Hamburg. „From Creatures To Creators“ beschäftigt sich eindrucksvoll mit körperlichen Veränderungen und dem Tod.

So fühlt es sich also an, wenn sich eine Kulturinstitution auflöst. Man steht im Kunsthaus Hamburg, und plötzlich verschwindet das Gemälde vor einem. Dann versinken die Ausstellungsmöbel im Boden. Und schließlich stürzt das Gebäude zusammen, die Fenster, die Mauern, auch der Boden wird unter den eigenen Füßen brüchig. Was natürlich ein Traum ist: Die Installation „forever no-body“ von Samara Daioub und Zion König ist Virtual Reality, man steht da, hat eine VR-Brille auf der Nase und gibt sich der Illusion hin, dass gerade alles um einen herum zusammenbricht. Ein Alptraum.

„forever no-body“ ist eine zentrale Arbeit in der aktuellen Kunsthaus-Ausstellung „From Creatures To Creators“. Es geht darum, wie der Mensch vom Geschöpf zum Schöpfer wird, wie er sich von den Fesseln der Biologie befreit. Und was nach dieser Befreiung auf ihn wartet. Bei Daioub und König gibt der Betrachter seinen Körper auf, die Schwerkraft wird ebenso ausgeschaltet wie die Verletzbarkeit der leiblichen Hülle, nur die Sinnesorgane sind noch in Betrieb.

Kuratorin Anna Nowak beschäftigt sich mit Biohacking

Sound und Bild müssen irgendwie verarbeitet werden, ganz auf den Körper verzichten kann man noch nicht. Und auch die Biologie mag modifiziert werden, am Ende steht aber immer noch der Tod. Auch wenn der zunehmend als zu lösendes medizinisches Problem gesehen wird und weniger als existenzieller Schlusspunkt.

Über weite Strecken beschäftigt sich Kuratorin Anna Nowak mit Biohacking, mit Eingriffen in die Biologie zum Zwecke der Selbstbestimmung über das eigene Leben. Das führt mal zu Körpererweiterungen wie in den Skulpturen „Thrivers“ des litauischen Duos Pakui Hardware, mal zur Auflösung von Geschlechtergrenzen durch Sexualität und Fetisch in Tabita Rezaires Videoinstallation „Ultra Wet – Recapitulation“.

Identitätspolitischer Abgrund

Und mal zur hochironischen Kochshow „Housewives Making Drugs“ von Mary Maggic. Ja: „forever no-body“ mag das Biohacking-Thema auf schwindelerregendem Diskursniveau angehen, aber in der konkreten künstlerischen Umsetzung tauchen dann doch immer wieder sinnliche Zugriffe auf, die die trockene Biophilosophie mit Humor und Ironie brechen.

Und die sich gleichzeitig einfachen Antworten verweigern. Biohacking bedeutet vielleicht ein Mehr an Freiheit, aber was der Mensch mit dieser Freiheit anfängt, ist nicht immer nur positiv. In Steffen Zilligs Comic „Die Dekolonisierung Amerikas“ etwa ist die gentechnologisch durchorganisierte Zukunft keine freundliche Utopie, sondern ein identitätspolitischer Abgrund, bei dem die Machtübernahme durch die Maschinen nahezu als Rettung erscheint.

Und Bernhard Picards 1730 erschienenes Blatt „Thitonus, Mann von Aurora, in eine Grill verändert“, das hier als Reproduktion gezeigt wird, entwirft zwar eine Welt, in der der Tod besiegt ist, das Altern aber ein umso größeres Problem darstellt. Und wenn man sich das so anschaut, ahnt man: Ein existenzieller Schlusspunkt ist vielleicht gar nicht so schlimm.

„From Creatures To Creators“ bis 19.9. Kunsthaus Hamburg (Klosterwall 15), Di-So 11.00-18.00, kunsthaushamburg.de