Hamburg. Meike Stoverock und Ronald D. Gerste überzeugen mit Büchern über das Ende der männlichen Dominanz und die Geschichte der Medizin.

Ein knalliger Titel kann nicht schlecht sein, meistens zumindest nicht. Und wenn es um den Kampf der Geschlechter geht, aus dem im erstrebenswerten besten Fall ein gedeihliches Miteinander wird, muss man doch einfach erst mal provozieren. Das Patriarchat neigt sich endlich dem Ende entgegen. Voilà: „Female Choice. Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“ (Tropen, 22 Euro).

Ein Buch, geschrieben von der Biologin Meike Stoverock, die in Hamburg studierte und sich nun über das alte und das neue Zusammenleben von Frauen und Männern ihre Gedanken gemacht hat. Und die dabei auf die mancherorts verpönte evolutionsbiologische Prägung geschlechtsspezifischen Verhaltens zu sprechen kommt.

Untersuchung zur männlichen Dominanz

Maike Stoverock: „Female Choice: Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“.
Maike Stoverock: „Female Choice: Vom Anfang und Ende der männlichen Zivilisation“. © Tropen Verlag | Unbekannt

Der Mensch ist nicht allein soziokulturell geprägt: In der Genderdebatte kein allzu beliebter Gedanke. Stoverocks erhellende und originelle Studie darf man ruhig das Signet „feministisch“ anheften, aber auf ein Matriarchat ist sie nicht aus. Ihre Untersuchung, wie es zur männlichen Dominanz kommen könnte, greift weit aus.

Die „Female Choice“ galt sexuell in der Urzeit, als die Frauen den Zugang zu Sex kontrollierten. Mit Ackerbau und Sesshaftwerdung sicherte sich der Mann das Zugriffsrecht – und baute die Zivilisation, so Stoverock, unter Ausschluss der Frau auf. Das ändert sich nun seit verhältnismäßig kurzer Zeit, mit teilweise dramatischen Folgen für den einmal „das starke Geschlecht“ genannten Teil der Menschheit.

Aufkommen des Feminismus hat Spielregeln verändert

Das Aufkommen des Feminismus hat die Spielregeln verändert. Stoverocks Analyse muss man nicht immer folgen, aber bereichernd ist sie doch. Wenn Männer es schwerer haben, Zugang zu Sexualität und Partnerschaft zu bekommen, kommt es zu Aggression, Gewaltausbrüchen, Amokläufen.

Konkurrenzdenken müsse hinterfragt werden, genauso wie Felder, die bislang nicht mit Sexualität in Verbindung gebracht würden, etwa Hierarchien und Geldwirtschaft. Was brauchen wir? „Eine Zivilisation, in der körperliche Unterschiede zwischen Menschen nicht zu Unterdrückung und Ausbeutung führen, sondern Möglichkeiten eröffnen.“

Darstellung der Medizingeschichte

Ronald D. Gerste: „Die Heilung der Welt: Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840 –1914
Ronald D. Gerste: „Die Heilung der Welt: Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840 –1914". © Klett-Cotta | Unbekannt

Um die Möglichkeiten der Medizin geht es Ronald D. Gerstes „Die Heilung der Welt. Das Goldene Zeitalter der Medizin 1840 – 1914“ (Klett-Cotta, 24 Euro). Zu lesen ist eine schwungvoll geschriebene, kenntnisreiche, unterhaltende Darstellung der Medizingeschichte, allen zu empfehlen, die entweder von der derzeitigen Herrschaft der Heilkunde nicht genug bekommen können, oder endlich wissen wollen, wann man auf die Idee kam, auf Hygiene zu setzen.

Wer Ignaz Semmelweis noch nicht kennt, der beendet diesen Status der Ignoranz mit diesem Buch. Die Chirurgie wurde im ins Auge gefassten Zeitraum modern, die Zahnmedizin, die Infektionsbekämpfung. Robert Koch, Rudolf Virchow – alle hier vertreten. Und natürlich auch Freud, der noch vor der Psychoanalyse das Kokain entdeckte. Sein Wiener Freund und Kollege Carl Koller legte weniger Wert auf die belebende Wirkung als die anästhetisierende – und erwies all jenen, die bei Eingriffen nicht gleich eine Vollnarkose über sich ergehen lassen wollen, einen bleibenden Dienst. Er gilt als Erfinder der lokalen Betäubung und fand wie viele andere Pioniere Eingang in dieses lesenswerte Buch.