Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Maler Hans Speckter mit dem Bild “Auf der Galerie im Hamburger Stadttheater“.

Sie sehen was, was wir nicht sehen. Eine kuriose Szenerie ist es, die der Maler Hans Speckter mit dem Bild „Auf der Galerie im Hamburger Stadttheater“ darbietet: Eine Gruppe von Zuschauerinnen und Zuschauern verfolgt offensichtlich interessiert ein Geschehen auf der beleuchteten Bühne; ihre Rücken sind den Betrachtern zugewandt – weshalb man nicht einmal annähernd erfährt, was sich im Theater abspielt.

Die Menschen sind salopp gekleidet, manche Herren haben ihren Hut aufbehalten, eine Frau blickt durch ein Opernglas. Es ist keine vornehme Theatergesellschaft, die sich hier versammelt hat. Vielmehr ist die Theaterga­lerie der Ort, an dem sich Mitglieder des Kleinbürgertums und der unteren Schichten tummeln – Stehplätze und provisorische Sitzgelegenheiten auf den Geländern weisen darauf hin.

Kunst-Podcast: Hans Speckter brachte sein Theatererlebnis auf die Leinwand

Der Hamburger Illustrator und Genremaler Hans Speckter (1848–1888) schuf dieses Bild um 1880, womöglich im Zusammenhang mit dem Lessing-Fest 1881. Es gibt seine Eindrücke einer Aufführung wieder, welche er in dem 1827 in der Dammtorstraße eröffneten Theaterhaus besuchte. Eine Vorzeichnung von 1879, die sich im Kupferstichkabinett der Kunsthalle befindet, sowie mehrere Holzschnitt-Reproduktionen mit unterschiedlichen Zeitangaben erschweren allerdings eine eindeutige Bestimmung des Motivs.

Interessanterweise funktioniert das nur 20,1 mal 30,3 Zentimeter große Ölbild wie ein Bild im Bild mit einem perspekti­vischen Vorder- und Hintergrund, wobei Bühnenbretter, Treppen und Türen für den Auftritt und Abgang des Bühnenpersonals dienen. Nicht die zuschauenden Personen stehen dabei im Fokus, sondern die im Theaterbetrieb am Rande Arbeitenden. Eine ältere Gebäckverkäuferin hat sich auf den unteren Treppen niedergelassen. Sie ist offenbar nicht am Theaterstück interessiert, wirkt teilnahmslos und überbrückt die Zeit zwischen den Pausen mit Strickwerk.

Das Bild erzählt von Einsamkeit und Armut

Ebenso der ein paar Treppen weiter oben sitzende junge Bierverkäufer, der seine Einnahmen zählt. Eine Logenschließerin verlässt den Ort durch eine seitliche Tür. „Es ist das Stück von der Einsamkeit und dem dürftigen Leben der armen Leute, das in der gezeigten Kommunikationsstörung und in seinem lapidaren Stil an die Theaterstücke des literarischen Naturalismus, an Henrik Ibsen und Gerhart Hauptmann, erinnert“, schreibt der Kunsthistoriker Michael Thimann über dieses Bild.