatenstich für den Sportpark Dulsberg. Die benachbarte Stadtteilschule Alter Teichweg ist seit 2006 eine von 39 Eliteschulen des Sports in Deutschland. Das im November 2007 eröffnete BeachCenter mit seinen Hightech-Kameras genießt weltweite Wertschätzung wie die 1992 in Betrieb genommene Gegenstromanlage. Wenn, wie geplant, die Halle für Handball und Judo das Ensemble in zwei Jahren erweitert, werden mehr als 25 Millionen Euro verbaut sein. Das Geld kommt von der Stadt und dem Bund. Die Bäderland GmbH stellt alle Flächen. 33 Mitarbeiter, davon neun Trainer, sind inzwischen am OSP beschäftigt. „Wenn ich heute durch unseren Stützpunkt gehe, im Kraftraum Sportler aus den unterschiedlichsten Disziplinen trainieren sehe, kommt es mir vor, als wäre die olympische Familie hier zu Hause“, sagt Unkelbach. 300 Athleten betreut der OSP derzeit, etwa 3000 hat die Chefin im Laufe ihrer Tätigkeit kennengelernt.

Die einst großen Medaillenerwartungen haben die Olympiastützpunkte selbst nach dem Ende der DDR und der Sowjetunion nicht erfüllen können. Um den letztlich unterfinanzierten olympischen Sport in Deutschland in der Weltspitze zu halten, sind sie aber unverzichtbar geworden.