Hamburg. „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ist Joseph Vilsmaiers Vermächtnis. Jetzt startet er auf Amazon.
Es war der letzte Film von Joseph Vilsmaier. Er wollte ihn unbedingt noch realisieren. Kurz nach den Dreharbeiten von „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“ ist der Regisseur am 11. Februar 2020 mit 81 Jahren gestorben. Michael Bully Herbig, der darin zum zweiten Mal den Boandlkramer spielte, die bayerische Figur des Sensenmannes, hat den Film fertiggestellt.
Der hätte längst ins Kino kommen sollen, erst im Herbst, dann zu Vilsmaiers erstem Todestag, dann „sobald die Kinos wieder öffnen“. Wann die Inzidenzwerte das wieder zulassen, ist aber noch immer unklar. Sodass sich die Macher nun schweren Herzens entschieden haben, den Film am 14. Mai erst einmal exklusiv bei Amazon Prime Video zu starten. Wir haben mit Bully Herbig über Vilsmaiers Vermächtnis gesprochen.
Hamburger Abendblatt: Herr Herbig, als Joseph Vilsmaier gestorben ist, war der Film da wirklich schon im Kasten, oder mussten Sie selbst als Regisseur einspringen?
Michael Bully Herbig: Der Film war schon abgedreht und bis zum Feinschnitt fertig. Danach fängt dann ja die Post Production an, mit Bildbearbeitung, Synchron, Tonmischung und all diesen Dingen. Diese Aufgaben habe ich dann übernommen, wie ich es dem Joseph auch versprochen habe.
Wie waren die Dreharbeiten? Wussten Sie, dass das Vilsmaiers letzter Film sein würde?
Herbig: Überhaupt nicht. Nur ganz wenige wussten, wie es um ihn steht. Es gab überhaupt keine Anzeichen, dass er uns bald verlassen würde. Er hat das so durchgerockt, hat sich voller Energie in den Film reingeworfen. Und nie gejammert. Er hat mich allerdings einmal etwas nachdenklich beiseite genommen, was ich damals nicht recht zuordnen konnte. Vor Drehbeginn sagte er: „Bully, du musst mir eine Sache versprechen. Wenn mit mir irgendwas ist, dann musst du den Film fertigmachen.“ Das hat mich sehr berührt, ich habe glasige Augen bekommen. Aber ich habe gedacht, er ist halt schon 80, in dem Alter kann immer was passieren, er will wohl nur den Film absichern. Mir war überhaupt nicht klar, dass er bereits wusste, dass er nicht mehr lange hat. Es ist sein Film. Ich war beim Dreh aber immer für ihn da, war sozusagen sein Flügelmann. Das hat uns extrem zusammengeschweißt. So hatten wir anderthalb sehr intensive Jahre. Das hat sich so familiär angefühlt, dass ich mich auch nicht gewundert hätte, wenn ich am Set mal „Papa“ zu ihm gesagt hätte.
Wie groß war dann der Schock, als Sie die Nachricht von seinem Tod erreichte?
Herbig: Mir hat das den Boden unter den Füßen weggerissen. Zu dem Zeitpunkt sollte ich eigentlich mit der Drehbuchentwicklung eines anderen Stoffs anfangen. Dafür fahre ich immer gern weg, nach Österreich, um in Ruhe zu schreiben. Ich habe Joseph Bescheid gegeben, dass ich mich für zwei Wochen ausklinke. Zwei Tage später riefen seine Töchter an und meinten, der Sepp möchte mich gern sehen, ob ich nicht vorbeifahren könnte, bevor ich wegfahre. Ich habe ihn dann noch besucht. Da habe ich realisiert, wie es wirklich um ihn steht. Ich bin nur froh, dass ich beim Abschied zu ihm gesagt habe: „Ich hab‘ mich richtig in dich verliebt.“ Auf der Fahrt schwante mir langsam, dass ich ihn vielleicht das letzte Mal gesehen habe. Und vier Tage später kam auch schon der Anruf. Ich bin froh, dass wir dieses Gespräch erst jetzt führen. Vor einem halben Jahr hätte ich darüber noch nicht so recht sprechen können.
Der letzte Film, und dann über den Sensenmann – mutet das nicht sehr makaber an?
Herbig: Hätte ich gewusst, dass er nicht mehr so viel Zeit hat, wäre ich am Set nicht mit solcher Leichtigkeit damit umgegangen. Aber das war vermutlich genau das, was er gebraucht hat. Als er mich in der Maske sah, hat er mal gemeint: „Wenn ich mir vorstell’, dass mi so oaner abholt, dann kann’s so schlimm ja net sein.“ Unser Boandlkramer ist ja eine ganz sympathische Figur, mit der man auch Mitleid haben kann. Womöglich hat ihm das geholfen. Der Trost für mich ist, dass es für ihn eigentlich optimal verlaufen ist. Er wollte diesen Film unbedingt noch drehen. Und er hat immer gesagt: „Wenn i nimmer drehen kann, dann mog i nimmer.“ Dass er den Film noch fertigstellen konnte und fast buchstäblich bis zum letzten Atemzug daran gearbeitet hat, hat es ihm, glaube ich, sehr erleichtert. Und ihn auch sehr glücklich gemacht.
Können Sie nach alldem über diese Komödie denn noch lachen?
Herbig: Ja. Weil der Joseph so herrlich lachen konnte. Er konnte auch herrlich schimpfen. Wenn er geschimpft hat, hätte man ihn am liebsten in den Arm genommen. Weil man wusste, dass es nicht so gemeint ist, einfach bayerisch und frei raus. Es tat ihm auch immer leid. Aber es hat halt auch immer gestimmt! Wenn ich mir den Film jetzt anschaue, weiß ich, wo er geschimpft und wo er gelacht hat. Deshalb schaue ich ihn mir sehr gern an. Es ist ein schönes Vermächtnis.
Für Vilsmaier spielten Sie zum zweiten Mal den Boandlkramer und in „Buddy“ einen Schutzengel, der seine Frau noch posthum glücklich machen will. Was reizt Sie immer wieder an diesen Stoffen vom Tod?
Herbig: Dass es dabei immer um den Tod geht, ist eher Zufall. Für mich sind das Märchen. Das ist etwas, was ich auch von einem Kinofilm erwarte. Ich will da große Bilder sehen, und der Joseph war ja auch ein begnadeter Kameramann. Ich will da auch Geschichten sehen, die die große Leinwand ausfüllen. Wenn es um Leben und Tod geht, ist das natürlich auch gleich emotionaler. Aber es ist keine bewusste Entscheidung, dass ich mich intensiv mit dem Tod auseinandersetze.
Der Film wird jetzt trotz Kinoschließungen gestartet. Ist der Sensenmann vielleicht genau die richtige Metapher zur Pandemie?
Herbig: Auch das ist natürlich reiner Zufall. Wir wollten den Film ursprünglich im Herbst 2020 starten. Wegen Corona musste er auf Dezember verschoben werden, dann auf Februar. Die Kinos bleiben leider auf unbestimmte Zeit geschlossen, trotzdem ist mir wichtig, dass der Film eines Tages auf der großen Leinwand zu sehen sein wird. Dafür wurde er gemacht und das sind wir dem Joseph auch schuldig. Auf der anderen Seite glaube ich, dass fast alle Menschen in diesen unlustigen Zeiten unheimlich dankbar für Filme sind, die gestreamt werden. Filme, die trösten und aufheitern. Ich erhoffe mir eine ähnliche Reaktion wie damals bei unserem ersten Film, „Die Geschichte vom Brandner Kasper“. Da ging es auch nicht nur darum, ob der Film lustig ist oder wie ich die Figur gespielt habe. Es gab viele, die meinten, der Film habe ihnen über einen großen Verlust hinweggeholfen. Das fand ich eigentlich das schönste Kompliment. Und wenn der „Boandlkramer“ das auch hinkriegt, ein bisschen Trost zu spenden, dann hat er viel erreicht.
Wie kam es überhaupt zu dieser Fortsetzung? Die Idee stammte von Ihnen?
Herbig: Ich wurde immer wieder gefragt, welche Rolle ich am liebsten gespielt habe. Ich habe dann immer den „Boandlkramer“ genannt. Das war für viele überraschend. Ich hatte damals ja nur zehn Drehtage, aber ich hatte einen solchen Spaß an dieser Figur. Letztlich ein Freak, dem immer kalt ist, der über Jahrtausende keine Freunde hat und immer zwischen Himmel und Hölle operiert. Da kann man sich austoben. Ich habe ja bei meinen eigenen Regie-Filmen nie Fortsetzungen gemacht, aber den „Boandlkramer“ wollte ich gern noch mal als große Rolle spielen. Und irgendwann unter der Dusche kam mir dann der Titel: „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“. Ich dachte, diese Idee kann man nicht liegen lassen. Ich bin dann zum Joseph, noch ohne Story, nur mit dem Titel. Der Joseph hat sofort angebissen. Und dann haben wir das eigentlich in Rekordzeit gestemmt.
Im Film ist auch Hape Kerkeling als Teufel zu sehen. Der wollte ja eigentlich nicht mehr vor die Kamera. Wie schwer war es, ihn zu überreden?
Herbig: Ich wäre überhaupt nicht auf die Idee gekommen. Aber irgendwann rief mich der Joseph an und fragte, was ich davon hielte, ihn als Teufel zu besetzen. Das war eine total abgefahrene Idee. Ich dachte ja auch, Hape hätte sich komplett zurückgezogen. Und als Teufel habe ich ihn nie gesehen. Aber die Idee war großartig. Und dann kam vom Joseph dieser Satz, den er immer gesagt hat: „Joa, den kenn i, den ruf i glei o.“ Und es dauerte nicht lange, da kam die Zusage. Wir haben dann noch schnell eine Swingnummer für ihn geschrieben. Ich dachte mir, wenn man schon mal einen Kerkeling hat, dann muss er auch singen.
Mit „Ballon“ sind Sie ins ernste Fach gewechselt. Da hieß es noch, Sie wollen jetzt keine Komödien mehr machen. Galt das nur für die Regie, oder ist der „Boandlkramer“ eine Art Rückfall?
Herbig: Ich sehe meine Hauptaufgabe hinter der Kamera. Und da will ich jetzt einfach andere Filme machen. Aber ich weiß natürlich, dass ich mit dem Gesicht, das ich nun mal habe, im Drama darstellerisch wenig verloren habe. Das ist ein Luxus, den ich mir leiste, dass ich als Schauspieler weiterhin komödiantisch unterwegs sein kann, mich aber als Regisseur auf anderen Feldern austoben darf.
Und die letzte Frage, die man Ihnen jetzt wohl ganz häufig stellt: Wenn man den Sensenmann spielt, will man da wissen, wann der Tod zu einem selber kommt?
Herbig: Nee! Es gibt ein Zitat, ich glaube, vom Dalai Lama: „Es gibt nur zwei Tage, an denen du nichts bewegen kannst. Das ist das Morgen und das Gestern.“ Nach diesem Motto lebe ich. Ich versuche, aus jedem Tag das Optimale herauszuholen und ein guter Mensch zu sein. Wenn ich wüsste, wann der Stichtag ist, würde mir das wohl die gute Laune versauen.