Hamburg. „Om Mani Padme Hum“ – die Hamburger Musikerin hat in ihrem neuen Album klangvolle Mantras eingespielt.

Das Leben und die Kunst fließen nicht einfach geradeaus. „Ich weiß, dass mein neues Album kein kommerzielles Projekt ist“, sagt Graziella Schazad, lächelt glücklich und nippt an ihrem Tee, draußen in einem Café in Ottensen. Ihre Haare hat sie mit einem Tuch nach oben gebunden. Ihr Blick ist warm und offen.

Ihre ersten beiden Alben hat sie 2010 und 2015 bei den großen Plattenfirmen Warner und Sony veröffentlicht. Singer-Songwriter-Pop mit Chanson-Charme. Große Teams, großes Budgets, große Shows. Alles deutete in eine Richtung. „Das ist ein wirklicher Luxus, solch einen Support zu haben“, sagt die Musikerin. Doch für ihre aktuelle Herzensangelegenheit wollte sie in einem intimeren Kreis arbeiten. Mit dem kleinen Hamburger Label Kame Entertainment fand Graziella Schazad einen vertrauensvollen Partner, mit dem sie nun „Chapter One – Path Of Buddhist Mantras“ veröffentlicht hat.

Graziella Schazad hat Mantras für sich entdeckt

„Seit ich mit Anfang 20 das erste Mal nach Nepal gereist bin, haben mich die Gesänge der Lamas in den Klöstern fasziniert“, erzählt die Künstlerin, die als Tochter einer deutsch-polnischen Mutter und eines afghanischen Vaters in Berlin aufwuchs. Und die seit ihrer Kindheit Violine, Gitarre und Klavier spielt.

Weitere Reisen nach Asien inspirierten sie dazu, sich immer tiefer mit Religionen und Lebensweisen zu beschäftigen. Mittlerweile gehören Yoga und Meditation zu ihrer täglichen Praxis. Vor allem aber hat sie Mantras für sich entdeckt – jene Jahrtausende alten Wortfolgen, die repetitiv rezitiert oder gesungen eine ganz eigene Energie entwickeln.

Die klangvollen Wiederholungen entfalten eine heilsame Kraft

„Das Schöne an Mantras ist: Unabhängig davon, ob wir die Worte inhaltlich verstehen oder nicht, versetzen sie einen in Schwingung“, erläutert Graziella Schazad. Vor fünf Jahren hatte sie begonnen, Mantras in ihre Konzerte einzufügen. Zunächst als zaghafter Versuch. Doch als die Resonanz aus dem Publikum nicht nur positiv war, sondern ihre Fans zunehmend nach einem Tonträger mit diesen besonderen Stücken fragten, reifte die Idee zu einem ganzen Mantra-Album.

Für die Musikerin entfalten die klangvollen Wiederholungen eine heilsame Kraft. Ein Gefühl der Verbundenheit mit sich und dem Leben. Und angesichts des aktuellen Weltgeschehens spenden ihr die Mantras auch Trost.

Lage in Afghanistan: Momentan ein Gefühl wie Abschiednehmen

Als die Sowjetunion Ende der 1970er-Jahre nach Afghanistan einmarschierte, floh ihre Familie väterlicherseits aus dem Land und lebt nun verstreut in Indien, den USA sowie Kanada. „Mein großer Traum war es, mit meinem Mann und meinen Kindern nach Afghanistan zu reisen, mir meine Wurzeln zu erschließen und das Haus meiner Großeltern zu besuchen“, erzählt sie.

In Anbetracht der dramatischen Lage in Afghanistan fühle sich die Zeit aber momentan an wie ein Abschiednehmen, sagt Graziella Schazad. Sie befürchtet, dass bereits die nachfolgende Generation in der Diaspora viel weniger Verbindungen spüren wird zu ihrem kulturellen Erbe. Eine Traurigkeit, der die Künstlerin auch mit Hilfe von Mantras einen Raum geben kann.

Ihre Songs klingen wie ein Durchatmen in der Welt

Ihre Songs klingen wie ein Durchatmen in unserer überreizten Welt. Mit dem Segen von Acharya Lama Dawa, der das Buddhistische Meditations- und Studienzentrum am Harkortstieg in Altona leitet, komponierte sie Melodien zu den alten tibetanischen Texten und sang diese neu ein – zum Beispiel das wohl bekannteste Mantra „Om Mani Padme Hum“. Beruhigend und transparent fließt ihre Stimme auch in „Medicine Buddha“ dahin. Das Video zu diesem Song zeigt Graziella Schazad in der ursprünglichen Natur des Allgäus, wie sie Geige spielt und die Kalimba, bei der Lamellen über einem hölzernen Resonanzraum gezupft werden.

Die sanfte Vielschichtigkeit, die auf ihrem neuen Album ertönt, ist im Hamburger BluHouseStudio entstanden. „Ich hatte an den Songs zunächst zuhause gearbeitet, häufig nachts, wenn meine beiden Kinder im Bett waren.“ Als sich dann die Frage stellte, wen sie noch ins Boot holen könnte, kam ihr Anne de Wolff in den Sinn. Von Revolverheld bis zu Anna Depenbusch lädt die Multiinstrumentalistin zahlreiche Musikprojekte mit ihrem empfindsamen Sound auf. Und mit ihrem Partner Ulrich Rode betreibt sie in der Nähe des Alstertals ein Studio in äußerst familiärer Atmosphäre.

Graziella Schazad will Songs mit Mantras kombinieren

„Dieser Ort ist wie Licht“, sagt Graziella Schazad – und strahlt. Anne de Wolff ist auf dem Album an Cello und Vibraphon zu hören, Ulrich Rode an Percussioninstrumenten und Graziella Schazad neben ihrer geliebten Geige zudem an Gitarre, Ukulele und Harmonium. Für Konzerte möchte sie künftig ihre Pop- und Singersongwriter-Songs mit den neu interpretierten Mantras kombinieren. Für Graziella Schazad kein Widerspruch. Solange die Musik fließt.

Graziella Schazad: „Chapter One – Path Of Buddhist Mantras“ (Kame Entertainment)