Hamburg. „Über sieben Brücken mußt Du gehn“ ein Maffay-Song? Original stammt von Karat und durfte auch in der Laeiszhalle nicht fehlen. Was noch passierte.

Vor dem ersten Ton des mit Abstand bekanntesten Liedes seiner Band hat Claudius Dreilich (54) noch eine Botschaft. Und man spürt, wie wichtig sie ihm ist: „Das Original ist von uns“, ruft der Sänger. Sekunden später verwandelt sich das Publikum in der fast ausverkauften Laeiszhalle in einen gigantischen Chor.

„Über sieben Brücken mußt Du gehn“ zählt ohne Frage zu den bekanntesten Liedern der jüngeren deutschen Vergangenheit. Als sich Bundespräsident Joachim Gauck 2017 verabschiedete, stand auch dieses Lied auf seinem Wunschzettel für den Großen Zapfenstreich.

Karat in Hamburg: Kein One-Hit-Wonder – aber Inspiration für viele

Die Liste der Interpreten, die sich an Cover-Versionen versucht haben, dürfte fast so lang sein wie dieser Artikel. Vicky Leandros, Heino, Matthias Reim, ja selbst René Kollo wagten sich an das 1978 erschienene Karat-Werk über Liebe, Kummer und Zuversicht. Peter Maffay adaptierte den Song bereits wenige Jahre später – übrigens mit ausdrücklicher Genehmigung der Band. Inzwischen hat Maffay dieses Lied so oft gespielt, dass viele seiner Fans glauben, er habe es geschrieben.

Und doch ist Karat alles andere als eine One-Hit-Wonder-Band. Und auch keineswegs eine reine Ostrock-Formation. Im geteilten Deutschland erreichten die Alben „Albatros“ und „Der Blaue Planet“ in der Bundesrepublik Goldstatus. Die DDR-Oberen waren so stolz auf den Erfolg beim Klassenfeind, dass Karat schon ab 1977 regelmäßig im Westen auftreten durfte.

Vor allem die Stimme von Herbert Dreilich, mal rau, mal melancholisch, elektrisierte die Fans. Der gelernte Schaufenstergestalter hatte sich das Gitarrespielen selbst beigebracht. Nach seinem frühen Krebstod im Dezember 2004 mit gerade 62 Jahren schlüpfte sein Sohn Claudius, zuvor Ikea-Manager, in die Rolle des Leadsängers. Das Konzert in der Laeiszhalle zeigt erneut, dass die Band keinen besseren Nachfolger hätte finden können. Dreilich jr. ähnelt dem Vater von der Stimmlage bis zu den Bewegungen auf der Bühne auf fast unheimliche Weise. Das Lied „Mich zwingt keiner auf die Knie“ widmet er seinem Papa, bei der Textzeile „Möchte wissen, wo meine Freunde sind“ winken viele Karat-Ultras und rufen „Hier“.

Karat in der Elbphilharmonie – Konzert im März 2025 bereits ausverkauft

Mit einer ausgedehnten Tour wird die Band im kommenden Jahr ihr 50-jähriges Bestehen feiern, das Konzert in der Elbphilharmonie am 2. März ist bereits ausverkauft. Von den Gründungsmitgliedern ist niemand mehr dabei, auch die altgedienten Karat-Musikanten Michael Schwandt (Schlagzeug, seit 1976) sowie Christian Liebig (Bass, seit 1986) gingen Anfang 2023 von Bord. Und zumindest der Abgang von Liebig zeigt, dass die Band in den vergangenen Jahren einen internen Brückenbauer durchaus hätte gebrauchen können.

Band Karat
Ausgelassene Stimmung in der Laeiszhalle  in Hamburg. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Liebig klagte gegen seinen Rauswurf, Dreilich jr. habe über Jahre gegen ihn intrigiert. „Er sagte zu anderen, dass meine Leistungen immer schlechter werden und man gute Bassisten an jeder Ecke finden würde“, sagt Liebig. Er sei gemobbt worden, man habe alles versucht, um ihn als „trottelig und vergesslich“ darzustellen. Die Kollegen wiederum warfen Liebig vor, er habe öffentlich von sektenähnlichen Zuständen bei der Band gesprochen. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich.

Schlager-Ikone zu Gast bei Karat in Hamburg – Mary Roos gibt sich die Ehre

Was sich damals wirklich in den Proberäumen abspielte, wissen nur die Beteiligten. Doch zur Wahrheit gehört eben auch, dass die neuen Mitglieder Heiko Jung (Schlagzeug) und Daniel Bätge (Bass) mit den altgedienten Karat-Musikern Bernd Römer (Leadgitarre) und Martin Becker (Keyboard) den perfekten Soundteppich für Claudius Dreilich weben.

Und die Band weiß, dass ihre Fans vor allem den Soundtrack ihrer Jugend hören wollen, also Lieder wie „Der blaue Planet“ oder „Albatros“. Zwischen den Songs hat Dreilich noch Luft nach oben, Fragen ins Publikum, ob man die nächste Anmoderation in einer langen oder kurzen Version hören möge, könnte er sich auch schenken. Aber egal: Die Zuschauer feiern Karat mit Ovationen. Unter ihnen auch Schlager-Ikone Mary Roos, auf deren Besuch Dreilich mächtig stolz ist: „Sie ist eine Freundin.“

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