30 Männer und drei Frauen erlernten auf dem Gutshof Wulksfelde bei Tangstedt einen Sonntag lang die Kunst des Wurstens. Jan Haarmeyer schaute ihnen über die Schulter

Männer tragen Schürzen/Männer essen ständig Fleisch/Männer können würzen/Männer haben in der Küche ganz viel Zeit/oooh, Männer mögen zu viel Fett nicht/Männer sind in der Küche einfach unersättlich."

Hätte Herbert Grönemeyer 1984, als er den deutschen Männern seine Hymne widmete, gewusst, was sich fast drei Jahrzehnte später in der Gutsküche Wulksfelde ereignet, wäre dem Bochumer Hit-Komponisten vielleicht solch eine Strophe über die neuen Kerle am Herd eingefallen. Doch wer konnte vor knapp 30 Jahren ahnen, dass sich im Februar 2013 auf einem Bio-Bauernhof in Tangstedt vor den Toren Hamburgs 30 Männer (und drei Frauen) aus ganz Deutschland einen Sonntag lang lustvoll in der Großküche tummeln, um die Kunst des Wurstens zu erlernen.

"Heute geht's um die Wurst" steht auf der großen schwarzen Tafel, die sich in ganzer Länge über den Tresen der offenen Küche spannt. Darunter liegen: ein trocken gereiftes Hausschwein, ein frisch geschossenes Wildschwein sowie zwei Texel-Schafe. Insgesamt 90 Kilo Fleisch, aus denen im Laufe des Nachmittags drei verschiedene Wurstsorten werden sollen - knapp 1000 Würste also, die am Ende des Events von den Teilnehmern gemeinsam verspeist oder eingeschweißt mit nach Hause genommen werden.

Doch zuvor gibt es erst einmal eine Führung mit Matthias Gfrörer, 34. Der fröhliche Küchenchef der Gutsküche lädt zum halbstündigen Rundgang über den Bio-Hof, um den Gästen entspannte Schweine vorzuführen. 285 rosafarbene Tiere in allen Größen können hier noch "ungestört Schwein sein". Sie haben viel Bewegung, können ihren Wühltrieb ausleben oder sich im Stroh dicht an dicht kuscheln. Zumindest sechs Monate lang, dann geht es ein paar Kilometer weiter nördlich nach Todesfelde (!) zum Schlachter.

"Bei der Massentierhaltung wird ein Schwein viermal schneller aufgezüchtet als auf dem Bio-Hof, wo zudem das Futter und die Stallhaltung doppelt so teuer sind", sagt Gfrörer. Sein Credo: Der Verbraucher hat es selbst in der Hand, was jeden Tag auf den Teller kommt. Das Bio-Fleisch sei natürlich teurer, aber man müsse ja auch nicht jeden Tag Fleisch essen. Warum denn nicht nur zwei- oder dreimal in der Woche? Und das dann als richtiges Fest zelebrieren?

So wie heute. Schürze um, Messer in die Hand - und los geht's. Unter der Anleitung von Matthias Gfrörer beginnen die Männer die Fleischberge zu zerkleinern, Knorpel und Knochen zu entfernen und die Massen dann, je nach Rezept, mit Salz, Pfeffer, Chili, Ingwer, Koriander, Knoblauch, Estragon, Zwiebeln oder vorbereitetem Gemüse in großen Kisten per Hand kräftig durchzumischen.

Warum sie sich das antun? Gert Hahne ist Beamter aus Hannover, außerdem Jäger, Schafhalter und Hobbykoch. "Die Wurst wird immer belächelt", sagt er, "dabei ist sie die Kür der Fleischzubereitung." Ihn interessieren die Arbeitsschritte "vom kompletten Tier zur Bratwurst, also vom Größten zum Kleinsten". Und er hat sich fest vorgenommen, zukünftig auch zu Hause seine eigene "Premium-Bratwurst" herzustellen.

Das wollen sie alle. Sagen sie. Angelika Regenstein, 65, glaubt das nicht. Sie ist eine von drei Frauen, die heute in der Männerrunde dabei sind. Sie amüsiert sich ein bisschen über die Kerle vor den Säuen, die um das Fleisch "wie um die elektrische Eisenbahn" herumstehen. "Ich sage Ihnen, höchstens zehn Prozent von den Männern werden daheim später ihre eigene Wurst herstellen." Sie und ihr Mann sind begeisterte Angler und essen schon jetzt nur noch Fisch, den sie selbst gefangen haben. Nun will sie das Wursten lernen, "um nicht irgendwann Pferdefleisch in meiner Wurst zu haben".

Dass die Menschen vermehrt wissen wollen, was sie wirklich auf dem Teller haben, gefällt auch Jan Spielhagen. "Diese Veranstaltung ist der passende Gegenentwurf zum Pferdefleisch-Skandal", findet der groß gewachsene Hamburger. Jan Spielhagen ist Chef von "Beef". Und "Beef" ist für die 30 Hobby-Köche in der Gutsküche, und für mittlerweile 60.000 Käufer im Lande, längst Kult. Seit vier Jahren erklärt der 41-Jährige den deutschen Männern viermal im Jahr mit seiner sechsköpfigen Redaktion auf Hochglanzpapier, wo es das beste Steak der Welt gibt, welches die 25 Käsesorten sind, die ein Mann einmal in seinem Leben gegessen haben muss, und wie man ein Vier-Gänge-Menü mit Kaninchenkeule, Gänsebrust, Beinscheibe von Rind und Kürbis hinbekommt.

Mit einem Augenzwinkern kategorisiert Jan Spielhagen Frauen und Männer am Herd. "Frauen kochen, weil sie müssen. Das muss schnell gehen, günstig sein und sich am Abend noch einmal aufwärmen lassen", sagt er. Und Männer? "Die kochen, weil sie wollen. Das kann teuer sein, ungesund und ausschweifend."

Was auch stimmt: Frauen schenken Männern gerne die Teilnahme an solchen Veranstaltungen. Fast jeder Mann ist heute dabei, weil er das 159 Euro teure Beef-Seminar von seiner Liebsten zu Weihnachten geschenkt bekommen hat. Dafür kann er am späten Nachmittag auch die restlichen Schritte: die Wurstmassen oben in den Fleischwolf hinein, den dünnen Naturdarm auf den Wurstaufsatz auffädeln, das Fleisch in die Darmhülle pressen und dann rund zehn Zentimeter lange Portionen abdrehen. Fertig ist die Wurst.

Und wäre Herbert Grönemeyer Zeuge dieser Fleisch-Schau gewesen, würde er den Männern womöglich noch eine Strophe widmen: "Männer lieben Messer/Männer haben ständig Durst/Männer kochen immer besser/Männer können jetzt auch Wildschweinwurst."