Hamburg. Fünf Jahre war es sehr ruhig um die Supersängerin geworden. Nun ist Adele wieder da, und sie ist eine andere geworden.
Ein Mal noch der Blick zurück, der Griff zum Koffer, dann raus. Ein Telefonat, das nicht klappen will („I got a bad signal“), Adele flucht. Dann startet sie den Motor. Beziehungsweise: Zunächst kümmert sie sich um die Musik. „Easy On me“, aber auf Kassette, nicht mit dem Smartphone. Klar ist Adele pure Pop-Gegenwart, aber als Supersängerin mit Soul-Gütesiegel eben auch eine Klassikerin. Da darf die technische Ausrüstung auch Patina ansetzen.
Adele fährt los, sie verlässt das Landhaus, der Wind weht heftig. „There ain't no gold in this river/That I've been washin' my hands in forever/I know there is hope in these waters/But I can't bring myself to swim/When I am drownin' in the silence” – so geht es dann los.
Adeles neues Album "30" erscheint im November
So geht es los, als Adele, die erfolgreichste Popsängerin der Welt, den Faden wieder aufnimmt, den sie mit ihrem dritten Album „25“ im Jahr 2016 lose hatte hängen lassen; damals als vermutlich am Ende Karriere-gestresste, von ihrer gigantischen Welteroberung selbst überwältigte Künstlerin. Damals gab sie auch in Hamburg zwei umjubelte Konzerte, und es war klar: Da kommt noch was. Wahrscheinlich hätten wir alle Adeles songtechnisch hochgetuneter, aber im Kern vor allem mit ihrer makellosen Stimme so sensationellen Kunst ewig weiter lauschen können. Aber dann war erst einmal Sense. Adele machte sich rar und verschwand sechs Jahre fast ganz von der Bildfläche.
Am 19. November soll ihr neues Album „30“ erscheinen (Adele ist 33 Jahre alt mittlerweile, ihr Albumschaffen ist gegenwärtig und retrospektiv zugleich), und „Easy On Me“, die seelenvolle Ich-bin-wieder-da-Single mit Piano-Schmiss, ist das erste Lied aus jenem Album. Adele ist eine andere geworden: Sie verbrachte zuletzt die meiste Zeit in Kalifornien. Von ihrem Mann, dem Vater ihres Sohnes, ist sie inzwischen getrennt.
Als man Ende 2019 erstmals wieder etwas von ihr hörte, hatte sie 45 Kilogramm abgenommen. Adele ist zur Intensiv-Sportlerin mutiert. Ein Aufbruch in vielerlei Hinsicht also, und all das symbolisieren der neue Song samt dem dazugehörigen Video, das Adele Freitagnacht veröffentlichte.
„Easy On Me“ ist das Komplementärstück zu „Hello“
Der Abschied schmerzt, wie die ersten Zeilen verraten, aber: Es ist ja „Hoffnung in diesen Gewässern“, wie Adele lyrisch singt. Einer ihrer früheren Hits heißt „Water Under the Bridge“, man erkennt ein motivisches Muster. Und auch sonst ist die Adele-Erzählung auf Wiedererkennbarkeit gepolt. „Easy On Me“ ist in seiner Bildsprache die Reprise, das Komplementärstück zu „Hello“.
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Aber die schwarzweiße Ästhetik wechselt dann in den Farbfilm über: Die Melancholie über das Vergangene wird zum der der Zukunft zugewandten Lebenshunger. Und dennoch ist „Easy On Me“ eindeutig ein Trennungssong: "There ain't no room for things to change/When we are both so deeply stuck in our ways/You can't deny how hard I have tried/I changed who I was to put you both first/But now I give up“. Aber zum Schluss wird gelacht.
Das Netz feiert den neuen Adele-Song
Der Song wurde begeistert aufgenommen, was auch sonst. Wie das ist in solchen Fällen: Die Netzwerke reagierten enthusiastisch auf den Herzschmerz. Ein grandioser Song, keine Frage. Nur Zyniker würden behaupten, Adele hätte nichts Besseres als der private Beziehungskram passieren können. Wie sollte sie sonst ihre musikalischen Blockbusterthemen so, sagen wir es ruhig, authentisch ins Werk setzen?
In der „Vogue“ – Adele ist derzeit sowohl auf dem Cover der britischen und der US-Ausgabe – spricht die Sängerin über alles, was zuletzt so los war. Man ahnt aber, dass sie das Eigentliche in ihren neuen Songs sagt.