Hamburg. Der Abend beweist auch dank der jungen Band, wie frisch und zeitlos die einmalig gut geschriebenen Songs sind. Nur eine fehlt trotzdem.

Die Eurythmics waren Anfang der 1980er-Jahre ihrer Zeit voraus. Ein liebenswert verstruwwelter Gitarrist mit Sonnenbrille, eine Sängerin mit roter Ultrakurzhaarfrisur, androgyn im Herrenanzug. Dazu verführerischer Synthie-Pop und diese Stimme! Längst sind die Eurythmics eine lebende Legende. Dave Stewart, der Gitarrist, ist auch mit Anfang 70 noch ein gefragter Songschreiber und Produzent – Sängerin Annie Lennox tritt trotz erfolgreicher Solokarriere leider nur noch selten auf.

Für sein – von Lennox abgesegnetes – Open-Air-Konzert mit Eurythmics-Songs im Hamburger Stadtpark musste sich Stewart also behelfen. Und so stehen nun fünf Musikerinnen und eine Sängerin mit ihm auf der Bühne, die alle seine Töchter sein könnten. Die verblüffende Besetzung erweist sich aber als ebenso klug wie konsequent. Schließlich lieben auch die 20-Jährigen weiterhin die Musik der Eurythmics. Das Duo weitete damals schon mit weiblicher Power die Grenzen des Pop.

Eurythmics-Hits im Stadtpark Open Air: Alles glitzert, Dave Stewart plaudert

Seine „Cover“-Band hat sich Stewart zwischen Australien und London zusammengesucht. Jetzt glitzern ihre knappen und engen Kostüme mit seinem silbrigen Anzug um die Wette. „Sie können alle Instrumente spielen“, sagt ein zum Plaudern aufgelegter Dave Stewart, der sich in der Rolle des Talentförderers sichtlich gefällt. Die Band enttäuscht ihn nicht. Mit „Missionary Man“, „I Need A Man“ und „Who’s That Girl“ geht es dynamisch los. Vor allem die Australierin Vanessa Amorosi überzeugt mit ihrer kraftvollen Soul-Stimme.

Dave Stewart
Dave Stewart und Vanessa Amorisi beim Stadtpark Open Air. © FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Weitere Musikerinnen glänzen an Schlagzeug, Keyboard, Bass, Saxofon und Harmonika. Das Saxofon war in den 1980er-Jahren ein beliebtes Instrument, das meist für eher schwül-sinnliche Stimmung sorgte. Stewart und Lennox setzten es niemals süßlich ein. Stewart findet auch an diesem Abend zu einem smarten Dialog mit einer jungen Saxofonistin in der Interpretation seines Hits „Lily Was Here“, den er einst mit Candy Dulfer einspielte.

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Lässig lässt er sich fünf verschiedene Gitarren im Wechsel bringen, akustische wie elektronische. Galt er früher als der Introvertierte des Duos, gibt er sich an diesem Abend nahbar, tritt immer wieder auf den Rasen und sucht Kontakt zum Publikum. „Die meisten Songs haben wir in 30 Minuten geschrieben“, offenbart er. Nach einer etwas schleppenden Phase mit getragenen Songs wie „Miracle Of Love“, dreht die Band noch einmal mächtig auf. „I Want It All“ und „Sisters Are Doin‘ It for Themselves“ versetzen auch das nicht ganz ausverkaufte Rund des Stadtparks in Euphorie. Gelegentlich wird ehrfürchtig mitgesungen.

Natürlich gibt es auch Lieder, die bei diesem Songbook-Abend, bei dem Hit auf Hit folgt, schmerzlich fehlen, etwa das frühe „Take Me To Your Heart“. Zum absoluten Höhepunkt gerät jedoch eine aparte Synthie-Version des Überhits „Sweet Dreams (Are Made Of This)“. Es ist ein Abend, der dank dieser jungen Band den Beweis antritt, wie frisch und zeitlos diese einmalig gut geschriebenen Songs sind. Aber ach, alle können noch so gut abliefern. Annie Lennox vermisst man mit ihrer einzigartigen Präsenz natürlich trotzdem.