Hamburg. Fettes Brot, 25.000 Fans und zahlreiche Gaststars feierten das erste von zwei Abschiedskonzerten auf der Trabrennbahn.
Auch wer mit Fettes Brot nie etwas anfangen konnte („Du hast nicht die leiseste Ahnung, kennst uns nur von Hörensagen“), muss zugestehen: König Boris, Dokter Renz und Björn Beton haben in den vergangenen 30 Jahren Großes für den HipHop geleistet. Zusammen mit Fischmob, den Beginnern, Samy Deluxe, Eins Zwo, Fünf Sterne Deluxe und den frühen Deichkind packten sie Hamburg auf die Karte. Klar, aus der Sicht heutiger harter Jungs wie Disarstar oder 187 Strassenbande war und ist Fettes Brot humoriger Intellektuellen-Rap für den Mittelstand. Aber sie haben das Feld in den 90ern mit bestellt, das die aktuelle Generation gerade erfolgreich aberntet.
Daher darf Fettes Brot jetzt auch gehen. Auf dem Höhepunkt des Erfolges eigentlich, denn ein wirkliches Tief gab es eigentlich nie. „Was uns immer gut gefallen hat, war die Idee, ein selbstbestimmtes Ende zu finden, statt irgendwann auf ein komplett desinteressiertes Publikum zu stoßen“, erzählte König Boris im Abendblatt-Interview die Beweggründe, die Totenkopf-Kassetten-Fahne mit einer Abschiedstour einzurollen.
Fettes Brot: 25.000 haben sich durch den Feierabendverkehr bequemt
Von einem desinteressierten Publikum ist jedenfalls nicht die Spur zu sehen am Freitag bei „Brotstock“ auf der Bahrenfelder Trabrennbahn, dem vorerst vorletztem Konzert der Bandgeschichte. 25.000 haben sich durch den Feierabendverkehr bequemt, um Abschied zu nehmen. Am Sonnabend kommen weitere 25.000 für das finale Finale. Die Behörden zetteln übrigens Dutzende Falschparker im Volkspark ab, da sag einer Kultur spüle kein Geld in die Stadtkasse.
Und es geht gleich gut los: „Es ist 1996, meine Freundin ist weg und bräunt sich in der Südsee (allein?). Ja, mein Budget war klein (na fein). Herein, willkommen im Verein“, singen, schreien, rappen die Drei auf der Bühne und die Meute davor unisono. „Was habt ihr heute Abend vor?“ Einiges! Gleich mal den größten Hit „Jein“ als Öl in das Feuer der Emotionen gießen, gefolgt von „Der beste Rapper Deutschlands ist offensichtlich ich“, einem Mash aus „Erdbeben“ und Blurs „Song 2“ und „Rock Mic’s“. Heimspiel, der volle Alarm, „Hamburg Calling“. Wieviel Arme sollen in der Luft sein? Ja! „Wir streicheln die Luft!“ Nicht schlecht „für eine Schülerband aus dem Kreis Pinneberg“, lobt sich König Boris und wirft Blumen in die Menge.
„Beide Tage pumpen wir für euch unsere Super Show“
Auffällig ist, dass das Songprogramm, das die Liveband und DJ exel.Pauly über die Pferderennbahn galoppieren lassen, sich kaum vom Tourauftakt im April in Rostock unterscheidet. Dabei hatten die „drei Hamburger mit ´nem Monsterbass“ am vergangenen Montag und Dienstag noch ein Trainingslager mit zwei Clubkonzerten in der Markthalle absolviert. „Beide Tage pumpen wir für euch unsere Super Show, aber – psssssst –, unsere wechselnden, jeweiligen Spezial-Gäste und -Attraktionen bleiben streng geheim“, versprachen KönigRenzBeton vorab.
„Liebes Hamburg, wie viel Traurigkeit ist heute angesagt? 20 Prozent reichen“, bestimmt König Boris. Party hard. Also, wo bleibt der „Flash Miller 2000“, wo sind die Spinner, die als Poster in unserem Zimmer hingen? „Wär das nicht derbe?“ Im vorab verschwiegenen Vorprogramm wurde jedenfalls schon fett aufgefahren: Großstadtgeflüster, Deine Freunde, Fatoni, Antilopen Gang und Tocotronic. „Brotstock“ - ein Festival auf der „Raptrennbahn“.
Renz, Boris und Beton fangen den Applaus in einem Einmachglas ein
Bitte ziehen sie durch. Das Programm schlenkert weiter durch drei Jahrzehnte. „Da draussen“, „Spitzer Stein“ - und dann kommen sie für „Nordish By Nature“: Der Tobi, das Bo, wohoohoo. Jetzt kann das Stimmungsbarometer, die Party nur noch steigen, auch weil das beim Tourauftakt in Rostock doch irritierende Punkrock-Intermezzo gestrichen wurde: „Emanuela“, „Das letzte Lied auf der Welt“ und „Brot weint nicht“ überführen in den langen Zugabenteil.
Alles hat ein Ende nur Fettes Brot hat zwei, auf der Trabrennbahn. Renz, Boris und Beton fangen den Applaus in einem Einmachglas ein. Für schlechte Zeiten. Und dann geht es richtig ab: Kraftklub, die ihre erste große Tour als Support von Fettes Brot abrissen, schießen mit drei Songs drei Schüsse in die Luft. Fettes Brot übernimmt den Staffelstab mit „Echo“, „An Tagen wie diesen“ (mit Pascal Finkenauer), „Können diese Augen lügen“, „Kannste kommen“ und „Bettina, bitte zieh dir etwas an“. Außen Tophits, innen Geschmack.
Fettes Brot: Dokter Renz hat Hochwasser in den Augen
„Schwule Mädchen“ wird von den Fans lange nachgesungen, Dokter Renz hat Hochwasser in den Augen. Vicky Leandros liebt vom Band das Leben. Putzlicht geht an. Ist das das Ende vom Trio Grande? Nein, nach fünf Minuten kommen sie noch mal zurück: „Das Publikum war heute wieder wundervoll“, intonieren sie nach 140 Minuten, „die Show muss weitergehen, auf Wiedersehen.“ Da bleibt nur noch eine Frage: Können Dokter Boris, Björn Renz und König Beton - ein Durcheinander hier - das beim epischen Epilog am Sonnabend noch toppen? Wir werden berichten, „für Sie immer noch Herr Vorragend.“