Hamburg. Das Tonali-Projekt zu Beethoven musste – wie so vieles – mit einem Jahr Verspätung über die Bühne gehen.

Bei aller Gegensätzlichkeit der Programmpunkte vom großen Tonali-Ereignis am Sonntag in der Elbphilharmonie konnte man eine Erkenntnis mit nach Hause nehmen: Beethoven hat in jedem Genre, vom Poetry-Slam des zwischen den Stücken rezitierenden Timo Brunke über den Jazz bis hin zur artifiziellen Avantgardemusik, Spuren hinterlassen. Sein Geist, sein Wille zur Revolte, sein Mut bleiben Inspiration bis heute.

Eigentlich hatte das Projekt „BeEnigma“, das sich das Kultur- und Bildungsprojekt TONALi zu Beethovens Geburtstagsjubiläum 2020 ausgedacht hatte, vor genau einem Jahr stattfinden sollen. Nun wurde es nachgeholt und bestand aus einer Preisvergabe und einem enigmatischen Überraschungspaket zu Ehren des Klassikers. Elbphilharmoniesprecher Tom R. Schulz, bekennender TONALi-Fan, führte charmant moderierend durch den Abend.

Tonali Awards für ein Streichorchester und einen Sänger

Zu Beginn wurde erstmals der mit 35.000 Euro dotierte Tonali Award in zwei Kategorien verliehen. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis „Aufbruch“ ging an das 2016 von Danielle G. Daude gegründete Streichorchester „The String Archestra“, das sich im Zuge der BlPoC-Bewegung (Black and People of Color) gegen Ausgrenzungserfahrungen positioniert.

Dass der Preis mehr für den Idealismus und Aktivismus dieser Gruppe als für deren interpretatorische Qualitäten vergeben wurde, zeigte sich bei der in der Intonation schiefen Aufführung von Aldemaro Romeros „Fuga con pajarillo“. Der mit 25.000 Euro dotierte Preis „Mut zur Utopie“ ging an den im Kongo geborenen Schweizer Sänger Elia Rediger, der die Bühne für ideologische Botschaften nutzte und der Elbphilharmonie die Verwandlung in ein Raumschiff wünschte, das in Aleppo landen möge.

Gegenwartskompositionen, die auf Beethoven Bezug nehmen

Beim Hauptteil des Abends, der Uraufführung von fünf auf Beethoven bezogenen Werken der Gegenwart stellte das erst vor Kurzem gegründete TONALi Orchester unter der Leitung des US-amerikanischen Dirigenten Garrett East sein hohes Niveau unter Beweis. Der spanische Komponist José María Sánchez Verdú griff in „Fantasmata“ zu geräuschhaften Klängen und Gesten, die sich kurz aufbäumten und sogleich wieder zurückgenommen wurden.

Peter Ruzickas „Zuschreibung“ begann mit einem choralartigen Element, das in den Streichern fast an das Lohengrin-Vorspiel erinnerte. Sehr nah am Beethoven’schen Vorbild bewegte sich die ungarische Komponistin Judit Varga in „Happy Birthday, Major Ludwig“, Manfred Trojahn setzte in seiner „Introduction and faster movement“ auf melodische Linien und rasende Tempi, während das Stück „Spolia“ des Norwegers Eivind Buene am Ende am rätselhaftesten blieb.