Hamburg. Die Kremerata Baltica und der lettische Geiger Gidon Kremer spielten Piazzolla beim Argerich-Festival.

Tango, jaja, schon klar. Senkrechte Gedanken, die man waagerecht tanzen kann und so, die Klischees eben. Für den lettischen Geiger Gidon Kremer und sein Kammerorchester Kremerata Baltica ist dieses Musikgenre aber weit mehr – und es ist ihm weit wichtiger als anderen. Dass er die Gelegenheit einer Einladung zu Martha Argerichs Laeiszhallen-Festival nutzte, um zunächst allein ein Best-of-Astor-Piazzolla-Programm vorzustellen, war also mehr als nur ein Probelauf für den morgigen gemeinsamen Auftritt.

In Piazzollas mal schroff abgezirkelter, mal frei vor sich hin fallender Musik ist es immer kurz vor Absturz. Nach einem ungetrübt hellen Dur-Akkord darf man lange suchen, die Stücke brodeln oft zunächst vor sich hin, mit der Andeutung des Rhythmus, bevor sich dann Frust, Lust und andere Leidenschaften stolz und verzweifelt in den Vordergrund seufzen. Genau so – übrigens vor sehr überschaubarem Publikum – spielten die Anwesenden dann auch die Auswahl aus dem Werkkatalog des Argentiniers.

Schroffschöne Tongebung

Mal nur das Orchester, mal mit dem Gründer, mal mit Gästen und Gleichgesinnten. Erster Mit-Solist war der junge lettische Pianist Georgijs Osokins, der sich (auf einer sehr ungesund aussehenden extraniedrigen Klavierbank von unten kommend) mit einer zartbitteren Inbrunst in seine Soli warf, als gäbe es nichts Schöneres. Auch der norwegische Bandoneonist Per Arne Glorvigen, so etwas wie das Body-Double des 1992 verstorbenen Piazzolla, atmete und litt mit der Musik, besonders ergreifend im Klassiker „Tristezas para un AA“.

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Seinen ersten tollen Auftritt hatte Kremer, mit angemessen herber, schroffschöner Tongebung, in Gubaidulinas Bearbeitung von „Le Grand Tango“. Jede Phrase knurrte: Schön und harmlos? Gibt’s hier nicht. Und nach so viel argentinischer Strenge war Kremers Stehgeiger-Zugabe, eine Bearbeitung vom Evergreen „Schwarze Augen“ des lettischen „Tango-Königs“ Oscar Strock, eine rührende Verbeugung vor jener Sorte Schieber-Tango, den man früher auf Tanztees einsamen Herzen zur schnelleren Heilung verabreichte.

Kremer-Termine mit Martha Argerich: 25.6., 18 / 20.30 Uhr. Werke von Prokofjew, Weinberg, Piazzolla, Kreisler u. a. Laeiszhalle, Gr. Saal. Infos: www.symphonikerhamburg.de