Hamburg. Rudolf Buchbinder und das Felix Mendelssohn Jugendorchester gaben im Großen Saal ein Konzert von und für den Nachwuchs.
Die Behauptung, Klassik sei nur etwas für ältere Semester, hält sich ja erstaunlich hartnäckig. Umso schöner, wenn sie so eindeutig widerlegt wird. Pulks von Schülerinnen und Schülern wuseln durchs Foyer der Elbphilharmonie, schießen Gruppenselfies und bestaunen die Aussicht.
Im Großen Saal ein ähnliches Bild. Auf der Bühne fast ausschließlich Menschen, die den Jahrtausendwechsel noch nicht miterlebt haben: Das Felix Mendelssohn Jugendorchester, besetzt mit Talenten aus Hamburg und Umgebung zwischen elf und 25 Jahren. Eine super Sache, auch weil die ethnische Vielfalt der Gesellschaft im Ensemble abgebildet ist – und natürlich wegen der künstlerischen Qualität.
Mahlers Erste: Hoher Anspruch beim Orchester-Nachwuchs
Der hohe Anspruch zeigt sich schon in der Programmauswahl, mit dem Klavierkonzert von Schumann und Mahlers Erster. Ein Pensum, das selbst für erwachsene Profis knackig wäre. Durch die kniffligen Rhythmen ist Schumanns Konzert nicht einfach zu begleiten. Doch das junge Orchester spielt höchstkonzentriert und hat erfahrene Mentoren an der Seite: Clemens Malich dirigiert mit klaren Gesten, der renommierte Pianist Rudolf Buchbinder atmet und phrasiert organisch. Er lässt den Flügel singen. Eine Einladung, die seine jungen Kolleginnen und Kollegen gern annehmen. Man spürt, wie sie mit den romantischen Themen mitschwelgen und den eigentümlichen, mitunter fast jazzigen Groove des Stücks aufsaugen.
Ein starker Start. Aber Hauptwerk des Abends ist die Mahler-Sinfonie, in der Hamburger Fassung. Ein gut einstündiges Stück, das mit einer Fülle an Ideen, Farben und emotionalen Kontrasten fesselt. Faszinierend zu erleben, wie die Musikerinnen und Musiker, hellwach bis in die Haarspitzen, in diesen Kosmos eintauchen.
Das Jugendorchester fängt sich auch auf der sinfonischen Langstrecke
In die Naturstimmung zu Beginn, mit ihrem Streichernebel, aus dem ein (Klarinetten-)Kuckuck hervorruft und das Hauptthema vorbereitet. In den Trauermarsch, der das Lied „Bruder Jakob“ nach Moll abdunkelt. Aber auch in die derbe Dorftanzatmosphäre des Ländlers. Hier muss Malich ganz schön arbeiten, um den Laden zusammenzuhalten. Natürlich kommt das Orchester an seine Grenzen. In der Mitte der Sinfonie ist der Kräfteverschleiß zu spüren, da franst die Intonation etwas aus. Doch die junge Truppe fängt sich wieder. Sehr beeindruckend.
Manche Solisten sind so souverän und sicher, dass man ihnen sofort eine professionelle Laufbahn anraten möchte. Aber noch viel wichtiger ist die gemeinsame Erfahrung, das Teamwork. Auch und gerade dann, wenn mal etwas schief geht, wenn man vielleicht Pech hat mit dem Instrument und die Kollegin aushilft – so dass am Ende nicht das Problem, sondern dessen Lösung in Erinnerung bleibt. Wie dieses junge Kollektiv zusammen durch Dick und Dünn geht, sich gegenseitig unterstützt und ein tiefes musikalisches Erlebnis teilt – das ist eine unglaublich wertvolle Erfahrung. Auch für das Publikum.