Hamburg. In der beeindruckenden Ausstellung „Out of Space“ treffen US-Künstler der 1960er-Jahre auf zeitgenössische Positionen.
Ein knallblaues LED-Licht lockt Besucher in ein Kino und zieht sie förmlich in eine Röhre hinein. Doch der dadurch entstehende „Raum“ ist eine Illusion aus Acrylglas, Holz und einem Motor, der das Licht vibrieren lässt – das Werk „Inflect“, erdacht von der Kölner Künstlerin Jaqueline Hen. Und der Hamburger Axel Loytved lässt einen an seinen täglichen Gewichtsschwankungen teilhaben, symbolisiert durch unterschiedlich hohe, lackierte Spanplatten in der tunnelartigen Skulptur „Ups and downs of everyday“.
„Der Raum mit all seinen Facetten und Herausforderungen faszinierte schon die Vertreter der Minimal Art“, sagt Ifee Tack, Kuratorin der Ausstellung „Out of Space“ in der Galerie der Gegenwart. „Uns hat gereizt, wie sich die Raumkunst seit den 1960er-Jahren entwickelt hat, ausgehend vom zentralen Werk ,Untitled’ von Robert Morris aus dem Jahr 1968.“ Die Morris-Arbeit, eine genau instruierte Anordnung aus Metallgittern, ist eine Schenkung der Stifter Susanne und Michael Liebelt an die Hamburger Kunsthalle.
Wie ein Riese, der auf Wolkenkratzer blickt
Die Ausstellung thematisiert im Besonderen die Beziehung, die Kunstwerk, Raum und Betrachter eingehen und mit welchen Mitteln ein Werk seine Umgebung in den Bann zieht. Bei Morris’ „Untitled“ etwa fühlt man sich wie ein Riese, der in Manhattan auf Wolkenkratzer hinunterblickt. Daneben hat Armin Keplinger, Jahrgang 1982, 800 Aluminiumstreben so aneinandergereiht, dass das Gebilde je nach Perspektive changiert und zudem durch Virtual-Reality-Brillen veränderbar ist – ein spannender Dialog zwischen Minimal Art der 60er-Jahre und zeitgenössischer Position.
Auch eine interessante Kombination: Der Portugiese Cabrita, Jahrgang 1956, gibt mit seiner Leuchtstoffröhren-Arbeit „L.T.“ und einer geweißten Treppe, die ins Nirgendwo führt, Rätsel auf und rahmt damit ein ebenso obskures Werk des Hamburger Künstlers Jan Köchermann: Der Blick in einen grauen Miniatur-Schacht offenbart am Ende ein kleines Schwimmbecken.
Erstes Daten-Werk für die Hamburger Kunsthalle
Eine Raumerfahrung der irritierenden Art liefert auch die Schweizer Performancekünstlerin Angela Anzi ab: In ihre starren, turmartigen Tongebilde hat sie Subwoofer eingebaut, die nicht hörbare Sinusfrequenzen erzeugen und die umgebende Körper (menschliche und skulpturale!) zum Vibrieren bringen. Jürgen Albrecht verblüfft mit einer Closed-Circuit-Installation, bei der eine Kamera aus einer Skulptur heraus live filmt, wie ein Betrachter den Nebenraum betritt, was wiederum auf einen Monitor projiziert wird.
Und mit Manuel Rossners „How Did We Get Here?“ von 2021 entert die Kunsthalle endgültig das digitale Zeitalter: Das auf den Boden gedruckte Werk wird erst durch VR-Brillen zum Leben erweckt; vor den Augen entstehen riesige gelbe Blasen und eine blaue Spirale, auf der ein Männchen spazieren geht und in die erste Etage führt. „In den vergangenen 30 Jahren hat sich der Raumbegriff drastisch verändert und erweitert: Raum wird heute nicht nur zunehmend medial, sondern vor allem digital konstruiert“, sagt Kurator Jan Steinke. Rossner schenkt der Kunsthalle sein virtuelles Werk als NFT (Non-Fungible Token, eine Art Datensatz mit Echtheitszertifikat). Es ist das erste dieser Art, das in die Sammlung Einzug hält.
„Out of Space“ bis 28.11., Galerie der Gegenwart (U/S Hauptbahnhof), Glockengießerwall 5, Di-So 10.00-18.00, Do 10.00-21.00, Eintritt 14,-/8,- (erm.), www.hamburger-kunsthalle.de