Hamburg. Thomas Mann war für Buck „nicht so meins“. Dennoch hat er „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“ verfilmt. Wie es dazu kam.
Ins feine Hotel de Rome kommt er betont leger, barfuß in Sandalen und in einem Outfit, das wie ein Pyjama aussieht. Schon rein optisch setzt Detlev Buck da den größtmöglichen Kontrast. Denn mit „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull“, der am Donnerstag ins Kino kommt, hat sich der Regisseur an einen der Großen der deutschen Hochkultur gewagt und einen Roman von Thomas Mann verfilmt.
Dabei ist der 58-Jährige für seinen trockenen, bodenständigen Humor bekannt, den man eher nicht mit Manns feiner Ironie verbinden würde. Wir haben mit Detlev Buck gesprochen, kurz vor den Dreharbeiten zu seinem nächsten Film: „Bibi und Tina – Alles wird anders“.
Herr Buck, wie kamen Sie auf Thomas Mann? Sie würde man nicht unbedingt zusammenbringen, oder?
Detlev Buck Die Idee war nicht von mir. Das war der Produzent Marcus Zimmer, der meinte, ich könnte das machen. Ich hab nur gesagt: Wo ist das Drehbuch? Da bin ich ja mal gespannt. Da hat er nur mit den Schultern gezuckt. Helmut Dietl ließ mich auch mal nach München einfliegen, weil er die Idee hatte, ich könnte Goethes „Faust“ machen.
Da habe ich auch gefragt: Wo ist das Drehbuch? Und er meinte: Das kannst du auch machen. Na super! Ich hab’ da höflich abgelehnt. Hier war es aber so, dass ich zwei Thomas-Mann-Fans kenne. Daniel Kehlmann und Ferdinand von Schirach. Beide habe ich gefragt und Daniel hatte Zeit.
Ist ein zweiter Schriftsteller wie Kehlmann so eine Art Rückversicherung, wenn man sich an Nobelpreisträger wagt?
Vielleicht, ja. Mit Daniel bin ich befreundet, mit ihm habe ich schon „Die Vermessung der Welt“ gemacht. Deshalb lag das auf der Hand. Für mich ist das ein Eintritt in eine ganz andere Welt. Aber Daniel ist jemand, der sich auskennt mit Thomas Mann. Und diese Sprache liebt. Wirklich liebt. Er nennt ihn auch Tommy. Das zeigt schon den Unterschied.
Haben Sie denn Thomas Mann gelesen?
Wie alle, nur in der Schule. „Buddenbrooks“ und so. Und das war nicht so meins. Aber das ist ja das Schöne am Filmemachen: Man taucht in eine Welt ein, die man nicht so kennt. Und hat dann doch mehr damit zu tun, als man dachte. Wenn Thomas Mann in Lübeck erfahren hätte, dass 30 Kilometer entfernt ein Detlev Buck eines seiner Werke verfilmt, hätte er sicher auch gesagt: Ich glaube nicht, dass dieser Mann der Richtige ist. Aber im Nachhinein würde er vielleicht sagen: Doch, er hat mehr mit meiner Welt zu tun, als ich dachte.
Man nähert sich an so einen Kosmos, findet auch die verwundbaren Punkte eines Thomas Mann. Der war ja ein Gefangener, der sich gern aus seiner Welt geträumt hätte. Diese Eigenschaften scheint er dem Krull geschenkt zu haben, der sich durch die Welt schlingelt. Der ist ja kein richtiger Hochstapler, eher einer, der in die Welt und das Leben verliebt ist. So eine Naivität im positiven Sinne und eine Leichtigkeit, die in unserer heutigen digitalisierten Welt ein bisschen fehlt.
Ihr Humor ist eher direkt, manchmal auch derb, der von Thomas Mann dagegen fein und ironisch. Wie passt das zusammen?
Wir haben uns Thomas Mann mal angehört. Der hat ja viele seiner Werke selbst eingelesen, auch auf Schallplatte. Und da merkt man erst, wie laaangsaaam und genau er spricht. Da liegt der Witz vor allem in der Sprache und der Formulierung. Das hat man in den steifen 50er-Jahren wohl auch sehr lustig gefunden. Für mich entsteht eine komische Situation aber eher aus dem Charakter heraus. Bei uns ist Graf Venosta ja viel liebeskranker als im Buch. Nichts ist komischer als verliebte Männer. Ein komischer Mann war damals komisch und ist es heute noch.
Kannten Sie die beiden früheren Verfilmungen, haben Sie die noch mal studiert?
Die mit Horst Buchholz ist ja schon aus den 50er-Jahren. Die Musterungsszene damals ist so ausgedehnt, das würde heute nicht mehr funktionieren. Die 80er-Jahre-Version mit dem Schönling Moulder-Brown geht auch nicht. Es war eher das Werk von Thomas Mann und Daniels Wissen über ihn, das uns inspiriert hat.
Sie gewichten vieles ganz anders als im Roman. War das auch eine Prämisse, wir wollen das noch mal ganz anders erzählen?
Ja, all diese hochübersteigerten Szenen, die funktionieren im Film nicht ohne einen Bogen. Auch nach hinten raus, das zerfasert alles. Nein, das musste alles vorangetrieben werden. So kamen wir auf unsere Ménage à trois. Das ist ein Höhe- und Wendepunkt.
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Sie spielen auch mit, in der Musterungsszene. Die kennt man am besten aus dem Film mit Horst Buchholz. War die besonders schwer, weil klar ist, da vergleicht jeder?
Nö, würde ich nicht sagen. Sich übers Militär lustig zu machen, das war in den 50ern, so kurz nach dem Krieg, vielleicht ein Knaller. Aber heute hat das so einen Bart. Wir haben’s einfach rumgedreht: Die kennen den Trick mit den epileptischen Anfällen. Da muss er sich dann halt schnell was anderes einfallen lassen.
Wenn Sie in Uniform rumschnauzen, ist das auch eine Metapher? Muss man als Regisseur manchmal ein strenges Regiment führen und etwas Drill in den Dreh bringen?
Ich bin halt ein Uniformtyp (lacht). Ich trag die Dinger oft. Das scheint mir wohl gegeben. Nö, das ist komisch, weil ich gerade nicht so bin. Wenn man sich einen Film ausdenkt, wäre es fatal, wenn man an seiner Linie festhält. Und auch langweilig. Man muss sich überraschen lassen. Ich lass da vieles zu. Aber wenn ich weiß, was richtig ist, treibe ich es auch dahin. Denn am Ende musst du ja die Verantwortung übernehmen.
Wenn du Scheiße gebaut hast oder der Film völlig unstimmig ist, kannst du dich nicht wegdrücken. Da mogle ich mich nicht raus und sag’, das war der Produzent oder die schlechte Laune eines Schauspielers. Nee, ich steh’ zu dem, was ich mache. Manchmal kommt das nicht so an. Dann muss man die Keile auch einstecken.
Kino ist immer auch Traumfabrik und Illusionsmaschinerie. Gehört da ein bisschen Hochstapelei immer mit dazu?
Ja, absolut. Manche können das sogar sehr gut. Wo ich sage, das ist doch nur warme Luft in Tüten, aber es funktioniert. Am Ende ist ein Film aber auch ein Gebilde, das nicht greifbar ist. Das hast du oft, dass du einen Film faszinierend findest, auch wenn du ihn nicht verstanden hast. Das ist dann schon die Gabe der Verführung.
Im Lockdown haben auch die Letzten das Streamen gelernt. Auch Ihr letzter Film „Wir können nicht anders“ konnte nur gestreamt werden. Was glauben Sie, werden die Zuschauer ins Kino zurückkehren?
Die Branche ist ja sehr optimistisch. Aber die ist immer optimistischer als andere, das gehört zum Business. Ich hab’ die Angst, dass es am Ende nur noch Ketten gibt. Bei den Kinos, aber auch bei den Filmen. Ein Teil Neun ist immer leichter zu finanzieren als ein Teil Eins. Kino wird’s immer geben, irgendwie. Aber originäre Geschichten haben es immer schwerer. Du hast heute nur ein, zwei Knaller, das Mittelfeld ist komplett weg, und dann gibt es noch ganz viele Filme, die sich um den Rest der Aufmerksamkeit hauen. Ob das Publikum noch ein Verständnis für eine solche Kinovielfalt hat, wird sich in den nächsten Monaten zeigen. Selbstverständlich ist es nicht.
Kriegt man das auch als Regisseur zu spüren und als Produzent, der Sie ja auch sind?
Na klar. Das ist eine deutliche Veränderung. Ich wäre früher nie auf die Idee gekommen, „Männerpension 2“ zu machen. Ich wollte nur einzigartige Sachen machen. Aber inzwischen ist es schon ganz selbstverständlich, dass Produzenten und Verleiher sagen, du musst gleich einen zweiten Teil dranhängen. Auch die Vermarktung wird immer schwieriger. Selbst ein Thomas Mann ist schwer zu vermarkten.
Ich hätte den Film am liebsten an Weihnachten gesehen, ich finde, das ist ein Wohlfühlfilm für die ganze Familie. Und für die dunkle Jahreszeit. Aber jetzt startet er schon im September, wenn’s draußen noch hell ist. Darauf hast du keinen Einfluss. Aber vielleicht hält er sich ja bis Weihnachten!
Der Film läuft ab Donnerstag (2.9.) u.a. im Abaton, Koralle, Zeise. Am 11.9., 20.30 Uhr, ist Detlev Buck zu Gast in der Koralle