Hamburg. Auftakt mit dem Thalia Theater: Freundeskreise zeigen im Netzwerk Kulturfreundschaften virtuelle „Hausbesuche“ für alle Interessierten.
„Tu Gutes und rede darüber“ – der Titel des jahrzehntealten Buches von Georg-Volkmar Graf Zedtwitz-Arnim ist zum geflügelten Wort für Public Relations geworden. Das Werk hat längst einige Gebrauchsspuren und ist nur noch ein Teil der Wahrheit. Im 21. Jahrhundert geht es durchaus darum, zu zeigen, was man hat. Und das gilt nicht bloß für die Wirtschaft, sondern erst recht für die Kultur. Trotz der bis auf Weiteres geschlossenen Theater, Konzerthäuser und Museen.
Hamburg ist bekanntlich die Metropole der Stiftungen, fast 1500 gibt es hier. Die Stadt hat aber auch viele Förderkreise und Freundeskreise, welche Kultureinrichtungen mit ihrer Arbeit unterstützen, meist hanseatisch dezent. Drei dieser Freundeskreise und der Denkmalverein wollen nun verstärkt für alle Interessierten sichtbar machen, wen und was sie fördern – und welch kulturelle Schätze Hamburg seinen Bürgern bietet. Dem dient das neue Crossover-Format „Hausbesuche“.
Wie funktionieren moderne Kulturorte in denkmalgeschützten Gebäuden?
„Wir sprechen unter anderem darüber, wie moderne Kultureinrichtungen in denkmalgeschützten Gebäuden funktionieren“, erläutert Kristina Sassenscheidt. Aus diesem Anlass hat die umtriebige Geschäftsführerin des Denkmalvereins das Netzwerk Kulturfreundschaften initiiert. Die Idee:
Mit kurzen Filmen sollen bekannte Hamburger Häuser den Freundeskreis-Mitgliedern sowie der Allgemeinheit auf eine neue Art zugänglich gemacht werden. „Wir nutzen die Zeit, in denen in den ganzen Kulturinstitutionen kein Publikumsverkehr stattfindet, um neue Blicke auf die Bau- und Nutzungsgeschichte der jeweiligen Häuser zu werfen“, sagt Sassenscheidt.
Der erste „Hausbesuche“-Film ist bereits fertiggestellt und von diesem Sonnabend an im Netz kostenlos abrufbar (siehe Abspann). Beim Besuch im Thalia Theater hat sich Kristina Sassenscheidt etwa gefragt, warum dort der Teppich grün ist, was eine Norwegen-Fähre mit der Tapete im Teeraum zu tun hat und welchen Wechsel im Theaterkonzept sich im Zuschauerraum aus den 1950er-Jahren ablesen lässt. Antworten findet sie bei ihrem Rundgang durch das Thalia in erster Linie mit dem Kaufmännischen Geschäftsführer Tom Till.
Das Thalia Theater blickt auf 178 Jahre Geschichte zurück
Doch auch Intendant Joachim Lux meldet sich aus seinem Büro immer mal wieder zu Wort. Über das 178 Jahre alte Thalia Theater, das seinen heutigen Platz am Alstertor nahe dem Gerhart-Hauptmann-Platz erst seit 1912 hat, gibt es schließlich genug zu erzählen. Deshalb ist der kurzweilige Film mit kleinen Schauspiel-Sequenzen – unterlegt mit Musik von Klassik („Romeo und Julia“) bis zu schmissigem 1950er-Orchester-Sound – statt der angepeilten zwölf wohl auch 17 Minuten lang geworden.
In der Gestaltung des Thalia Theaters meint Denkmal-Fachfrau Sassenscheidt sogar „einen Vater-Sohn-Konflikt“ erkannt zu haben: Der Architekt Georg Kallmorgen sorgte 1912 für den Thalia-Bau mit der neoklassizistischen Fassade, sein Sohn Werner, in Hamburg maßgeblich am Wiederaufbau der Speicherstadt und am Bau des einstigen „Spiegel“-Hochhauses an der Ost-West-Straße beteiligt, in den 50er-Jahren dann für die moderne Neugestaltung der Thalia-Innenräume. Ein schöner Kontrast, der einen genauen Blick lohnt.
Verschiedene Institutionen und Stiftungen halfen mit
Produziert haben die Freundeskreise den Film mit dem Regisseur Marc Elvers von der Studio-Hamburg (Production Group)-Tochter Doclights. Ohne deren großzügige Unterstützung wäre das neuartige Projekt „Hausbesuche“ gewiss nicht zustande gekommen - der Studio-Hamburg-Produktionschef Michael Lehmann ist zugleich ehrenamtliches Kuratoriums-Mitglied des Thalia Theaters. Dazu kommt die finanzielle Förderung der „Zeit“-Stiftung Ebelin und Gerd Bucerius.
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Das freut nicht nur Nora Felicitas Schott von den Thalia Freunden: „Das letzte Jahr hat gezeigt: Menschen, Partner und Freunde, auf die wir uns verlassen können, sind das Wichtigste“, sagt sie. „Unser Netzwerk Kulturfreundschaften ist ein Zusammenschluss von Menschen, die über gemeinsame Interessen und Überzeugungen verfügen und durch gleiche Ziele und eine Bündelung der Aktivitäten gemeinsam mehr erreichen – und an unsere Mitglieder und Kulturbegeisterte zurückgeben wollen.“
Auch in Elbphilharmonie und Laeiszhalle sind Hausbesuche geplant
Auch Sarah Scarr (Freundeskreis Elbphilharmonie + Laeiszhalle e. V.) und Christiane Papenmeyer (Justus Brinckmann Gesellschaft/Museum für Kunst und Gewerbe Freundeskreis) sind gespannt auf die „Hausbesuche“ in ihren Häusern. Die beiden Freundeskreise gehören ebenfalls zum neuen Netzwerk Kulturfreundschaften, das bereits Ideen für weitere Kooperationen hat.
Die Laeiszhalle, 1908 eingeweiht und im Stil des Neobarock errichtet, wird noch im Mai als zweites mit einem Film vorgestellt werden. Danach folgt das 1877 von Gründungsdirektor Justus Brinckmann am Steintorplatz in St. Georg eröffnete Museum für Kunst und Gewerbe.
Kultursenator Carsten Brosda sieht einen weiteren Aspekt: „In Zeiten, in denen die Häuser coronabedingt geschlossen sind und wir ihre Angebote schmerzlich vermissen, öffnet das Format ,Hausbesuche‘ Zugänge und verbindet gelingend denkmalfachliche Perspektiven mit Historie und Gegenwart dieser wundervollen Kulturorte.“
Vorfreude auf Kultur nach Corona wecken
Und Kristina Sassenscheidt formuliert noch ein neues Ziel: „Wir wollen beim Hamburger Publikum die Vorfreude auf den nächsten ,echten‘ Besuch der Kulturinstitutionen schüren und es ermöglichen, die Häuser dann mit ganz neuen Augen zu sehen.“ Nostalgisch und nur wie für Denkmalschützer sind die Filme gewiss nicht gemacht.
Der Auftakt weckt vielmehr Lust auf Bühne, Bilder und Klänge. Und auf reale Gespräche im Foyer, auf den Gängen - zur Not auch auf der Toilette. Ob nun vorher, in der Pause oder nachher. Hauptsache, man und frau hat sich etwas zu erzählen über Kunst und Kultur.
„Hausbesuche“: Teil 1, Das Thalia Theater Film kostenlos abrufbar ab Sa 24.4. unter www.kulturfreundschaften.de sowie auf den Webseiten der beteiligten Freundeskreise