Noch nie war die Vielfalt an Fahrrädern so groß wie heute, inzwischen gibt es fast alle Modelle mit Elektroantrieb. Trends dieser Saison.

Auch wenn der Winter sich noch einmal in voller Montur zurückgemeldet hat: Eingefleischte Radfahrer sind an den ersten Frühlingstagen schon wieder auf den Geschmack gekommen, und den werden sie auch nicht mehr los. Rennrad, Hollandrad, Singlespeed, Trekkingbike: Jeder, so scheint's, fährt heute eine andere Art Rad. Unglaublich mittlerweile das Angebot - weit entfernt von jenen Jugendtagen, als man noch die Auswahl hatte zwischen Torpedo-Dreigang und Torpedo-Dreigang.

Alltagsfahrzeug, Pendlergefährt, Lastenträger, Kinder-Transporteur - das Rad ist Universal-Fahrzeug in der Stadt geworden, Teil eines jungen urbanen Lebensgefühls. Einen großen Anteil an dem City-Trend zum Rad haben Arbeitspendler, sagen Fahrradhändler wie Kay Hollstein. In St. Georg betreibt er mit seinem Geschäftspartner die eBike-Company. Gegründet 2006, als Elektrofahrräder noch aussahen, als bekäme man sie nur auf Krankenschein.

Heute ist der Laden am Lindenplatz ein Abbild der großen Angebotsfülle auf dem Radmarkt: Falträder, Rennräder, Cityräder, Crossräder - nur eben alle mit E-Motoren. 400.000 E-Bikes wurden 2012 in Deutschland verkauft, 90.000 mehr als im Vorjahr. "Von einer stillen Revolution" sprechen Verkehrsforscher wie TU-Professor Carsten Gertz. Vor ein paar Jahren waren es zu 80 Prozent Senioren, die ein E-Bike gekauft haben, sagt Hollstein. Jetzt sind mehr als 50 Prozent seiner Kunden Pendler, die den eingebauten Rückenwind nutzen. Der Vorteil des E-Bikes: Der Motor arbeitet zwar nur, wenn auch die Pedale bewegt werden - der Fahrer kommt aber mit weniger Anstrengung schneller voran. "Ins Büro kommt man dann flott ohne zu schwitzen, zurück kann man dann powern", sagt Hollstein und lädt zur Probefahrt.

Zunächst mit einem Rad von "Flyer": grundsolider Eindruck, eher gemütlich, E-Motor in der Mitte und rund 2000 Euro teuer. Der Motor schiebt bis Tempo 25 mit, darüber muss man richtig treten, weil das Rad schwer ist. Wie eine geheimnisvolle Kraft arbeitet der Antrieb tatsächlich, ein Gefühl wie ganz früher mit dem ersten Rad und Stützrädern, als Papa geschoben hat.

Dann holt Hollstein ein "Stromer"-Rad hervor: Schweizer Produktion, mattschwarz, kernig, zornig. Irgendetwas zwischen Rennrad und Mountainbike. Und ein 500-Watt-Motor am Hinterrad. Wenn man bedenkt, dass ein Mensch etwa 100 Watt Leistung einsetzt, um ein Rad auf 15 Stundenkilometer zu bringen, ist das schon heftig. Bis Tempo 45 und mehr schiebt der Antrieb mit - wenn man tritt. Dafür sind dann Mofaführerschein, Versicherung und Schild Pflicht. Und man weiß auch nach wenigen Metern, warum: Schnell ist das Rad, und trotzdem kann der Radler richtig mitarbeiten, perfekt rastet die Shimano-Schaltung ein. So schafft man sonst einen sportlichen Schnitt von nahezu Tempo 30 - jetzt saust der "Stromer" mit fast 50 dahin, 60 bis 80 Kilometer weit hält der Akku. Ein Kraftbolzen ist das Rad, immerhin fast 3500 Euro teuer. Aber man spart zum Pendeln den Zweitwagen.

Eine ganz andere Art des Pendler-Rades bewerben zurzeit der Hamburger Verkehrsverbund und der Fahrradclub ADFC: das Tern Link D8, ein nur gut 13 Kilogramm leichtes Faltrad. Auf dem Bahnsteig lässt es sich ruck, zuck klappen und gilt in der Bahn dann als Gepäckstück, das auch in den Stoßzeiten mitgenommen werden darf. Auf der Straße bietet es ein agiles Verhalten, sauber rasten die acht Gänge ein und lassen sportliches Fahren zu.

Technisch ausgefeilte Lösungen setzen sich aber auch sonst immer mehr durch: Längst gibt es für Rennräder elektronische Schaltung, der Hersteller Kalkhoff hat in diesem Jahr ein rollendes Fitnesscenter im Programm. Über die Herzfrequenz werden dabei die Gänge geschaltet, so bleibt man stets in einem vorgewählten Pulsprogramm.

Jenseits der Technik kommt aber auch ein Retrostyle in die Gänge. Nachbauten von 50er-Jahre-Rennrädern oder das gute alte Hollandrad mit Ballonreifen und nur zwei Gängen glänzen heute wieder auf Radmessen. Wer vorne radeln will, kauft sich ein Rennrad. Je leichter, desto angesagter. Nur noch sieben Kilogramm sind heute die neuen Carbon-Räder schwer. Jedes Gramm weniger kostet etwa ein Euro mehr, sagt Matthias Niemann, Verkaufsleiter bei Radsport von Hacht in Hoheluft. "Dennoch kaufen heute neun von zehn Kunden solchen Vollcarbonräder", sagte er. Was nicht verwundert: Das Radeln wird so zum Fliegen, fast jedenfalls.

Wie schön, dass der Winter bald vorbei ist.