Hamburg. Kurt Collien holte die Fab Four 1966 in die Stadt. Enkel Thomas bringt Beatles-Musical „All You Need Is Love“ ins St. Pauli Theater.
Eines vorweg: Die Geschichte der Beatles muss und kann nicht umgeschrieben werden. Bestimmte Kapitel über die „Fab Four“ lassen sich jedoch immer mal wieder-, womöglich sogar neu entdecken. Das ist Thomas Collien bewusst, wenn er einen dicken Ordner über die legendäre Band aus Liverpool zur Hand nimmt. Der Besitzer des St. Pauli Theaters hat ihn selbst zusammengestellt. Im Ordner finden sich Schriftstücke, die einen besonderen Abschnitt der Beatles-Beziehung zu Hamburg dokumentieren.
Es geht um die letzten hiesigen Auftritte der Beatles und deren kuriose Umstände. Die „Bravo-Beatles-Blitztournee“ brachte die „Pilzköpfe“ nach fast vier Jahren Hamburg-Abstinenz am 26. Juni 1966 zurück - und jede Menge Arbeit, Aufsehen und Ärger für den örtlichen Veranstalter.
St. Pauli Theater: „Blitztour“: Als die Beatles in Hamburg für Hysterie sorgten
Es war die Konzertdirektion Collien. Die hatte Thomas Colliens Großvater Kurt 1932 in Hamburg gegründet. Für die beiden Beatles-Auftritte in der legendären Ernst-Merck-Halle nahe Planten un Blomen hatte der Tournee-Veranstalter Charlie Baumann als örtlichen Arrangeur Kurt Collien mit ins Boot geholt, der zuvor Weltstars wie Maria Callas und Marlene Dietrich in Deutschland präsentiert hatte. 1966 waren auch die Beatles längst zu internationalen Stars gereift - gestiegene Gagen und Hysterie inbegriffen.
Das weiß auch Thomas Collien, der erst drei Monate nach dem Beatles-Gastspiel geboren wurde, wenn er Inserate und Ankündigungen zum Vorverkaufs-Start am 16. Mai ‘66 „am St. Pauli Fußballplatz“ auf dem Heiligengeistfeld betrachtet. Zwischen zehn und 20 D-Mark kosteten die Eintrittskarten, die beiden Konzerte am Nachmittag und am Abend jenes Juni-Sonntags waren mit jeweils 5600 Menschen komplett ausverkauft und brachten zweimal 81.000 D-Mark Bruttoeinnahme. Jedoch war der ganze Stab der Konzertdirektion Collien fünf Wochen lang mit den Vorbereitungen ausgelastet. In Thomas Colliens Ordner finden sich auch „Teilnehmerkarten“ und eine Gästeliste. „Darauf stand gleich dreimal der Name Helmut Schmidt“, wundert sich Collien über die Wünsche des damaligen SPD-Vize-Fraktionschefs im Bund. Kammerspiele-Prinzipalin Ida Ehre und Bill Ramsey waren weitere illustre Namen auf der Liste.
Viel Aufwand für Kurt Collien, denn Planten-un-Blomen-Direktor Albert Lubisch weigerte sich, Stühle für die damals üblichen Sitzkonzerte herauszurücken. Deshalb musste Collien Mobiliar mieten.
Rechnung über 5000 Mark
Beim „Fest der langen Mähnen“, wie das Abendblatt den „harmlosen Rhythmusrausch der jungen Massen“ seinerzeit beschrieb, blieb es trotz des Lärms mit Geschrei, Jubel und Getrampel in der Halle weitgehend friedlich. Collien erhielt von der Firma Apfelstedt + Hornung wegen 50 demolierter Stühle dennoch eine Rechnung über 5000 Mark. Die gesamte Schadensmeldung an die Nordstern-Versicherung, Enkel Thomas hat es schriftlich, betrug 6131 Mark - heute nur „Peanuts“.
Jedoch herrschte vor und nach den Konzerten der Beatles in Hamburg Ausnahmezustand. Zunächst versuchten Tausende rund um den Dammtor-Bahnhof den Eingang von Planten un Blomen zu stürmen. Wasserwerfer fuhren vor, ein Großaufgebot von Schutzpolizisten hatte Mühe, den Verkehr zu regeln. Anschließend kam es in der Innenstadt, auf der Mönckebergstraße und am Gänsemarkt, zu Krawallen. Die Bilanz: 117 vorläufige Festnahmen, acht verletzte Polizisten, zwei Krankenhaus-Einweisungen.
Heute sagt Thomas Collien: „Die Umstände waren für meinen Großvater der Grund, anschließend nicht mehr als Veranstalter von Pop- und Rock-Konzerten aufzutreten.“ Zur Freude manch lokaler Konkurrenten. Bis 1970 betrieb Kurt Collien, mit seinem Sohn Michael, das Operettenhaus. Dann übernahmen die beiden die Leitung des St. Pauli Theaters. Im Jahr 1987 stieg auch sein Enkel Thomas ein.
Schon als er 2001 die Geschäfte im denkmalgeschützten Haus übernahm, knüpfte Collien junior indirekt an die familiäre Tradition als Beatles-Veranstalter an. Im St. Pauli Theater präsentierte er erstmals „All You Need Is Love“. Das Beatles-Musical mit sieben Mitwirkenden wird getragen von der Band Twist & Shout, deren Mitglieder nicht nur optisch das Gefühl vermitteln, die „Fab Four“ wären bis heute als gesangsstarke Gruppe unterwegs. Auch in Hamburg, wo Twist & Shout für das siebenköpfige Sommergastspiel kürzlich ein Showcase gab.
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Im kleinen Indra an der Großen Freiheit, der erste von vier Clubs auf St. Pauli (danach Kaiserkeller, Top Ten und Star-Club), den die Beatles Anfang der 1960er bespielt hatten, rockte das Quartett – erst in Lederjacken, dann in feschen Sixties-Anzügen -, als wäre die Original-Band noch immer auf Tour. Alan LeBoeuf (als Paul McCartney) Howard Arthur (John Lennon), John Brosnan (George Harrison) und Carmine Francis Grippo (Ringo Starr) zeigten sich unter ihren stilechten Plizkopf-Perücken im Kopf flexibel: „Get Back“ und „With A Little Help From My Friends“ nahmen sie spontan auf die achtteilige Setlist. Kein Wunder - bis auf Alan Boeuf, der 2008 Tony Kishman als Paul ablöste, sind alle seit Gründung vor zwei Jahrzehnten bei Twist & Shout am Start.
Engländer ist übrigens keiner der vier, „Ich weiß natürlich, dass die Beatles hier auf St. Pauli groß geworden sind. Und Hamburg hat einfach dieses besondere Beatles-Gefühl“, sagte Le Boeuf nach dem überzeugenden Kurz-Konzert im Indra. Der US-Sänger, Schauspieler, Songwriter und Bassist hatte als McCartney in der Broadway-Show „Beatlemania“ seinen ersten großen Erfolg. Im St. Pauli Theater wird er nun noch mal die Anfänge der Beatles in Hamburg durchleben, dabei Tony Sheridan und Bert Kaempfert begegnen und im zweiten Akt mit Twist & Shout konzerttechnisch durchstarten.
Twist & Shout „die weltweit beste Tribute-Band der Beatles“
Für Thomas Collien ist Twist & Shout bis heute „die weltweit beste Tribute-Band der Beatles“. „Da diesmal keine Ausschreitungen zu erwarten sind, veranstalte ich das Beatles-Musical gern in diesem Sommer“, scherzt der Theatermacher. „Und die ehemaligen Teens und Twens sind ja auch reifer geworden.“
„All You Need Is Love“ ab Di 7./Mi 8.6., Premiere Do 9.6., bis 31.7., 19.30 (außer Mo), Sa 17.00 u. 21.00, St. Pauli Theater, Karten zu 36.90 bis 69,90 in der Abendblatt-Geschäftsstelle, Großer Burstah 18-32, T. 30 30 98 98