Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Heute: Louis Gurlitt „Haus am Strand von Sorrent“.

Ach ja, die Deutschen und ihre Liebe zu Italien. Wie so viele seiner Künstlerkollegen zog es auch den Maler Louis Gurlitt (1812–1897) in das südeuropäische Land, um zu genießen und zu arbeiten. Dort malte er um 1834 herum das Bild „Haus am Strand von Sorrent“. Unter dem blauen Himmel, über den einige Wolken ziehen, sieht man vor dem Haus einen sommerlich gekleideten Mann, vielleicht einen Fischer, der sich um sein Netz zu kümmern scheint.

Dieser untere Teil des direkt am Wasser gelegenen Gebäudes ist der hellste im Bild und wirkt wie von einer im Rücken des Betrachters tief stehenden Sonne angestrahlt. Das Gebäude macht einen baufälligen Eindruck. Das Meer davor, in dem ein Boot liegt, wirkt ruhig. Der Maler hatte offenbar ein Faible für marode Bausubstanz. Die Kunsthalle ist auch im Besitz seines Bildes „Verfallenes Haus“.

Kunsthalle Hamburg: Gurlitt in Altona geboren

Gurlitt kam eigentlich aus dem Norden, er wurde in Altona geboren. Sein Vater Johann August Wilhelm Gurlitt übte den recht seltenen Beruf eines Golddrahtziehers aus. Aufgewachsen ist er in einer enorm großen Familie zusammen mit 17 (!) Geschwistern. Schon während der Schulzeit förderte man sein zeichnerisches Talent.

Er entwickelte sich zu einem der bedeutendsten Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts, den man der Hamburger Schule zurechnet. Sonst ließ er sich aber nicht so einfach verorten, denn er hatte große Lust aufs Reisen. Bei einem ersten Besuch in Norwegen fand er seinen Stil. Zu seinen weiteren Stationen zählten Kopenhagen, Düsseldorf, Berlin, Rom und Dresden. Und natürlich Italien.

Sorrent in der Nähe von Neapel gilt als ein Brennpunkt der Italiensehnsucht vieler Maler und Dichter. Im Jahre 1855 wurde Gurlitt Präsident des Hamburger Künstlervereins von 1832. Herzog Ernst II. lockte ihn dann mit dem Geschenk eines eigenen Ateliers nach Gotha. Dort lebte auch der mit ihm befreundete Autor Gustav Freytag, der Autor des damals extrem erfolgreichen, später aber auch umstrittenen Romans „Soll und Haben“.

Gurlitt bekam einen guten Überblick

Durch seine vielen Auslandserfahrungen bekam Gurlitt einen guten Überblick über die malerischen Vorlieben seiner Zeit. In Frankreich dominierten ab dem späten 18. Jahrhundert kämpferisch-heroische Themen. Diesen revolutionären Geist findet man in Deutschland eher in der Literatur der „Sturm und Drang“-Zeit. Die Malerei konnte sich über längere Zeit nicht zwischen verbürgerlichtem Rokoko und einem Bildungsbürger-Idealismus entscheiden.

Louis Gurlitt,   (1812–1897),  „Haus am Strand von Sorrent“, vermutlich 1843. Maße 26 x 36,6 cm,  Öl auf Papier auf Leinwand.
Louis Gurlitt, (1812–1897), „Haus am Strand von Sorrent“, vermutlich 1843. Maße 26 x 36,6 cm, Öl auf Papier auf Leinwand. © Unbekannt | Hamburger Kunsthalle/bpk/Christian Irrgang

Johann Wolfgang von Goethe hatte mit seiner „Italienischen Reise“ großen Einfluss auf die Italienvorliebe der Deutschen. Der Klassizismus galt nicht als eine Wiederbelebung antiker Formen. Die Klassizisten sahen in der Antike ein Vorbild für ihre Ideale, „sie wollten dem lustvoll-heiteren Lebensstil des Rokoko mit würdevoll-ernsthafter Natürlichkeit begegnen“, schreibt der Hamburger Kunsthistoriker Gottfried Lindemann.

Gurlitt verlor zwei Ehefrauen

Und weiter: „In der klassizistischen Malerei hat Deutschland keinen eigentlichen Protagonisten gefunden. Durch die Rückbesinnung auf die und die mit ihr verbundenen neuen Ideale konnte sie sich nicht erneuern. Vielmehr war es die Natur, durch die sie sich von den Fesseln von der Vergangenheit löste. In der Bildniskunst wurde der neue Mensch in seiner ernsthaften Würde gezeigt, im Landschaftsbild offenbarte sich das neue Weltgefühl dieses Menschen.“

Privat verlief Louis Gurlitts Leben zunächst weniger glücklich. 1837 heiratete er die Dänin Elise Saxild, 1843 Elise Bürger. Aber beide Frauen starben schon sehr früh. In dritter Ehe heiratete er dann Elisabeth Lewald und bekam mit ihr sieben Kinder.

Kunsthalle Hamburg: Gurlitts eine illustre Familie

Das vielfältige Œuvre des Altonaers, schreibt Matthias Seeberg von der Stiftung Historische Museen Hamburg, „erscheint in Summe wie ein einziges Panorama fast aller europäischen Landschaften.“ Der Maler selbst hat seinen Ansatz so beschrieben: Er wolle ganz ohne dramatische oder religiöse Überhöhung die „wahre Natur“ einer Landschaft darstellen, „ihren Geist“ erfassen, schrieb Gurlitt.

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Sein Sohn, der Pädagoge Ludwig Gurlitt, schrieb über den Vater, der kurz nach seiner goldenen Hochzeit im Alter von 85 Jahren starb: „Louis Gurlitt ist der Stolz all derer, die seinen Namen tragen. Ich brauche sein Bild nur zu zeigen und unser ganzes deutsches Volk – so hoffe ich – wird ihn gern den Seinen nennen: denn er war deutsch in jedem Zuge seiner reichen Natur.“ Die Gurlitts waren tatsächlich schon eine ziemlich illustre Familie.

Und dann gab es da ja noch den 2014 gestorbenen und nicht ganz unumstrittenen Enkel, den Kunstsammler Cornelius Gurlitt. Aber das ist eine andere Geschichte …