Hamburg. „Die Königs schenken nach!“ bietet Typen-Komik mit neuen Hits. Bei der Uraufführung glänzt Carolin Spieß „Mit den Waffen einer Frau“.

Das viel besungene Herz von St. Pauli - während der Fußballsaison schlägt es regelmäßig im Millerntor-Stadion. Jetzt ist Sommerpause. Bei den „Königs vom Kiez“ indes herrscht reger Betrieb. Umso mehr treibt die Chaos-Familie im Schmidt Theater ihr (a-)sozial-musikalisches Unwesen.

Daran hat auch die lebenslange Sofortrente nichts geändert, die Oma König bei der Glücksspirale gewonnen hat. Außer, dass die gemeinsame Kellerwohnung für ihren Sohn alias Käpt’n König und dessen vier Kinder mit Samtvorhängen, Stuhlbezügen und moderrner Einbauküche (von Bühnenbildner Heiko de Boer) aufgehübscht worden ist. „Die Königs schenken nach!“, wie die bei der Uraufführung ekstatisch gefeierte Fortsetzung der seit fast einem Jahrzehnt überaus erfolgreichen Musical-Komödie heißt, hat das Zeug zu einer weiteren Zugnummer.

Musical-Kritik: Kiez-Familie „König“ rockt aufs Neue das Schmidt Theater

Das Kreativduo Martin Lingnau/Heiko Wohlgemuth hat mit seinem neuen Co-Autor Mark Needham dem Kiez-Volk einmal mehr aufs Maul geschaut und den teils derben, meist aber menschenverbinden Humor in zündende Dialoge verpackt. Regisseur Wohlgemuth kann sich dabei auf die bewährten Hauptdarsteller aus dem ersten Teil stützen, gewährt auch den Neulingen im siebenköpfigen Ensemble Freiräume, hätte die Zügel im zweiten Akt gern noch etwas mehr anziehen können. Einen Fixpunkt des Mehr-Generationen-Stücks bildet wiederum die turbulente (Nicht-)Beziehung der liebestollen Nachbarin zu Käpt’n König, Götz Fuhrmann spielt ihn als Taugenichts und Trunkenbold, der auch als Wirt nichts wird. „Du säufst seit drei Wochen durch“, zürnt Carolin Spieß als vermeintlich Schwangere. „Und du bist kein bisschen schöner geworden“, kontert Fuhrmann alias König.

In der Tat hat Carolin Spieß als - mit Verlaub - dicke Berta in Kittel und schrillen Leggins den Mut zur ungeschminkten Offenherzigkeit und ihre Ohren fast überall. Die „Heidi Kabel vom Kiez“, wie sie im Schmidt Theater schon genannt wird, spielt, singt und tanzt außerdem „Mit den Waffen einer Frau“, dass der ihr auf den Leib geschriebene Rock-Song als Hit im Ohr bleibt. Ohnehin hat Komponist Lingnau dieses Musical rockiger angelegt als den Vorgänger, was anrührende Duette wie „Nichts von mir“ von Lisa Huk und Janice Rudelsberger (als Schwestern Pamela und Marie) nicht ausschließt.

Gemeinsames Lied für St.-Pauli und HSV-Fans

Sogar ein gemeinsames Lied für St.-Pauli- und HSV-Fans, „Auf’m Platz sind alle gleich“, haben die Macher ins Musical integriert. Denn die Suche nach seinem verlorenen Enkel namens Brutus führt FC-Dauerkarten-Inhaber Käpt’n König ausgerechnet in eine HSV-Kneipe in Bahrenfeld - das Kostüm von Maskotchen „Dino Hermann“ taugt da nur bedingt als Schutzkleidung. Dass Mutter Pamela ihr Kind einem gewissen Dropoff als Leihmutter verkauft hat, sorgt für zusätzliche Spannung. Immer wenn Veit Schäfermeier gekonnt als klischeebeladenes Mitglied der Russen-Mafia (in weißem Pelzmantel!) bei den Königs vorfährt und in deren „Souterrain des Lebens“ eindringt, weht ein eisiger, ja bedrohlicher Wind.

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Das von Markus Bingel und später als zweiter Zugabe vom gesamten Ensemble angestimmte Mitsing-Lied „Keiner hat Arschlöcher gern“ sorgt für warmherzige Schlussakkorde. Dazu können „Die Königs“ dann auch im Winter nachschenken.

„Die Königs schenken nach!“ wieder Sa 4.6., 20.00, bis 31.7. (außer Mo) „Königs im Doppelpack: Die volle Dröhnung“ Sa 30.7., 15.00 und 20.00, Schmidt Theater (U St. Pauli), Spielbudenplatz 24/25, Karten ab 27,30 unter T. 31 77 88 99; www.tivoli.de