Hamburg. Die aktuellen Buchtipps anlässlich des Ferienstarts – Bücher für Strand und Balkon: Wir haben die gefragt, die sich wirklich auskennen.
Spüren Sie es in den Gliedern, in allen Fasern ihres erholungsbedürftigen Körpers? Steigt die Vorfreude? Bald fängt der Urlaub an, endlich. Die Schulferien stehen vor der Tür. Flüge und Züge sind gebucht, die Sehnsuchtsorte ozeanischer Sommerfrische warten, diese Wohlfühlorte unter dem Sonnendach der Welt, Spanien, Italien, Griechenland, St. Peter-Ording (doch, auch dort scheint mal die Sonne).
Sonnenmilch, Sonnenhut, Badebuxe. Wird alles eingepackt. Aber Netflix schön zu Hause lassen. Das taugt nicht am Strand. Im Urlaub hat man endlich Zeit, mal wieder ein Buch zu lesen. Bloß welches? Wir haben die gefragt, die es wissen müssen: die Hamburger Buchhändlerinnen und Buchhändler.
Alexandra Kröger von der Buchhandlung Seitenweise in Hamm hat einen Hamburg-Lesetipp – Paula Irmschlers „Alles immer wegen damals“ (dtv, 24 Euro): „Seit Jahren spricht Karla nicht mehr mit ihrer Mutter Gerda. Nun sind die anderen drei Geschwister auf die Idee gekommen, ihnen einen gemeinsamen Wochenendtrip nach Hamburg zu spendieren, um die beiden sehr unterschiedlichen Frauen wieder zueinanderfinden zu lassen. Was zwischen den beiden vorgefallen ist, darüber lässt die Autorin den Leser im Ungewissen, im Mittelpunkt des Romans stehen die Annäherung zwischen der pragmatischen, unsteten Gerda und der desillusionierten, vom Leben überforderten Karla. Das ist mitunter hinreißend witzig bis tragikomisch und erfrischend unpathetisch.“
Christiane Hoffmeister vom Büchereck Niendorf-Nord schlägt als Strandlektüre Chris Whitakers „In den Farben des Dunkels“ (Piper-Verlag, 24 Euro) vor: „Ein bisschen mehr als der übliche Krimi. Dies ist auch ein Buch über bedingungslose Freundschaft und Menschlichkeit. Der 13-jährige Patch wird entführt und über 300 Tage in völliger Dunkelheit gefangen gehalten. An seiner Seite Grace, die ihn durch ihre Gespräche und Berührungen am Leben hält. Doch gibt es sie wirklich, ist sie nicht nur ein Hirngespinst? Sein ganzes Leben wird Patch die Suche nicht aufgeben. An seiner Seite seine beste Freundin Saint, die fest an ihn glaubt. Extrem spannend und berührend zugleich.“
Hamburger Buchhändlerinnen und Buchhändler: Das sollten Sie am Strand oder auf dem Balkon lesen
Bettina Meyer vom Buchladen in Neugraben empfiehlt Christoph Wortbergs „Gussi“ (dtv, 24 Euro): „In Christoph Wortbergs Romanbiografie lernen Sie die beeindruckende zweite Ehefrau Konrad Adenauers kennen, Auguste Zinser. Kurz nach dem Ersten Weltkrieg verheiratet sie sich mit dem 20 Jahre älteren, verwitweten Politiker und zieht fortan seine und ihre gemeinsamen Kinder groß. Es ist eine Ehe voll Achtung und Liebe, aber auch mit Schwierigkeiten, da sie beide unterschiedliche Persönlichkeiten haben. Schwere Schicksalsschläge treffen Gussi und ihre Familie, als die Nationalsozialisten an die Macht kommen. Für ihren Suizidversuch im Jahre 1944 sind die Grausamkeiten des Regimes und der Wunsch nach Standhaftigkeit und Widerstand verantwortlich. Vier Jahre später lässt sie auf dem Sterbebett die Szenen ihres Lebens vorüberziehen. Ein wirklich großartiger, berührender und auf der ganzen Linie lohnender Roman!“
Daniela Dobernigg von der Buchhandlung Cohen + Dobernigg im Karolinenviertel ist von Liz Nugents „Seltsame Sally Diamond“ (Steidl-Verlag, 26 Euro) so sehr angetan, dass sie dem Titel viele Sommerleserinnen und -leser wünscht: „Als ihr Adoptivvater kurz vor ihrem 43. Geburtstag stirbt, nimmt Sally Diamond ihn (wie immer) beim Wort: Sie versucht, ihn mit dem Müll zu verbrennen. So wie er es ihr gesagt hat. Ein Fehler, denn nun interessieren sich plötzlich alle für die seltsame Frau, die sich gerne taub stellt, wenn sie unter Menschen geht und am liebsten für sich bleibt. Warum? Das weiß Sally nicht. Noch nicht. Auch wenn dieses exzellente Buch sehr dunkle Seiten hat: Ich würde es sofort noch einmal lesen!“
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Susanne Sießegger von der in Ottensen beheimateten Buchhandlung Christiansen empfiehlt Ann Patchetts „Der Sommer zu Hause“ (Berlin-Verlag, 26 Euro): „‚Der Sommer zu Hause‘ spielt zur Zeit der Corona-Pandemie: Lara und Joe haben eine Obstfarm in Michigan, und die Erntezeit steht an. Die drei erwachsenen Töchter des Paares kommen zurück auf die Farm, um bei der Ernte zu helfen. Während des Pflückens und Sortierens erzählt Lara ihren Töchtern die Geschichte, wie sie und Joe sich kennengelernt haben und warum sie ihre Karriere als Schauspielerin aufgegeben hat. Und lüftet endlich das Geheimnis um ihre Liebesaffäre mit dem inzwischen weltberühmten Schauspieler Peter Duke... ‚Der Sommer zu Hause‘ beschreibt, wie wichtig Familie und Freunde sind, besonders in schwierigen Zeiten. Ein herrlich eskapistischer und doch in unserer Zeit verwurzelter Sommerroman.“
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Torsten Meinicke vom Buchladen Osterstraße ist von Elmore Leonards „Letztes Gefecht am Saber River“ (Liebeskind, 22 Euro) angetan: „1865, kurz vor dem Ende des Amerikanischen Bürgerkrieges. Der nach einer Verletzung ausgemusterte Konföderierten-Veteran Paul Cable kehrt mit Frau und Kind auf sein Land zurück. Doch das haben sich bereits ein paar Yankees unter den Nagel gerissen. Dieser literarische Western bietet ein geradezu klassisches Setting: Ein Mann kämpft um sein Land, zwielichtige Schurken mit dem Finger am Abzug, gleich drei starke Frauenfiguren, ein tolles Cover. ‚Rauchende Colts‘ vom Krimi-Altmeister Elmore Leonard (‚Schnappt Shorty‘). Ja, es kommt zum Showdown, aber erst, nachdem Paul Cable seinen moralischen Kompass richtig ausgerichtet hat. Im Original bereits 1959 erschienen, ist dieser tolle Roman jetzt endlich auch auf Deutsch zu lesen. Und das ist großartig! Western ist doch auch irgendwie Krimi, nur 150 Jahre früher.“
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Alexandra Jantz von der Buchhandlung Frau Büchert empfiehlt Sebastian Stuertz‘ Roman „Da wo sonst das Gehirn ist“ (btb, 13 Euro): „Gerade rechtzeitig als Taschenbuch erschienen, passend für den Urlaubskoffer: Dieser großartige, rasante Roman ist aus der Sicht von Teenagertochter Alina erzählt. Deren alleinerziehende Mutter verliebt sich auf dem Elternabend der neuen Schule ausgerechnet in den Vater des Klassennerds, was für Alina nicht gerade hilfreich ist. Die Geschichte nimmt die kuriosesten Wendungen, lässt uns herzlich lachen und ist gleichzeitig tief berührend. Ein Familienroman der etwas anderen Art, perfekt für die Ferien!“
Wera Meier, Buchhändlerin bei Heymann in Eidelstedt, legt allen Sommerfrischlern Virginia Hartmans „Tochter des Marschlands“ (Heyne, 22 Euro) ans Herz: „Die passende Urlaubslektüre, wenn man sich nicht zwischen Krimi, Familiendrama und Liebesgeschichte entscheiden kann. Loni kehrt aus Washington in ihre kleine Heimatstadt im Marschland Floridas zurück, um ihre Mutter zu pflegen. Dort kommen Erinnerungen an ihren früh unter mysteriösen Umständen verstorbenen Vater hoch. War es wirklich ein Unfall? Wer verheimlicht was? Spannend bis zum Schluss, mit wunderschönen Schilderungen der Fauna und Flora des Marschlands.“
Pascal Mathéus von der Buchhandlung Wassermann an der Elbchaussee mag es sportlich – und die Erzählung „16:0“ (Transit-Verlag, 18 Euro) von Dietmar Sous: „Den höchsten Sieg aller Zeiten hat die deutsche Fußballnationalmannschaft bei der Trostrunde des olympischen Turniers 1912 gegen Russland eingefahren. Dietmar Sous hat eine herrlich ironische Erzählung aus dem Stoff gemacht. Ein Blick in das späte Kaiserreich – nicht nur für Fußballfans.“