Hamburg. Während draußen die Temperaturen auf 36 Grad steigen, lassen die neusten Alben der Rocker auch drinnen den Puls steigen.

Wem das Wetter und seine fordernde Hitzigkeit null reicht in diesen Tagen im mitteleuropäischen Brutkasten, dem sei ein Soundtrack zum Schwitzen empfohlen. Das neue Album der britischen Genre-Berserker Black Midi heißt „Hellfire“ (Beggars, CD ca. 15 Euro) und stresst, Entschuldigung, wie Sau. Eine akustische Folter ist das dennoch nur für Hardcore-Kuschelrocker. Rockconnaisseure, die sich nicht im Erzmelodiösen einrichten wollen, lieben die britischen Experimentalisten innigst.

Mehr Trommelfeuer geht in 2022 sicher nicht: Man höre unbedingt den anarchischen Kracher „The Race Is About To Begin“. Was für ein infernalischer Bastard aus Metal, Free Jazz, Big Band und Indierock. Sänger Geordie Creep croont, brüllt, rappt. Wütet wild assoziierend, sagen wir mal: gegen unsere Gegenwart. In der die Blödheit überwiegt: „Idiots are infinite/And thinking men are numbered/Don’t kid yourself/This isn’t news“.

Rock der Woche: Es geht um Leben und Tod

Die Engländer, siehe Caroline, siehe Black Country, New Road, sind seit einiger Zeit schon beim Progrock angekommen. Bei Black Midi, die mit „Hellfire“ seit 2019 ihr drittes Album veröffentlichen, hat der Wahnsinn aber am derbsten Methode. Man könnte sagen, dass Geordie Creep, Cameron Picton und Morgan Simp­son jeglichen Schönklang in Kakophonien aus der Hölle abrauchen lassen.

Black Midi – Hellfire.
Black Midi – Hellfire. © Unbekannt | Rough Trade/Beggars Group / Indigo

Wer die textliche Ebene beim draufgängerischen Mix der Popstile noch unbedingt braucht: Es geht um Leben und Tod. Um das Biest im Menschen. Black Midi ist für den Augenblick vielleicht nicht die beste, aber die aufregendste Band des Planeten. Im Wortsinne, denn Nachbarn und Mitbewohner könnten vor Empörung bald die Wände hochgehen.

Rock der Woche: Interpol war mal der heißeste Kram

Die New Yorker Postpunk-Band Interpol war auch mal der heißeste Kram. Leider sind die ersten drei Alben der Joy-Division-Epigonen, die den feistesten Stop-and-go-Bass der Nullerjahre unter elegisches Gitarrengedengel legten, schon so lange her. Seit „Turn On The Bright Lights“, „Antics“ und „Our Love To Admire“ sind die Songs der Band um Paul Banks und Daniel Kessler sehr oft sehr breiig geraten. Banks’ Trademark-Bariton psychedelisierte zuletzt immer wieder als zusätzliche Tonspur über traumartigen Manhattan-Balladen.

Interpol – The Other Side of Make-Believe.
Interpol – The Other Side of Make-Believe. © Unbekannt | Matador/Beggars Group / Indigo

Es war gar zu oft ein leiernder Schmarrn. Das neue, inzwischen siebte Album „The Other Side of Make-Believe“ (Beggars, CD ca. 15 Euro) ist aber halbwegs der Versuch einer Verbesserung der Langeweilesounds jüngerer Veröffentlichungen: Düsterrock hat ja immer seine Berechtigung, und wenn er so lyrisch und druckvoll in die Nacht tänzelt wie bei „Into The Night“, erkennt man die Band wieder, die man einst im Logo sah und danach völlig verzückt den Heimweg antrat. Nein, aufgeben sollte mal Interpol nicht. Im Fußball spricht man vom Ins-Spiel-Finden über den Kampf.