Hamburg. Besonders kleine und mittelgroße Bands haben es laut der Hamburger Künstlerin schwer. Sie rechnet vor und plant Konsequenzen.
Einmal vor 150, 200 Menschen auf der Bühne spielen: Davon träumen viele Musikerinnen und Musiker, wenn sie noch Proberaumratten sind. Was nicht ist, kann noch werden. Aber man sollte frühzeitig anfangen zu sparen: Es wird ein teurer Spaß. Livekonzerte zählten lange Zeit als letzte große Einnahmequelle, während Tonträger-Umsätze einbrachen und Streaming-Gewinne vom Management mit Kleingeldrollen ausgezahlt wurden. Aber spätestens seit der Pandemie häufen sich die Berichte aus dem Popgeschäft, dass sich Tourneen und selbst Einzelkonzerte und Heimspiele nicht mehr lohnen, wenn man kein Phänomen wie Taylor Swift ist, die mit der „The Eras Tour“ mehr als eine Milliarde Euro einnehmen wird.
Ein Beispiel aus Hamburg ist die Musikerin und Theaterregisseurin Catharina Boutari, seit bald 25 Jahren nicht nur in Hamburg präsent als Solistin und mit den Bands Uh Baby Uh, Puder und Sir Bradley, als Labelchefin von Pussy Empire Recordings oder Leiterin von Musik- und Theaterprojekten für Jugendliche. Eine von Tausenden Idealistinnen und Idealisten, die für die Basis der Popkultur (nicht nur) in Hamburg stehen, die ausprobieren, vermitteln, vernetzen wollen und dafür auch kleine Bühnen brauchen.
Konzert in Hamburg: Catharina Boutari rechnet Kosten für einen Liveauftritt vor
Jetzt schreibt Boutari auf dem Musik- und Technik-Portal Bonedo, und ihr Beitrag wird auf Social-Media-Plattformen heftig diskutiert und geteilt. „Liebe Clubs, es war schön mit euch, doch jetzt muss ich auf zu neuen Ufern“, heißt es da. „Denn im Club zu spielen, kann ich mir nicht mehr leisten.“ Und dann rechnet Boutari genau vor, was sie ihr letztes Konzert in einem kleinen Hamburger Club, den sie in ihrem Artikel nicht namentlich nennt, zum Release des neuen Puder-Albums „Aha. Ok. Let‘s Surf The Planet“ gekostet hat. Nachdem sie Werbung geschaltet und gepostet und Newsletter geschrieben und bei jeder Gelegenheit Mundpropaganda verbreitet hatte („Ich arbeite mir wochenlang den Arsch ab“), ist endlich der Tag des Konzerts gekommen.
„Hundert Personen finden den Weg in den Club und sind begeistert. Die Live-Visuals sind laut Publikum Next-Level-Shit. Ich kann hinterher kaum mehr geradeaus gucken, bin aber froh, dass es so gut gelaufen ist. Bis es zur Abrechnung kommt“, schreibt sie und zählt auf: 1180 Euro wurden durch Eintrittsgelder eingenommen. Gekostet hat sie der Abend allerdings 2100 Euro: 700 Euro Clubmiete inklusive Tontechniker und Barpersonal (der Getränkeumsatz ging an den Club), 1250 Euro für die vier von ihr engagierten Musikerinnen und Musiker und die Visual-Betreuung sowie 150 Euro für GEMA und Künstlersozialkasse. Ein sattes Minus. „Von dem Geld hätte ich in den Urlaub fahren können. 10 Tage Vorsaison wären safe drin gewesen.“
Gestiegene Kosten für Livemusik: Auch größere Bands zahlen bei Tourneen kräftig drauf
„Klar, es sind zu wenig Leute gekommen, um zumindest mit einer schwarzen Null aus dem Abend zu gehen“, sagt Boutari im Abendblatt-Gespräch. „Und ich will niemanden dissen mit dem Artikel, sondern einfach nur ein Beispiel dafür geben, wie immer mehr Abende für kleine Bands und Newcomer ablaufen werden.“ Das im Pop lang bekannte Prinzip „pay to play“ (zahlen, um zu spielen) beschreibt eigentlich den bei vielen Clubs üblichen Zwang für die Bands, einen Mindestanteil der Karten vorab selber zu bezahlen und zu verkaufen. Mittlerweile wird „pay to play“ aber zur grundsätzlichen Daseinsbeschreibung: Bands zahlen, um live zu spielen, und vor allem zahlen Bands kräftig drauf, um live zu spielen. Der britische „Guardian“ hat Tourbudgets von zwölf bekannten, mittelgroßen Bands (800 bis 1500 Besuchende pro Konzert) ausgewertet: Elf davon mussten nach der Tour mehrere Tausend Pfund Verlust hinnehmen.
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Energie, Technik, Gastro, Reise, Unterbringung, Fachkräfte, Hilfskräfte: Die Kosten im Livesektor sind extrem gestiegen, Konzertagenturen vermeiden „Risiko-Bookings“, und die Clubs arbeiten mit Festmieten, überlassen aber die Werbung den Bands. Jedoch kommen durch geändertes Ausgehverhalten und höhere Lebenshaltungskosten weniger Fans als früher. Die Kosten für kleine Bands steigen immer weiter, und es gibt keine Chance, das auszugleichen.
„Vielleicht brauchen kleine Popkonzerte ähnlich wie im Klassik-Bereich staatliche Fördermittel, um überlebensfähig zu sein“, sagt Catharina Boutari. Die Alternative beschreibt sie überspitzt in ihrem Artikel: „Ich gebe mein nächstes Konzert im Frisörsalon. Guerilla Gig. Gesangsanlage, Diskoampel (hab ich zum 12. Geburtstag bekommen) und Drinks vom Kiosk nebenan. Limitierte Tickets. Der genaue Ort wird erst zwei Stunden vorher bekannt gegeben. Das wird was. Kommt vorbei.“