Hamburg. Die Outdoor-Schau „Mothers And Daughters“ ist Teil des Ukraine-Benefiz-Tages. Die Aktion der Hamburger Museen startet am Muttertag.
Mütter und Töchter, die mit ernstem Blick in die Kamera schauen. Sie haben Geschichten zu erzählen, die sich ähneln und doch individuell sind. Der Grund, warum die Fotografin sie auf der Durchreise am Bahnhof in Lwiw antraf, ist derselbe. Sie sind auf der Durchreise, auf der Flucht vor dem Krieg, vertrieben von Putins Schüssen und Bomben.
Die Fotografin heißt Anastasia Taylor-Lind, seit Langem nimmt sie das Geschehen in der Ukraine in den Blick der Kamera. Zu sehen sind sechs ihrer Mütter-Töchter-Porträts unter dem Titel „Mothers And Daughters“ am Sonntag in einer Outdoor-Hängung der Deichtorhallen – anlässlich des gemeinsamen Ukraine-Benefiztages der Hamburger Museen.
Deichtorhallen: Mütter erzählen von ihrer Flucht vor dem Krieg
Die Ausstellungsräume der Deichtorhallen sind derzeit aufgrund von Umbauarbeiten geschlossen, deshalb nun die aushäusige Mini-Schau. Das kann man durchaus symbolisch sehen, weil die Menschen in dem vom russischen Angriffskrieg heimgesuchten Land derzeit alle unbehaust sind, viele von ihnen wortwörtlich. Dennoch fällt das Alltägliche ins Auge, das eben auch von den Gesichtern ausgeht.
Niemandem sieht man den Flüchtlingsstatus an, viele beanspruchen diesen auch nicht für sich. „Sie sehen sich zunächst als Reisende“, erklärt Ingo Taubhorn, „es ist die Normalität gemixt mit dem dramatischen Hintergrund, die den Betrachter von den Fotografien anschaut.“ Taubhorn ist Kurator bei den Deichtorhallen; gemeinsam mit Amélie Schneider, der Bildchefin der „Zeit“, initiierte er das Projekt. Die Aufnahmen waren erstmals am Weltfrauentag, dem 8. März, in der Wochenzeitung zu sehen.
Ausstellung bis zum 3. Juli
Auf dem Deichtorhallenplatz sollen sie bis zum 3. Juli hängen. Und für diese knapp zwei Monate mit den Betrachterinnen und Betrachtern in einen Dialog treten, wie Taubhorn erklärt, „die Frauen und Mädchen stellen auch uns Fragen“. Wichtig sei, dass man sich mit den Abgebildeten identifizieren könne, „sie sehen aus wie du und ich“.
In deutscher, englischer und ukrainischer Sprache informieren Texte zu den Fotos über die Abgebildeten, deren Geschlecht mit Bedacht gewählt wurde. Gemeinsam mit der Journalistin Olha Petriv befragte Taylor-Lind die Frauen nach Herkunft und Zielen. Frauen spielen eine besondere Rolle in jedem Krieg. Während die Männer an der Front sind, sind sie alleine für Familie und Alltag verantwortlich. Und im Hinblick auf sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalttaten sind Frauen von Kriegen in besonderer Weise betroffen. Sie sind, wie Taubhorn sagt, „eine Waffe“.
Kunst der Fotojournalistin Taylor-Lind
Ljudmila Wassiliewa, eine der abgebildeten Frauen, erzählt über ihre Flucht: „Die Reise hat in Kamjanka begonnen, das liegt in der Region Dnipropetrowsk. Wir haben 24 Stunden benötigt, dreimal mussten wir umsteigen, und einer unserer Züge musste aufgrund von Schusswechseln stoppen. Wir würden gerne nach Breslau weiterfahren, aber wir wollen so schnell wie möglich wieder nach Hause.“ Auch weil seit der Aufnahme des Fotos schon zwei Monate vergangen sind und ein Ende des Krieges nicht in Sicht ist, spürt man die Unerträglichkeit der Zustände in Osteuropa mit voller Wucht.
Die schwedisch-britische Fotojournalistin Anastasia Taylor-Lind reist seit langem in die Ukraine, um den Krieg, die Vorgänge und die Schicksale vor Ort zu dokumentieren. 2014 erschien ihr Buch „MAIDAN – Portraits from the Black Square«, eine Porträtreihe regierungskritischer Demonstrantinnen und Demonstranten sowie Trauernder.
Eröffnung ist am Muttertag
Dass am Sonntag, dem Tag der Ausstellungseröffnung an den Deichtorhallen, auch Muttertag ist, gibt dem weiblichen Gepräge eine zusätzliche Ebene. Außerdem jährt sich am 8. Mai der Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus und des Endes des Zweiten Weltkrieges zum 77. Mal. Für Kurator Taubhorn sind die Porträts eine perfekte Gelegenheit, sich aus westlicher Sicht auf andere Weise als die des Verfolgens der Nachrichten auf den Krieg einzulassen.
Und genau so ist es: Die Fotos zeigen nicht das Grauen von russischen Kriegsverbrechen, sondern eine andere Version des Krieges, in der dieser in Transit und Heimatlosigkeit mündet, in ein Unterwegssein, dessen Ende erst einmal unmöglich erscheint.
Das Deichtorhallen-Projekt ist Bestandteil des Programms der Hamburger Museen unter dem allgemeinen Hashtag #hamburgstandswithukraine am kommenden Sonntag: Deichtorhallen, Museum für Kunst und Gewerbe, Kunsthalle, die Stiftung Historische Museen Hamburg (Museum für Hamburgische Geschichte, Altonaer Museum, Museum der Arbeit und Deutsches Hafenmuseum), das MARKK Hamburg, das Archäologische Museum Hamburg und die KZ-Gedenkstätte Neuengamme wollen damit erklärtermaßen ein gemeinsames Zeichen der Solidarität setzen.
Zahlreiche Aktionen und Veranstaltungen sind geplant. Alle unter dem Motto „Spende statt Eintritt – Ihr Besuch für die Ukraine“; sämtliche Erlöse des Benefiztages gehen direkt an die kooperierenden Hilfsorganisationen Hanseatic Help e. V., das Hilfsnetzwerk für Überlebende der NS-Verfolgung in der Ukraine und MenscHHamburg e. V.
Kulturbranche: Klare Haltung zum Krieg
Die Kultur habe früh begonnen, „nicht nur klar Haltung gegen den Krieg und für Solidarität mit der Ukraine zu zeigen, sondern auch praktisch zu helfen“, erklärt Kultursenator Carsten Brosda, „es gab und gibt weiterhin eine gewaltige Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Kunst und Kultur“. Auch der Benefiztag der Hamburger Museen und der Gedenkstätte Neuengamme bringe dies zum Ausdruck.
Mehr Informationen gibt es auf der Website zum Hamburger Benefiz-Tag der Museen.