Eine poetische Liebeserklärung: Regisseur Pieter-Rim de Kroon beschäftigt sich auf ganz eigene Art mit dem Wattenmeer.
Natur-Dokumentationen gibt es viele, und sie laufen überall: in den dritten Programme des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, bei Netflix oder Amazon Prime, ab und an auch im Kino. In der Regel sind es Filme, die das Fernweh wecken, die schöne Bilder von spektakulären Landschaften mit Geschichten über urige Menschen mischen.
Die erklären, was zu sehen ist und deutlich vernehmbar einordnen, was da gerade visuell überwältigt. Es hat etwas Entspannendes, diese Dokumentationen zu schauen, aber natürlich sind sie auch einigermaßen vorhersehbar, denn die Machart ist immer ähnlich, auch wenn sie sich thematisch unterscheiden.
„Der Atem des Meeres“ ist ganz anders, und weil das so ist, braucht man als Betrachter einen Moment, um sich in den Rhythmus des Films einzuklinken, der eben nichts erklärt, der keinen Erzähler hat und in dem die Szenen – gleichwohl sie sich bisweilen an der Abfolge von Ebbe und Flut orientieren – eher assoziativ ineinanderfließen.
Pieter-Rim de Kroon sorgt für intensive Seheindrücke
Regisseur Pieter-Rim de Kroon, der auch schon Dokumentationen über das Angeln, eine niederländische Destillerie und den Martini-Cocktail gedreht hat, beschäftigt sich auf ganz eigene Art mit dem Wattenmeer, das er von 2017 bis 2019 für diesen Film immer wieder besuchte. Gelungen sind ihm dabei in Dänemark, Deutschland und den Niederlanden ikonografische Bilder etwa vom Wind, der über den schneebedeckten Strand fegt, von Fischern im Gegenlicht oder Quallenverbänden im grünen Nordseewasser, die wie außerirdische Lebensformen wirken. Natürlich gibt es da die Löffler, Eiderenten und Säbelschnäbler, die Zugvögel am Horizont, aber selbst hier, bei den erwartbaren Motiven, sorgen Schnitt und Bildkomposition für intensive Seheindrücke.
De Kroon hat nicht nur die Natur beobachtet, sondern gibt den Menschen, die am und vom Wattenmeer leben, ebenso Raum. Etwa einer Organistin, die in einer Kirche spielt und die ganz behutsam die Register zieht, während die Kamera einfach draufbleibt. Das ist schon eine eindrückliche Form der Entschleunigung. Aber dieser Film heißt eben auch nicht „Das Wattenmeer“, sondern „Der Atem des Meeres“ und versteht sich völlig zu Recht als Poesie.
Um die genießen zu können, braucht es einerseits die Bereitschaft, sich auf den besonderes Rhythmus und die Abwesenheit einer erklärenden Erzählstimme einzulassen. Zudem braucht es die große Leinwand, denn die Anmut und Kraft der Bilder, von denen viele manche Fotoausstellung schmücken würden, entfaltet sich vollends weder auf dem Laptop noch auf einem Fernsehbildschirm.
„In Aufwand und technischer Brillanz in Bild und Ton übertrifft der Film alle bisher bekannten Formen von Natur-Dokumentationen“, heißt es werbewirksam im Presseheft zum Film. Das könnte durchaus stimmen.
„Der Atem des Meeres“ 105 Minuten, ohne Altersbeschränkung, läuft im Abaton und Zeise