Hamburg. Buchautor Michael Buback über erschreckende Parallelen zwischen dem Mord an seinem Vater 1977 und dem Prozess gegen Rechts-Terroristen.
Am Gründonnerstag 1977 wurde Generalbundesanwalt Siegfried Buback in Karlsruhe ermordet, mit ihm sein Fahrer Wolfgang Göbel und der Justizbeamte Georg Wurster. Als seinem Sohn Michael 2007 zugetragen wurde, dass die RAF-Mitglieder Knut Folkerts und Christian Klar nicht die Mörder sein können, begann er zu recherchieren. Seine Erkenntnisse führten 2010 zum Prozess gegen das frühere RAF-Mitglied Verena Becker, die wegen dreifachen Mordes angeklagt wurde. Dieser Prozess, der nun erstmals protokolliert vorliegt, steht im Mittelpunkt des neuen im Osburg Verlag erschienenen Buches von Michael und Elisabeth Buback: „Der General muss weg!“. Gestern fand die Buchpremiere im Gemeindesaal der Sankt-Paulus-Kirche in Billstedt statt.
Hamburger Abendblatt: Vor fast 42 Jahren, am 7. April 1977, ist Ihr Vater Siegfried Buback ermordet worden. Bis heute haben es die Ermittlungsbehörden nicht geschafft, die Mörder zu überführen. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Michael Buback: Das unbefriedigende Ermittlungsergebnis ist vermutlich darin begründet, dass eine von der Bundesanwaltschaft als Karlsruher Mörderin angeklagte Person auch geheime Informantin des Verfassungsschutzes war. Die Kooperation zwischen Terroristen und staatlichen Stellen behindert die Aufklärung der Verbrechen oder verhindert sie sogar. Wegen des Karlsruher Anschlags wurden zwar drei Personen als Mittäter zu lebenslänglich verurteilt. Sie waren aber alle nicht unmittelbar tatbeteiligt, also nicht am Tatort. Übrigens ist von den 34 der RAF zugeordneten Morden einzig das Verbrechen an Jürgen Ponto vollständig aufgeklärt, bei dem die Ehefrau des Opfers Tat und Täter von einem Nebenraum aus beobachtete.
Wie sicher sind Sie, dass Verena Becker, die die Tat im Prozess bestritten hat und nur wegen Beihilfe zum Mord zu vier Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, als Beifahrerin auf dem Motorrad gesessen und auch geschossen hat?
Buback: Bei ihrer und Günter Sonnenbergs Verhaftung in Singen etwa einen Monat nach dem Attentat besaßen die beiden die Karlsruher Tatwaffe und einen Suzuki-Schraubendreher, wie er als einziges Werkzeug im Bordset des Tatmotorrads fehlte. Zudem hatte Verena Becker Munition für die Tatwaffe in ihrer Umhängetasche. Die Haarspur in einem der von den Tätern zurückgelassenen Motorradhelme stimmt – laut einem BKA-Dokument – mit Haaren in Verena Beckers Haarbürste überein. Hinzu kommt, dass die Augenzeugen am Tatort eine Frau auf dem Soziussitz des Tatmotorrads erkannt haben. Ferner berichteten drei Hinweisgeber, sie hätten von Christian Klar erfahren, dass Verena Becker in Karlsruhe geschossen habe. Ein wegen Unterstützung der RAF verurteilter Wissenschaftler erklärte, er habe von Verena Becker selbst erfahren, dass sie Buback erschossen habe. Und ein Verwandter von Verena Becker sagte, sie sei aktiv am Karlsruher Anschlag beteiligt gewesen. In diesem Sinne äußerte sich auch „Bommi“ Baumann, der Verena Becker für terroristische Aktivitäten rekrutiert hat.
Ihr erstes Buch „Der zweite Tod meines Vaters“ war ein Anlass für den zweiten Prozess gegen Verena Becker. Warum jetzt dieses Buch?
Buback: Das erste Buch endet, bevor der Prozess gegen Verena Becker begann. Darin sind die vielen Hinweise geschildert, die uns gegeben wurden und die wir an die Bundesanwaltschaft weitergeleitet haben. Die Behörde klagte daraufhin Verena Becker 2010 an, „gemeinschaftlich mit anderen handelnd durch dieselbe Handlung am 7. April 1977 in Karlsruhe aus niedrigen Beweggründen und heimtückisch drei Menschen getötet zu haben“. Im neuen Buch geht es vor allem um den nachfolgenden Prozess. Auf der Grundlage der genauen Protokolle meiner Frau beschreiben wir, wie es trotz des geradezu erdrückenden Beweismaterials dann doch nicht zur Verurteilung von Verena Becker als Mittäterin, sondern lediglich als Gehilfin bei dem Anschlag kam. Ein weiterer Grund für das Schreiben dieses Buchs war, dass über Siegfried Buback die abwegigen Darstellungen existieren, er sei ein Befürworter von Isolationsfolter und Vernichtungshaft gewesen, es aber bislang keine Beschreibung seines tatsächlichen Wirkens gab.
Der Fall Siegfried Buback
- Am 7. April 1977 waren Generalbundesanwalt Siegfried Buback, der Justizbeamte Georg Wurster und Bubacks Fahrer Wolfgang Göbel in Karlsruhe auf dem Weg zum Bundesgerichtshof, als an einer Ampel von einem Motorrad aus das Feuer auf den Wagen eröffnet wurde.
- Buback und Göbel starben noch am Tatort, Wurster erlag sechs Tage später seinen schweren Verletzungen. Zu dem Attentat bekannte sich das „Kommando Ulrike Meinhof“ der Roten Armee Fraktion. Die Tat wurde bis heute nicht aufgeklärt.
Was sind Ihre wichtigsten Erkenntnisse, haben Sie noch Vertrauen in den Rechtsstaat?
Buback: Es hat sich bewahrheitet, was mir ein Kenner der Materie vor Prozessbeginn sagte: Wenn Geheimdienste involviert sind, wird die Verhandlung zu keiner Klärung führen, aber ich würde diskreditiert und marginalisiert. Wie im Buch beschrieben, hat sich gezeigt, dass die Staatsräson höhere Priorität besitzt als die Klärung eines Dreifachmordes. Noch immer sind Unterlagen gesperrt, die das Gericht im Bemühen um Wahrheitsfindung einsehen wollte. Am Rechtsstaat allgemein zweifle ich nicht, aber ich sehe Mängel im Falle von Staatsschutzstrafsachen, wenn Geheimdienste eine Rolle spielen.
Haben Geheimdienste „eine schützende Hand“ über Verena Becker gehalten?
Buback: Im Verfahren wurde deutlich ausgeführt, die zu Aussagen gegenüber dem Geheimdienst bereiten Personen müssten auf glaubhaften Schutz vertrauen dürfen. Ansonsten entstünde Schaden für die Strafverfolgungsbehörden. Bei Verena Becker steht fest, dass sie geheime Informantin des Verfassungsschutzes war. Demnach müsste auch sie schützende Zusagen erhalten haben. Leider äußert sich der Verfassungsschutz hierzu nicht.
Gibt es Parallelen zum NSU-Prozess?
Buback: In beiden Fällen verschwanden Akten oder wurden Akten vernichtet. Diejenigen, die die Morde ausführten, wurden dafür nicht verurteilt. Die „beiden Uwes“ wurden wegen der zehn, dem NSU zugerechneten Morde nicht bestraft. Sie können auch nicht mehr angeklagt werden, da sie tot sind. Und nach eventuellen anderen oder weiteren Tätern wird wohl gar nicht mehr gesucht. Eine entscheidende Parallele von RAF- und NSU-Verfahren sehe ich im Kontakt des Verfassungsschutzes zu Terroristen oder diesen nahe stehenden Personen.
Was hat Sie als Nebenkläger im Prozess am meisten erschüttert?
Buback: Der im Buch an mehreren Beispielen geschilderte harte Umgang der Bundesanwaltschaft mit den Zeugen, die von einer weiblichen Täterin auf der Suzuki sprachen – dabei hatte die Behörde doch eine Frau als dreifache Mörderin angeklagt.