Hamburg. Der Film „Lindenberg! Mach dein Ding“ startet heute. Was den Hauptdarsteller am Wochenende nach Hamburg treibt.
Es ist seine erste große Rolle in einem Kinofilm, und Jan Bülow spielt in „Lindenberg! Mach dein Ding“ den Nuschelsänger total überzeugend und absolut preisverdächtig. Singen konnte er auch vorher schon, Schlagzeug spielen hat er für die Rolle gelernt. Welchen Rockstar er in Hamburg zum ersten Mal live auf der Bühne gesehen hat, verrät der 23 Jahre alte Berliner im Interview. Am Wochenende steht Bülow bei zwei Gastspielen des Wiener Burgtheaters auf der Bühne des Thalia Theaters, Sonntag kommt er auch ins Zeise-Kino.
Hamburger Abendblatt: Wie haben Sie reagiert, als man Ihnen vorschlug, Udo Lindenberg zu spielen?
Jan Bülow: Wir mussten vorher viele Hürden nehmen. Es schien daran zu scheitern, dass ich noch in Zürich am Theater engagiert war und dort auch gleich eine Hauptrolle übernommen hatte. Es wechselte ständig zwischen „Du machst es“ und „Es wird wahrscheinlich nichts“. Ich habe ausdrücklich gesagt, ich will das unbedingt machen, ich verbiege mich dafür in allen Belangen. Habe ich jetzt auch getan. Als es am Ende tatsächlich feststand, war ich total unterspannt, ich werde in solchen Situationen immer so seltsam emotionslos. Dabei war ich eigentlich begeistert. Bin ich immer noch.
Was macht es mit Ihnen, wenn Sie sich so sehr auf das Leben eines anderen Menschen einlassen?
Bülow: Es ist doch immer interessant, sich zu fragen, wo kommen die Leute eigentlich her? Ob das nun ein Superstar ist oder nicht. Lebensverläufe interessieren mich. Was sind die Einflüsse, welche Vorbilder gibt es? Ich war informationsgierig und habe ja die Ehre gehabt, die ganze Udo-Familie kennenzulernen, seine Entourage und die richtige Familie. Ich fühle mich von denen jetzt ein bisschen aufgenommen. Udo beschäftigt mich immer noch. Das ist mir mit dem „Hamlet“ in Zürich auch so gegangen. Ich bin einfach eingetaucht und habe selten reflektiert, was es mit mir macht.
Haben Udo Lindenberg und seine Musik für Sie vor diesem Film eine größere Rolle gespielt?
Bülow: Natürlich wusste ich, wer er ist. Ich bin in Berlin geboren und aufgewachsen, hatte in der Schule einen Deutsch-Leistungskurs. Ich glaube, seine Texte kamen im Unterricht vor. Die Teilung und Wiedervereinigung haben bei ihm ja eine große Rolle gespielt. Und er hat für die ehemaligen DDR-Bürger ja auch gern zwischen den Zeilen über die Freiheit gesungen. Man kannte ein paar Songs, aber ein Fan war ich nicht. Es ist ganz gut, jemandem nicht zu sehr zu huldigen. Erst jetzt begreife ich, warum ein Mensch, der sich so schräg ausdrückt, mit seinen Songs so viel Erfolg hat. Mein Vater hatte die eine oder andere Vinyl-Platte von ihm, und er hat mir das MTV-Unplugged-Album gegeben. Kurz vor dem Casting habe ich Benjamin von Stuckrad-Barres „Panikherz“ gelesen.
Haben Sie Lieblingssongs?
Bülow: Es werden immer mehr, und sie ändern sich ständig. „Leider nur ein Vakuum“ finde ich toll. „Freitags abends steckt er sich hundert Mark und ‘ne Zahnbürste ein. Er zieht die schnellen Stiefel an. Das ist ein schönes Gefühl, frei zu sein ...“ Der Song beschreibt so gut, wo Udo seine Einflüsse herholt. „Liliputaner (Felix)“ ist auch geil. Es wird nie zynisch oder zu bierernst, und trotzdem steckt da irgendwie immer auch eine Portion „Ernst des Lebens“ drin. Ich mag diese Welt. „Mädchen aus Ostberlin“ ist ein wahnsinnig guter Song. Für den Film musste ich „Andrea Doria“ ungefähr 50-mal singen. Ich habe vorher gedacht, dass ich ihn danach wohl nie wieder hören will. Stimmt aber nicht. „Cello“ ist auch wunderschön.
Sie haben die Songs selbst eingesungen. Das Schlagzeugspielen mussten Sie vorher aber noch lernen, oder?
Bülow: Darauf bin ich fast am stolzesten, denn ich habe mich akribisch vorbereitet. Beim Singen hatte ich nur wenig Skrupel, denn ich bin ein musikalischer Mensch. Beim Schlagzeug habe ich bei Null angefangen und hatte einen Monat Zeit, es zu erlernen. Schlagzeug ist ein frustrierendes Instrument, wenn man bei Null anfängt. Am Anfang klingt es überhaupt nicht wie Musik. Und man muss den Gliedmaßen sagen: Ihr habt jetzt alle etwas anderes zu tun. Es dauert Wochen, bis man das versteht. Und dann soll es auch noch lässig aussehen. Manchmal bin ich sogar abends in dem Proberaum in Berlin-Kreuzberg eingenickt. Ein bisschen wurde bei mir nachgeholfen. Udo war ja nicht irgendein Drummer, sondern einer der besten.
Bisher waren Ihre Städte Berlin, Zürich und Wien. Mit Hamburg hatten Sie bisher noch nicht viel am Hut, aber das ändert sich, Sie kommen am Wochenende mit „Die Edda“ zu einem Gastspiel ans Thalia Theater.
Bülow: Es ist ein wahnsinniger Zufall, das wird mein erster Theaterauftritt in Hamburg. Während meiner Zeit an der Schauspielschule war ich auch des Öfteren zwei, drei Tage hier, um mir Theaterstücke anzuschauen und fand es super. Ich habe zu dieser Stadt eine Art Fernbeziehung. Mein erstes großes Konzert war übrigens an meinem Geburtstag, dem 21. Juni 2008, im Volksparkstadion Bruce Springsteen und die E Street Band. Inzwischen habe ich ihn viermal gesehen.
Was können Sie zu Ihrer Rolle in der „Edda“ sagen?
Bülow: Da habe ich mehrere. Im ersten Teil ist es nur ein kleiner Auftritt. Da spiele ich einen Gott namens Frey.
Die Fotos sehen ziemlich spektakulär aus.
Bülow: Es ist wohl ein visueller Leckerbissen. Die „Edda“ ist schwer chronologisch zu erzählen. Es heißt: „Der Anfang ist das Ende und auch andersherum.“ Es sind aufgelistete Erzählungen, die irgendwie zusammenhängen. Meine zweite Figur ist der Baldur, der Gott des Lichts, der Schönheit und aller ewigen Dinge. Der fantasiert immer so ein bisschen vom Ableben, weil ihn alles langweilt. Im Februar arbeite ich wieder mit dem isländischen Regisseur Thorleif Örn Anarsson in Wien. Wir geben „Peer Gynt“, und ich spiele die Titelrolle, bin aber nicht der Einzige, der die spielt.
Sehen Sie Ihre Zukunft eher vor der Kamera oder auf der Bühne?
Bülow: Jeder träumt davon, beides zu machen. Genau so, wie es jetzt ist, ist es gut. Ich lebe gerade meinen Traum. Ich war übrigens schon vorher ein Musikfilm-Fanatiker. Einer meiner Lieblingsfilme ist „The Commitments“ von Alan Parker. Wenn ich einmal im Jahr so einen großen Film machen kann, würde ich es gern so weitermachen. Theater ist ein bisschen mehr Handwerk. Beim Film gibt es auch viel mehr Komfort, zum Beispiel wird man überall hingefahren. Das ist ja auch schön und gut, aber es ist auch in Ordnung, mal wieder mit der S-Bahn zur Probebühne zu fahren. Wenn man im Theater sagen würde: „So, jetzt halte mal bitte meinen Regenschirm!“, würde man wahrscheinlich eine geballert bekommen. Und zwar zu Recht.
„Lindenberg! Mach dein Ding“ Der Film läuft ab diesen Do, 16.1., in zahlreichen Hamburger Kinos
„Die Edda“ Sa 18.1., 19.00, + So 19.1., 18.00, Thalia Theater. „Lindenberg!“-Matinee mit Jan Bülow So 19.1., 11.00, im Zeise-Kino