Hamburg/Berlin. Ohnsorg und Schauspielhaus erarbeiten Strategie. Auch Schmidt-Chef Corny Littmann hat einen Plan. Dabei gilt eine wichtiger Regel.

Osterruhe“ nein, Osterpause ja: Die in Berlin, genauer im Bundeskanzleramt, ausgebrütete und juristisch unausgegorene Osterruhe hat zwar zu einer „Verzeihung“ von höchster Stelle geführt, für die Kultur in der Hauptstadt aber gilt laut Berliner Senat nun vom 1. bis 5. April die Osterpause.

Heißt: Das am vorletzten Wochenende mit zwei Vorstellungen von „Panikherz“ vor jeweils 350 Zuschauern im Berliner Ensemble (BE) und mit dem Konzert der Berliner Philharmoniker vor 1000 Zuhörern gestartete Berliner Pilotprojekt Testing ist ausgesetzt, jedoch nicht vollends gestoppt.

Noch sollen die drei restlichen der insgesamt neun Test-Veranstaltungen nach Ostern nachgeholt werden, darunter „Figaro“ an der Staatsoper Unter den Linden und „Francesca da Rimini“ an der Deutschen Oper. Die Aufführungen mit zuvor auf Corona getestetem Publikum sollen dokumentieren, dass sichere Vorstellungen möglich sind.

Alles nach Online-Anmeldung, Vorlage eines negativen Schnelltests mit Personalausweis und beim Tragen einer FFP2-Maske im Saal, auch während der Vorstellung. „Es gab keine einzige infizierte Person. Wir betrachten das Experiment als komplett gelungen“, sprach BE-Intendant Oliver Reese gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ nicht nur für sein Haus.

„Herausfinden, wie Zugang zur Kultur mit Tests funktioniert“

Und die Hamburger Theater? Deren Leiterinnen und Leiter verfolgen das Projekt an der Spree mit Interesse. Gewiss, in Berlin lag die Sieben-Tage-Inzidenz zuletzt knapp unter 150, in Hamburg seit einigen Tagen über 150. Da ist an Lockerungen erst mal nicht zu denken, wohl aber an Vorkehrungen für den (Test-)Tag X. Am Weitesten sind hier das Ohnsorg-Theater und das Deutsche Schauspielhaus, auch Schmidt-Chef Corny Littmann hat bereits ausgefeilte Ideen zur Öffnung.

Die Hamburger Kulturbehörde sei derzeit mit Kultureinrichtungen im Austausch, „um vorbereitet zu sein, wenn die Inzidenzzahlen es erlauben, entsprechende Modelle umzusetzen“, sagte Behördensprecher Enno Isermann nach einer internen Besprechung am Dienstag. „Es geht darum, dass wir gemeinsam ganz praktisch herausfinden, wie ein Zugang zur Kultur mit Tests funktionieren kann. Daran arbeiten wir, und da werden wir sicherlich auch bei den Kosten helfen. Ziel ist, dass die Ergebnisse allen Kultureinrichtungen zugutekommen.“

Ohnsorg hat schon 5000 Tests bekommen

Das Ohnsorg-Theater habe schon 10.000 Corona-Schnelltests zur Selbstanwendung bei zwei verschiedenen Anbietern bestellt, sagt Intendant Michael Lang. „Für die Belegschaft und das Publikum, das abends getestet werden muss, wenn es ohne zertifizierte tagesaktuelle Schnelltests kommt.“

Geliefert wurden bisher 5000 Tests, weitere Chargen sind für diese Woche angekündigt, so Lang. Im Ohnsorg fand am 1. November, einen Tag vor Beginn des „Lockdowns light“, mit der Komödie „Rita will dat weten“ die bisher letzte Premiere vor Publikum statt. Fünf Monate – so lange waren die Theater in Hamburg seit dem Zweiten Weltkrieg nicht geschlossen.

Die wichtigsten Corona-Themen im Überblick

Michael Lang weiß, dass die Inzidenz stabil zwischen 50 und 100 liegen muss, damit Öffnungen wieder möglich werden. Und das in Verbindung mit den bewährten Abstands- und Hygienekonzepten sowie Testpflicht für jede(n), unabhängig davon, ob er oder sie geimpft ist.

 Das ist der Unterschied zum vergangenen Sommer und Herbst, als auf Hamburgs Bühnen einiges ging und die Masken am Sitzplatz sogar fallen durften. Nun setzen Stadt und Kultureinrichtungen vornehmlich auf die Schnelltests, die in Testzentren von medizinisch geschultem Personal durchgeführt werden. Das zertifizierte negative Ergebnis gilt mit Eintrittskarte als „Passierschein“. Bedingung: Das Zertifikat ist beim Vorstellungsende nicht älter als zwölf Stunden

Testung im geschlossenen Gastrobereich

Als Ergänzung will das Ohnsorg-Theater vor Ort und nach vorheriger Anmeldung auch einen „Corona-Schnelltest zur Selbstanwendung unter Aufsicht“ für diejenigen anbieten, die tagsüber keinen Test in einem Testzentrum machen konnten, erläutert Lang. „Unter Aufsicht“ diene der Nachweispflicht.

Die Testung würde im hinteren Foyer erfolgen, im derzeit geschlossenen Gastronomiebereich, der mit einer Feuerschutztür, Klimaanlage und Zusatzschutz vom Theater getrennt ist. „Ein negatives Ergebnis erlaubt den Zugang zur Veranstaltung, allerdings nur zu dieser Veranstaltung“, sagt Lang. Er sei kein „Freibrief“.

Staatsoper vertraut Schnelltest-Eigeninitiative ihres Publikums

Im Schauspielhaus geht man „davon aus, dass unser Publikum getestet zu uns kommen wird“. Sprecher Wolfgang Kaldenhoff: „Wir können aber notfalls auch Tests vor Ort anbieten.“ 2500 Selbst- und Schnelltests hat das größte deutsche Sprechtheater sicherheitshalber bestellt. „Im kleinen Rahmen ist eine Logistik vor Ort möglich“, so Kaldenhoff, „wir setzen auf umliegende Testzentren.“

Die aktuellen Corona-Fallzahlen aus ganz Norddeutschland:

  • Hamburg: 2311 neue Corona-Fälle (gesamt seit Pandemie-Beginn: 430.228), 465 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (davon auf Intensivstationen: 44), 2373 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1435,3 (Stand: Sonntag).
  • Schleswig-Holstein: 1362 Corona-Fälle (477.682), 623 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 39). 2263 Todesfälle (+5). Sieben-Tage-Wert: 1453,0; Hospitalisierungsinzidenz: 7,32 (Stand: Sonntag).
  • Niedersachsen: 12.208 neue Corona-Fälle (1.594.135), 168 Covid-19-Patienten auf Intensivstationen, 7952 Todesfälle (+2). Sieben-Tage-Wert: 1977,6; Hospitalisierungsinzidenz: 16,3 (Stand: Sonntag).
  • Mecklenburg-Vorpommern: 700 neue Corona-Fälle (381.843), 768 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 76), 1957 Todesfälle (+2), Sieben-Tage-Wert: 2366,5; Hospitalisierungsinzidenz: 11,9 (Stand: Sonntag).
  • Bremen: 1107 neue Corona-Fälle (145.481), 172 Covid-19-Patienten in Krankenhäusern (Intensiv: 14), 704 Todesfälle (+0). Sieben-Tage-Wert Stadt Bremen: 1422,6; Bremerhaven: 2146,1; Hospitalisierungsinzidenz (wegen Corona) Bremen: 3,88; Bremerhaven: 7,04 (Stand: Sonntag; Bremen gibt die Inzidenzen getrennt nach beiden Städten an).

Die Geschäftsführung der Staatsoper vertraut der Schnelltest-Eigeninitiative ihres Publikums: „Optimal ist natürlich, wenn die Besucherinnen und Besucher diese am Vorstellungstag nutzen und mit einem negativen Testergebnis kommen“, heißt es. Selbst- und Schnelltests sollten flankierend angeboten werden. Das aber hänge auch von der Verordnungslage ab. Ob die Tests vor dem oder im Haus von medizinischen Firmen durchgeführt werden, werde geprüft, sei zurzeit „aber nicht beabsichtigt“.

Wichtige Regel zu mitgebrachten Schnelltests

Sprecherin Friederike Barthel verweist für das Altonaer und das Harburger Theater auf das Stufenkonzept von Bund und Ländern, das in eine Hamburger Verordnung umgesetzt werden muss. Demnach wäre in der vierten Stufe der Öffnung wieder ein Theaterbesuch mit tagesaktuellem Schnelltest (maximal 12 Stunden alt) oder PCR-Test (48 Stunden alt) möglich.

Für Zuschauer seien keine Corona-Tests bestellt, wohl aber Selbsttests für die probenden Ensembles, „sodass diese zweimal wöchentlich getestet werden können“, sagt Barthel. Tests vorm oder im Theater sowie Kooperationen mit medizinischen Firmen seien derzeit nicht geplant, „da es im Regelbetrieb weder zeitlich, räumlich noch personell machbar ist, eine große Zahl von Besuchern direkt vor den Theatern und vor dem Beginn der Vorstellungen zu testen“, so die Sprecherin.

Lesen Sie auch:

Britta Duah, Leiterin der Komödie Winterhude, erklärt eine wichtige Regel: „Einen vom Zuschauer mitgebrachten negativen Selbsttest dürfen wir nicht akzeptieren.“ Ob Hamburgs abonnentenstärkstes Theater (zuletzt: 5500) vor Ort Selbsttests anbieten könne und ob dieses umsetzbar ist, müsse geprüft werden. „Ohne negativen Test dürfen Zuschauer das Theater nicht betreten, daher muss, falls eine Testung vor Ort angeboten werden sollte, dieser außerhalb des Theaterfoyers stattfinden“, sagt Duah. Dazu kommen etwaige Zusatzkosten.

Littmann kooperiert mit Testzentrum seines Partners

Corny Littmann hat bereits eine Öffnungsstrategie: Diese sieht außer dem umfangreichen Hygienekonzept des Vorjahres „zusätzliche Schnelltests für alle Gäste vor dem Besuch der Vorstellung vor, solange es die Situation verlangt“, sagt der Chef von Schmidt, Schmidts Tivoli und Schmidtchen.

Um es den Gästen so leicht wie möglich zu machen, habe man eine Kooperation mit dem Testzentrum Corona Freepass vereinbart. Das steht auf dem Spielbudenplatz und wird von Littmanns Geschäftspartner Axel Strehlitz (Klubhaus St. Pauli, Panik City) betrieben.

„Mit der Reservierungsbestätigung der Tickets wird ein Link zugesendet, über den dort ein zertifizierter Schnelltest in einem eigens dafür reservierten Theater-Slot direkt vor der Show gebucht werden kann“, erläutert Littmann. Die entsprechend großen Kapazitäten garantierten einen schnellen, sicheren und reibungslosen Ablauf, der Test sei im Rahmen des „Bürgertests“ kostenlos. Gegen Vorlage des negativen Testergebnisses wäre der Eintritt möglich.

Mehrkosten von circa 20 Euro pro Besucher

Littmann: „Selbstverständlich werden auch unsere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen regelmäßig getestet.“ An einem etwaigen Pilotprojekt der Kulturbehörde zur Öffnung mit Teststrategie würde das Ernst Deutsch Theater (744 Plätze), „gern teilnehmen“, hieß es von Hamburgs größter Privatbühne.

Die Tests scheinen ob des schleppenden Impf-Tempos der einzige Weg aus dem Theater-Lockdown. Bei Veranstaltungen mit Schnelltests direkt vor den Theatern fallen Mehrkosten von circa 20 Euro pro Besucher an, kam in Berlin heraus. Weil es ein Pilotprojekt ist, hat die Kosten die Berliner Senatsverwaltung übernommen.