Hamburg. US-Schriftsteller las im Rolf-Liebermann-Studio in Hamburg. Zur Bezeichnung „Familienroman“ für seine Bücher hat er dezidierte Meinung.

Im Hintergrund, eingerahmt von einer schlanken, geschmackvollen Küche (nach allem, was man erkennen kann), steht ein Gebinde mit aufragender Sonnenblume.

Wir stellen uns vor: Draußen scheint die Sonne. Muss sie einfach; es ist Kalifornien. Und der Mann, der hier im Bildvordergrund sehr aufmerksam und aufgeräumt zum Früher-Nachmittag-Talk in die Kamera schaut, ist eh ein Freund der Sonne.

Jonathan Franzens neuer Roman „Crossroads“ wird von Kritikern und Kritikerinnen, Leserinnen und Lesern derzeit gleichermaßen bejubelt. In Deutschland steht das Buch auf Platz eins der „Spiegel“-Bestsellerliste. Franzens Status als Lieblingsautor aller Popcornkino-Connaisseure, die es zwischen zwei Buchdeckeln gerne so ergreifend und unterhaltend haben wie bei Leinwandwerken, ist neu zementiert.

Lesung in Hamburg: Franzen versteht und spricht Deutsch

Wobei der 62-jährige Franzen, der am Sonnabend fast in Hamburg, aber genauerweise eben lediglich aus Santa Cruz zugeschaltet war – um Ortszeit halb zwei, in Hamburg war es halb acht am Abend –, mit einer Zuschreibung aufräumte. „Crossroads“, jener erste Band einer geplanten Trilogie, sei sein erster tatsächlicher Familienroman, teilte er den Leuten im Rolf-Liebermann-Studio mit. Dort saß brav zur Livestream- und Hörfunkaufnahme versammelt das gebildete Publikum, um dem germanophilen Amerikaner zu lauschen. Deutsch sprach Jonathan Franzen nicht diesmal, aber die Fragen an ihn brauchte NDR-Moderator Jan Ehlert auf Franzens Geheiß hin nicht zu übersetzen.

Also: „Buddenbrooks“, sagte Franzen, „das ist ein Familienroman“. Seine älteren Bücher, „Die Korrekturen“ etwa oder „Freiheit“, seien aber keine. Man hefte, führte er weiter aus, den griechischen Dramen oder denen Shakespeares ja auch nicht das Etikett „Familie“ an, obwohl auch dort immer von Familien erzählt werde.

Alle nahmen Drogen in den 70ern

Was Franzen ausdrücken wollte, ist leicht nachvollziehbar. Auch die Gesellschaftsgeschichte lässt sich am besten mit Menschen erzählen und dort mit denen, die zusammenleben. Im Hinblick auf seinen Roman „Crossroads“, der von den 1970er-Jahren handelt, der Pastorenfamilie Hildebrandt, den Wünschen, Sehnsüchten und Konflikten von Vater Russ, Mutter Marion und den vier Kindern Clem, Becky, Perry und Judson, verbat sich Franzen aber kategorisch den Terminus „dysfunktional“. „Familien sind so, sie sind funktional, obwohl gestritten wird“, sagte Franzen.

Bernt Hahn las den deutschen Text, Franzen zwischendurch ein Kapitel auf Englisch. Als Hahn auf Deutsch die Passage von Pastor Hildebrands schlechtem Marihuana-Trip las, grinste Franzen. Und berichtete von seinen Eltern („Sie waren fantastisch, um das zu begreifen, brauchte ich 30 Jahre“), von Drogen („In den 70ern waren sie überall“), dem Aufbau seines neuen Romans („Ich habe zuletzt viel von Elena Ferrante gelernt“) und der Idee einer Trilogie: „Man spart trotz bereits etablierter Charaktere keine Zeit, weil jeder Roman für sich stehen soll.“ Etwas einfach fortschreiben, sagte Franzen, „das ist zu langweilig“.