Hamburg/Berlin. Nach spektakulärem Kunstraub in Dresden diskutiert die Branche die Gefahrenlage. Noch im Januar wird in Hamburg beraten.
Am 25. November 2019 hielt die Kunstwelt den Atem an: Einbrecher zerschlugen mit bisher ungekannter Brutalität Vitrinen im Historischen Grünen Gewölbe in Dresden und erbeuteten rund 100 Einzelobjekte aus dem Juwelenzimmer, darunter die Diamantrosengarnitur, die Brillantgarnitur, den Diamantschmuck und die Perlen der Königinnen.
Erschrocken und tief bestürzt zeigten sich die Mitarbeiter der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden (SKD). Nicht nur der materielle Schaden ist immens; die von August dem Starken und August III. erworbenen Schmuckstücke aus dem 18. Jahrhundert sind auch kulturhistorisch besonders wertvoll, ein Staatsschatz. Täter und Raubgut sind bislang spurlos verschwunden.
„Angesichts generalstabsmäßig organisierter, hochkrimineller Täter ist der noch stärkere Schutz unserer Museen und Kultureinrichtungen eine Aufgabe von höchster Priorität“, hatte Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) daraufhin verkündet.
Kunstraub hat Bewusstsein für Sicherheit geschärft
Als Reaktion auf den Dresdner Fall, der „die Kulturnation mitten ins Herz trifft“, wird sie im Frühjahr mit dem Deutschen Museumsbund zu einer Fachtagung einladen, auf der die drängendsten Handlungsfelder ermittelt und Lösungsvorschläge im Hinblick auf neue Sicherheitsstandards oder auf den Einsatz modernster Sicherheitstechnik entwickelt werden sollen. Ganz oben auf der Agenda steht neben den Auswirkungen von Naturkatastrophen die Kriminalitätsabwehr in einer „sich drastisch ändernden Gefahrenlage“, so Grütters.
Auch in Hamburg hat der Kunstraub das Bewusstsein für Sicherheit geschärft. Zwar seien etwa in der Hamburger Kunsthalle „andere Arten von Objekten ausgestellt, als jene, die im Grünen Gewölbe präsentiert werden. Der Schutz müsse den jeweiligen Begebenheiten angepasst sein. Im Zuge der letzten Sanierung wurde der Sicherheitsstandard erheblich erhöht, daran arbeiten wir ständig weiter“, so Direktor Alexander Klar und Geschäftsführer Norbert Kölle.
Dass die Kunsthalle mit einer der bedeutendsten Sammlungen Nordeuropas starkes Interesse daran hat, ihre Objekte vor Raub zu bewahren, ist verständlich. Schließlich ereignete sich hier der bisher größte Hamburger Kunstdiebstahl: Während der Langen Nacht der Museen im Mai 2002 hatten sich Diebe unter die Besucher gemischt und eine durch Plexiglas geschützte Bronzestatue von Alberto Giacometti (Schätzwert: 500.000 Euro) gegen eine einfache Fälschung aus Holz getauscht. Erst Tage später fiel dieser Diebstahl auf.
Werke wurden zum Teil beschädigt
1978 nutzte Jürgen P. die damals komplett veraltete und dauerdefekte Alarmanlage der Kunsthalle aus, um 23 Gemälde im Wert von mehreren Millionen D-Mark zu stehlen, darunter Degas’ Mädchenporträt „Vor dem Spiegel“ und das Bildnis der „Madame Lériaux“ von Renoir. D
ie Werke wurden einfach aus ihren Rahmen geschnitten und dabei zum Teil beschädigt. Der Einbrecher hatte sich nachts im Museum einschließen lassen und konnte mit den Gemälden unter dem Arm aus einem Fenster springen, ohne dass Alarm ausgelöst wurde.
Kopfgeld für den angeblichen Störtebeker-Schädel
Auch das Museum für Hamburgische Geschichte war Opfer eines spektakulären Raubzuges: 2010 wurde der angebliche Schädel des legendären Seeräubers Klaus Störtebeker, eine der Hauptattraktionen des Hauses, gestohlen.
Für die Wiederbeschaffung der Reliquie aus dem frühen 15. Jahrhundert wurde die Bevölkerung aufgerufen, mitzuhelfen; eine Belohnung von 5000 Euro wurde ausgesetzt. Gut ein Jahr später tauchte der Schädel wieder auf. Zwei der drei Angeklagten, die bis zuletzt die Tat bestritten, wurden zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Wie können Objekte gegen Diebstahl geschützt werden?
Im Museum für Kunst und Gewerbe sieht man sich gegen kriminelles Vorgehen gut gerüstet, das Sicherheitskonzept entspräche dem Standard, wie er vom Deutschen Museumsbund empfohlen wird. „Es wird laufend geprüft und überarbeitet“, sagt Direktorin Tulga Beyerle. „Dazu stehen wir im Austausch mit anderen deutschen Museen und arbeiten mit den Kollegen in Hamburg an einem übergreifenden Notfallplan.“
Ende des Monats wollen sich die Direktorinnen und Direktoren mit Kultursenator Carsten Brosda (SPD) darüber beraten, wie Objekte künftig gegen ein derart brutales Vorgehen geschützt werden und gleichzeitig in gewohnter Weise für die Öffentlichkeit zugänglich bleiben können.
Über 70 deutsche Museen bilden Arbeitskreis
Und auch bundesweit hat sich ein Arbeitskreis mit dem Titel „Gebäudemanagement & Sicherheit“ neu gegründet; über 70 deutsche Museen tauschen sich darin aus, darunter auch Mitarbeiter des MARKK, Herberge ethnografischer Kulturschätze aus aller Welt.
„Teilbereiche des Museums werden besonders gesichert“, sagt Direktorin Barbara Plankensteiner. „Wir arbeiten außerdem auf eine Gesamtmodernisierung des Museums hin und planen in diesem Zuge auch unsere Sicherheitssysteme zu erneuern. Wir hoffen, dass die Tagungsergebnisse dazu beitragen, Mittel für die Entwicklung und schnelle Umsetzung moderner Sicherheitskonzepte bereitzustellen.“